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Bericht VGSD auf vbw-Podium "Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau"

Am 15. Mai fand wie angekündigt in München eine vbw-Veranstaltung zum Thema "Strategie für einen nachhaltigen Bürokratieabbau" statt, bei der ich (Andreas Lutz) für den VGSD aufs Podium eingeladen worden war. Fast 100 Teilnehmer waren gekommen, davon rund die Hälfte VGSD-Mitglieder. Dafür, dass ihr so zahlreich gekommen seid und auf die Anliegen der (Solo-)Selbstständigen aufmerksam gemacht habt, ganz herzlichen Dank!

Die Teilnehmer im Ballsaal des The Charles Hotel

Von offiziellen Stellen gemessener Bürokratierückgang widerspricht der gefühlten Realität

Bertram Brossardt beobachtet eher eine Zunahme der Bürokratie

vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt führte ins Thema ein und zwar mit "Dingen die ich (offiziell) sagen sollte und mit Dingen die ich eigentlich nicht sagen dürfte": Er wies einerseits auf die ernsthaften Bemühungen um Bürokratieabbau auf allen Ebenen hin, berichtete aber aus eigener politischer Erfahrung, dass es dabei schon vorkommen kann, dass man als Verantwortlicher eine uralte Regelung ausgräbt, die längst keine Bedeutung mehr hat, ihr einen Erfüllungsaufwand zuordnet, den man dann durch  Streichung des Gesetzes oder Verordnung sogleich einspart. – Das alles, um der Bürokratieabbau-Bürokratie genüge zu tun.

Mit dem in Deutschland herrschenden Ausmaß an Bürokratie ist Brossardt also keineswegs zufrieden. Die von offiziellen Stellen gemessenen (kleinen) Fortschritte beim Bürokratieabbau widersprächen der gefühlten Realität, die eher in Richtung von immer mehr Bürokratie geht.

Deutschland bei Bürokratie allenfalls im Mittelfeld

Dr. Karl Lichtblau bei seinem Vortrag

Wie es sich tatsächlich verhält, beleuchtete anschließend Dr. Karl Lichtblau vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (sein Vortrag trat an die Stelle des ursprünglich angekündigten Filmbeitrags). Er berichtete von seiner neuen internationalen Vergleichsstudie zum Thema Bürokratie. Deutschland belegt hier keine Spitzenplätze, ist allenfalls im Mittelfeld, beim Thema eGovernance sogar weit unter dem Durchschnitt.

Dabei würde weniger Bürokratie zu mehr Wirtschaftswachstum, zu mehr Gründungen und Investitionen führen: Lichtblau übersetzte diese Effekte in konkrete Zahlen. Schließlich erklärte er, wie es Ländern mit Spitzenplätzen (Großbritannien, USA, Dänemark, Estland) gelingt, bürger- und unternehmensfreundlichere Gesetze zu machen und was man daraus für Deutschland lernen kann (vgl. Präsentation).

"Die Kriminellen werden wir mit dem zwanzigsten Merkblatt auch nicht erwischen"

Wolfgang Nussel ist stolz darauf, sich unbeliebt zu machen

Der bayerische Landtagsabgeordnete und Beauftragte der Staatsregierung  für den Bürokratieabbau, Wolfgang Nussel, berichtete sehr anschaulich anhand mehrerer Beispiele von seiner Arbeit. Dabei würde er sich nicht immer beliebt machen, erzählte er mit einigem Stolz: Aus Verwaltungssicht bewährte Abläufe und die hohe Regelungsdichte in Frage zu stellen, stoße keineswegs überall auf Gegenliebe. Aber: "Die Kriminellen werden wir mit dem zwanzigsten Merkblatt auch nicht erwischen."

Er versuche viel Zeit draußen bei Bürgern und Unternehmen zu verbringen und nehme dabei auch gerne Beamte mit, das sei eine lehrreiche Erfahrung. Bei den Handwerkern höre er besonders auf die Frauen, denn die würden häufig die Verwaltungsarbeiten übernehmen und könnten bürokratische Probleme ganz genau benennen. Aufhören ließ sein Hinweis, dass er sich beim für die DSGVO zuständigen Präsidenten des Landesamts für Datenschutzaufsicht im Sinne der betroffenen Unternehmen einsetzen wolle.

Hinter den Kulissen des Normenkontrollrats

Hanns-Eberhard Schleyer berichtet über die Arbeit des Normenkontrollrats

Auf die drei Kurzvorträge folgte die Podiumsdiskussion, zu der ich sowie ein weiterer Diskutant hinzustießen: Hanns-Eberhard Schleyer gehörte der Hartz-Kommission an und war zehn Jahre lang Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Seit 2011 ist er Mitglied des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) – einer von zehn ehrenamtlichen Mitgliedern, die für jeweils fünf Jahre vom Bundespräsident berufen werden und von denen jede/r die Zuständigkeit für jeweils ein oder zwei Bundesministerien bzw. deren Gesetzesvorhaben übernimmt.

Ein 15-köpfiges, hochqualifiziertes "Sekretariat" arbeitet ihnen zu sowie eine erhebliche Zahl von Mitarbeitern beim statistischen Bundesamt. Sie erstellen jährlich einen Bericht. Im Mittelpunkt steht dabei die Messung der Bürokratiekosten, diese erfolgt mit dem Standardkostenmodell. Schleyer gab Einblick in die Arbeit des NKR und "hinter die Kulissen" verschiedener Gesetzesvorhaben, etwa des Mindestlohngesetzes. Er ging auch darauf ein, welche positiven Weiterentwicklungsmöglichkeiten und  Trends er sieht, z.B. dass vor einem Gesetzesvorhaben zunächst "Eckpunkte" veröffentlicht werden sollten.

Welche Gesetze belasten momentan die Selbstständigen besonders? - Darauf gibt es eine eindeutige Antwort

Dr. Andreas Lutz beim Beantworten einer Frage

Mir wurde die Frage gestellt, welche Gesetze momentan die (Solo-)Selbstständigen besonders belasten. Ganz eindeutig die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und die Rechtsunsicherheit bei der Statusfeststellung, antwortete ich. Wie bei vielen anderen Bürokratiemonstern würden wir Selbstständigen uns gerne korrekt verhalten, aber wir wissen nicht wie: Bürokratie besteht nicht (nur) im Ausfüllen umfangreicher Fragebogen und Dokumente, sondern im Zeitaufwand, den man tätigen muss, um herauszufinden, was genau der Gesetzgeber eigentlich von einem erwartet.

Den Versuch des Bürokratieabbaus durch Berechnung von Bürokratiekosten und Erfüllungsaufwand sehe ich als wichtigen Schritt an. Ich kritisierte allerdings, dass die Betrachtung isoliert erfolgt, z.B. durch den Normenkontrollrat nur für Bundesgesetze. Die wachsende Bedeutung von EU-Verordnungen und -Richtlinien bleibt außen vor, wird auch nicht bei der Berechnung des Bürokratiekostenindex berücksichtigt. Der Erfüllungsaufwand für die DSGVO wird im Umsetzungsgesetz deshalb mit – wie ich vorher nachgesehen hatte – einmalig 13,70 Euro und jährlich 4,00 Euro pro Selbstständigem bewertet.

Für DSGVO geschätzter Bürokratieaufwand völlig unrealistisch - Betroffene müssen stärker in Gesetzesentwicklung einbezogen werden

Das Panel

Die Zahlen stießen im von der DSGVO geplagten Publikum auf Kopfschütteln. Meine Forderung: Bei der Berechnung dürfte nicht einfach von einem "Durchschnittsunternehmen" mit einer zweistelligen Zahl von Mitarbeitern ausgegangen werden. Man müsste sich auch den (prozentualen und absoluten) Aufwand anschauen, den ein Solo-Selbstständiger oder gar ein Teilzeit-Selbstständiger betreiben müssten, um alle rechtlichen Anforderungen zu erfüllen.

Bürokratischer Aufwand werde noch immer von vielen Politikern nicht ernst genommen ("das bisschen Bürokratie") und als reines Lobby-Argument abgetan. Um zu besseren Gesetzen zu kommen, müssten die Betroffenen in geeigneter Weise früher eingebunden werden. Ein Gesetz müsste wie ein gutes Produkt designt werden, mithilfe von Fokusgruppen, Prototypen etc. Ich fühlte mich in diesen Forderungen von dem bestätigt, was zuvor Dr. Lichtblau über Dänemark berichtet hatte. Dort wird die Methode des "Political Design" verwendet, um zu besseren Gesetze zu kommen.

Fragerunde führt bei VGSD-Mitglied zu konkreter Zusage der Unterstützung

Ein Teilnehmer stelle eine Frage

Von der Fragerunde blieben mir besonders in Erinnerung: Ein Unternehmer, der 200 km zur Veranstaltung angereist war und seinem Frust Ausdruck gab über das Fortbestehen der Vorfälligkeit bei Lohnabrechnungen. Der Gesetzgeber hatte vor Jahren die Abführung der Sozialversicherungsabgaben um einen Monat vorverlegt, um durch die Umstellung einen zusätzlichen Monatsbeitrag Sozialversicherungsbeiträge zu vereinnahmen.

Der politische Taschenspielertrick führte aber auf Betriebsseite nicht nur zu einer einmaligen finanziellen Mehrbelastung, sondern seitdem Monat für Monat zu zusätzlicher Arbeit, weil Löhne zunächst vorausgeschätzt und dann später noch einmal korrigiert werden müssen. Das betrifft vor allem Arbeitnehmer, bei denen nach Arbeitsstunden bezahlt wird und diese von Monat zu Monat schwanken.

Dr. Thomas Geppert, Geschäftsführer DEHOGA Bayern, stellt eine Frage

Eine andere Frage kam von einem VGSD-Mitglied. In ihrem speziellen Beruf muss sie mit Einführung der DSGVO qua Beruf einen Datenschutzbeauftragten bestellen, obwohl sie keine Mitarbeiter beschäftigt und von den Befragungsinstituten keine personenbezogene Daten erhält.

vbw-Geschäftsführer Brossardt beauftragte direkt seine Rechtsabteilung mit der Prüfung des Sachverhalts und Kontaktaufnahme mit dem Landesamt für Datenschutzaufsicht in dieser Sache.

Fazit

Bei der Veranstaltung wurden Interviews mit allen Diskussionsteilnehmern aufgezeichnet, die in ein Video einfließen sollen

Auch aus anderen Wortmeldungen wurde deutlich, dass ich mit meiner Einschätzung Recht hatte und die DSGVO den Selbstständigen momentan besonders auf der Seele brennt. Ich freue mich, dass ich erstmals als VGSD-Vertreter an einer vbw-Podiumsdiskussion teilnehmen konnte. Von den Anwesenden gab es beim anschließenden Buffet viel positives Feedback für die Veranstaltung und die Themen wurden intensiv weiter diskutiert.

Eines ist klar: Auch wenn die Themen Scheinselbstständigkeit, Rentenpflicht und KV-Beiträge eines (hoffentlich nicht all zu fernen Tages) "gelöst" sein sollten, wird uns das Thema Bürokratie beim VGSD noch auf Jahre hinaus viel zu tun geben.

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