Miriam Krug aus Freiburg ist das 5.900ste VGSD-Mitglied. Seit 2013 ist sie als freie Traurednerin tätig und leitet Hochzeits-zeremonien. Ihre Arbeit fasziniert sie, immerhin bekommt sie dabei die Liebesgeschichten von unterschiedlichsten Personen mit und lernt viele neue und verrückte Orte kennen. Welche Rolle dabei ein Wohnzimmer und ein Rockfestival spielen, verrät sie im Interview.
VGSD: Willkommen beim VGSD, Miriam, wir freuen uns, dass du uns als Mitglied unterstützt. Wo erreiche ich dich denn gerade?
Miriam: Ich war gerade bei meinem Liebsten am Bodensee zu Besuch.
VGSD: Wie bist du auf den VGSD aufmerksam geworden?
Miriam: In Freiburg gibt es eine Freelancer-Gruppe, in der ich Mitglied bin. Zwei Mitglieder dieser Gruppe haben mich auf den VGSD aufmerksam gemacht. Ich war dann zufällig an dem Tag auf der Website, als der Countdown für das 5.900ste Mitglied online war. Da habe ich mich gleich angemeldet.
VGSD: Was hat dich veranlasst, gerade jetzt Vereinsmitglied zu werden?
Miriam: Im Moment wegen Corona. Durch die Krise mussten viele Paare ihre Hochzeit absagen oder verlegen, d.h. dass mir Buchungen fehlen. An einer Interessenvertretung und Informationen gerade in der Krise bin ich sehr interessiert.
VGSD: Seit wann bist du selbstständig und was machst du genau?
Miriam: Seit 2011 bin ich selbstständig, damals noch mit Seminaren. Seit 2013 leite ich freie Trauungen und Hochzeitszeremonien für Menschen, die sich nicht in der Kirche trauen lassen möchten, aber dennoch nicht auf ein besonderes Fest verzichten wollen.
Diese Zeremonien sind unabhängig von Konventionen, sie sind immer sehr persönlich und authentisch, das mag ich besonders gern daran. Außerdem kann ich in diesem Beruf alles zusammenbringen, was ich in meinem Leben gelernt habe.
"Schon über 200 Liebesgeschichten gehört und erzählt"
VGSD: Wie viele Hochzeiten hast du bisher schon begleitet und wie viele sind es etwa pro Jahr?
Miriam: Ich habe schon über 200 Liebesgeschichten gehört und erzählt. Pro Jahr habe ich zwischen 25 und 29 Trauungen.
VGSD: Im Winter finden wenige bis keine Hochzeiten statt. Wie verdienst du dein Geld während dieser „Dürrezeit“?
Miriam: Natürlich ist es essenziell, dass ich vorwirtschafte. Die Hochzeitssaison geht von Mai bis September, mit ein paar kleinen Ausreißern. Viele, die sich eine freie Trauung wünschen, wollen auch unter freiem Himmel feiern. Im Winter führe ich außerdem Seminare durch und ich bin Dozentin bei der Volkshochschule in Freiburg, dort gebe ich Kurse für Frauen in Rhetorik und Selbstmarketing.
VGSD: Was fasziniert dich an deinem Beruf?
Miriam: Ich verwende keine vorgefertigten Reden und habe auch keine Textbausteine parat. Ich setze mich mit jedem Paar hin und höre zu, was ihm wichtig ist. Dabei lasse ich mich auch von der Atmosphäre zwischen den beiden inspirieren. Ich schreibe eine Rede und entwickle eine Zeremonie, die genau zu den beiden passt.
Die Berufsbezeichnung „freie Traurednerin“ ist in meinem Fall nicht ganz treffend, denn ich halte nicht nur eine Rede, sondern leite auch die Zeremonie. Dabei tragen auch Gäste des Paares oder das Brautpaar selbst etwas bei.
An meinem Beruf schätze ich darüber hinaus sehr, dass ich viele verschiedene und verrückte Orte kennenlerne und fröhliche Menschen. Ich habe schon Trauungen im Wald, im Kino und an Seen durchgeführt. Das Spektrum ist sehr breit, so fand zum Beispiel eine Zeremonie eines Paares in deren Wohnzimmer statt oder eine andere auf einem Rockfestival. Da stand ich mit dem Brautpaar auf der Bühne und eine besondere Herausforderung war es, die 400 Gäste auf dem Festival, die nichts mit dem Paar zu tun hatten, auch mitzureißen.
"Ich nehme den Verlust von 2020 ins neue Jahr mit"
VGSD: Wie geht es dir in der Corona-Krise?
Miriam: Zum Glück hatte ich im Februar 2020 noch eine Trauung, weitergegangen wäre es dann im Mai. Von Mai bis Ende Juli durfte ich aufgrund der geltenden Corona-Regeln meinen Beruf nicht ausüben. Dabei habe ich auch die Schicksale vieler Paare miterlebt, die sehr enttäuscht waren. An einer Trauung hängt viel mehr dran, als es auf den ersten Blick scheint: Die Paare beginnen ein bis zwei Jahre vor der Trauung mit der Planung und auch viele Dienstleister sind betroffen, die durch die coronabedingte Absage von Hochzeiten Aufträge verloren haben. Um auf diese Thematik aufmerksam zu machen, gab es im Juni eine Aktion der Hochzeitsdienstleister und -dienstleisterinnen in Deutschland, die unter den Titel „Stand up for Love“ lief.
August bis Anfang Oktober war ein kleines Zeitfenster, in dem wieder Trauungen stattfanden. Viele Paare mussten ihre Trauung aber ins nächste Jahr schieben, teilweise zum zweiten Mal. Ich habe zwar die Soforthilfe bekommen, allerdings bleiben mir Einbußen, da ich nächstes Jahr weniger freie Termine aufgrund der Verschiebungen von Trauungen habe. Letztlich nehme ich den Verlust von 2020 ins nächste Jahr mit.
Was mich aber freut ist, dass ich meine zweite Ausbildungsgruppe, der ich den Beruf der freien Traurednerin beibringe, aufgrund der kleinen Gruppengröße und zeitweisen Lockerungen der Kontaktbeschränkungen noch fertig ausbilden konnte. Ich freue mich, wenn ich mein Wissen weitergeben kann und werde nächstes Jahr im März die dritte Ausbildungsrunde beginnen.
Die Krise als "Reset" und Innehalten
VGSD: Was hast du aus der Krise gelernt?
Miriam: Ich habe viel gelernt und auch viel Gutes erfahren. Das gesellschaftliche Innehalten hatte großen Wert, das war wie eine Art „Reset“. Die Krise ist in dem Sinn eine Chance, dass man sich wieder darauf konzentriert, was wirklich wichtig ist, und zu den eigenen Werten zurückkehren kann.
Durch meinen Beruf weiß ich, dass das, was die Menschen trägt, die Liebe, die Verbindung untereinander und die Gemeinschaft ist. Das sind menschliche Grundbedürfnisse.
VGSD: Bist du noch in anderen Verbänden oder Vereinen aktiv?
Miriam: Nein, der VGSD ist mein erster Verband.
VGSD: Welche Themen beschäftigen dich gerade in Hinblick auf deine Selbstständigkeit und was sollen wir in den nächsten sechs Monaten unbedingt machen?
Miriam: Informationen über die Krise und finanzielle Hilfen sind für mich momentan am wichtigsten. Außerdem finde ich die Möglichkeiten des Austausches und des Netzwerkens untereinander gut. Im Moment ist mir die Begleitung in der Krise am wichtigsten und ich bin froh über die Telkos.
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