Zwei aktuelle Umfragen beleuchten die Situation von Freelancern – und kommen fast durchweg zu übereinstimmenden Ergebnissen: Freelancer sind hochqualifiziert, zufrieden mit ihrem Einkommen – und werden von der Politik ausgebremst.
Die Akquise schwierig, die Zufriedenheit hoch, der Verdienst gut und die Rahmenbedingungen belastend: Dies sind in Kurzform die wichtigsten Erkenntnisse aus zwei Studien zur Arbeitssituation von Freelancern, die gerade veröffentlicht wurden. Die beiden Befragungen wurden unabhängig voneinander durchgeführt von zwei Plattformen, die Aufträge an Freelancer vermitteln. Die Ergebnisse sind fast deckungsgleich.
Stundensatz um die 100 Euro
Für die "Freelancer-Studie" der Plattform freelance.de füllten in der Zeit vom 29. Januar bis 11. März 1.615 Freelancer einen Online-Fragebogen aus. Die Befragten waren per E-Mail, LinkedIn, Instagram und Facebook zur Teilnahme eingeladen worden. Von den Befragten arbeiteten 42 Prozent der Männer im IT-Bereich, bei den Frauen die größte Gruppe (24 Prozent) im Bereich Marketing und Kommunikation. Parallel dazu erstellte die Plattform freelancermap.de ihren "Freelancer-Kompass". Daran nahmen in der Zeit vom 16. Januar bis zum 29. Februar 3.042 Freelancer teil. Von diesen arbeiten die größten Gruppen im Fachgebiet "Entwicklung/Tech/Data" (31 Prozent) und "Beratung/Management" (27 Prozent). Zusätzlich interviewte freelancermap.de mehrere Expert/innen aus dem Bereich selbstständige Arbeit, darunter VGSD-Vorstand Andreas Lutz.
Zunächst einmal einige grundlegende Erkenntnisse: Die meisten Teilnehmer der Befragung sind männlich – unter den Teilnehmenden der Freelancer-Studie 76 Prozent, im Freelancer-Kompass 86 Prozent. Ähnlich viele haben eine akademische Ausbildung (76 respektive 72 Prozent). Auch die Vergütung ist in beiden Erhebungen ähnlich: Der Freelancer-Studie zufolge rufen Freelancer durchschnittlich einen Stundensatz von 99,50 Euro auf. Im Freelancer-Kompass sind es 102 Euro.
Ihr Einkommen finden die Freelancer überwiegend in Ordnung: Im Freelancer-Kompass gaben 67 Prozent der Befragten an, mit ihrem Einkommen zufrieden zu sein. Die Freelancer-Studie fragte nach der Zufriedenheit mit der finanziellen Lage, dort waren insgesamt 61 Prozent "eher zufrieden" oder "sehr zufrieden". Auch von der Selbstständigkeit an sich sind die Freelancer überzeugt: 90 Prozent der Befragten würden sich wieder selbstständig machen (Freelancer-Kompass). 86 Prozent sind mit ihrer Rolle als Freelancer zufrieden oder sehr zufrieden (Freelancer-Kompass). 54 Prozent können sich eine Rückkehr in eine Festanstellung nicht vorstellen (Freelancer-Studie).
Beständig drohende Scheinselbstständigkeit
Als größte Herausforderung empfinden Freelancer die Akquise – 58 Prozent im Freelancer-Kompass und 61 Prozent in der Freelancer-Studie. Die zweitgrößte Herausforderung sehen Freelancer dem Kompass zufolge in der beständig drohenden Scheinselbstständigkeit. 39 Prozent gaben dies an. Die Freelancer-Studie fragte offensichtlich nicht explizit nach Scheinselbstständigkeit. Sie stellte die Frage: "Wie zufrieden sind Sie mit der Politik?" Darauf antworteten 56 Prozent, sie seien unzufrieden, weitere 23 Prozent würden sich mehr Unterstützung wünschen. Nur 4 Prozent stimmten der Aussage: "Ich bin zufrieden und fühle mich von der Politik gut unterstützt", zu.
Zur Lage der Selbstständigen wurde für den Freelancer-Kompass auch VGSD-Vorstand Andreas Lutz interviewt. "Freelancer werden bei gesetzlichen Vorgaben nicht mitgedacht, es fehlt leider an Ansprechpartnern in den zuständigen Ministerien mit der für ein besseres Verständnis nötigen Spezialisierung auf diese Gruppe", sagt er zum Problem der fehlenden politischen Unterstützung. Andreas verweist auf politische Narrative, die Selbstständigkeit überwiegend als prekäre Erwerbsform darstellen. "Tatsächlich ist die Selbstständigkeit der erfolgversprechendste Weg zum sozialen Aufstieg in Deutschland."
Große Bedeutung von KI
Die befragten Freelancer sehen die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) als von großer Bedeutung. 76 Prozent der Befragten im Freelancer-Kompass sind der Meinung, dass Fachwissen im Bereich KI unverzichtbar für künftigen Erfolg sein wird. In der Freelancer-Studie geben 73 Prozent an, mit KI zu arbeiten, in verschiedenen Abstufungen von "selten" bis "täglich". Dabei steht ChatGPT mit 96 Prozent als genutztes Tool mit Abstand an der Spitze.
In beiden Studien zeigen sich Unterschiede in der Vergütung von Frauen und Männern: In der Freelancer-Studie liegt der Stundensatz von Männern bei 101,70 Euro, der von Frauen bei 91,60 Euro. Etwas geringer fällt der Unterschied im Freelancer-Kompass aus: Dort betrug der durchschnittliche Stundensatz bei Männern 102 Euro, bei Frauen 98 Euro. Der Abstand betrug im Vorjahr noch zehn Euro, so dass die Studien-Macher fragen: "Gibt es Entwarnung beim Gender Pay Gap?" Sie stellen dann allerdings fest: Im nicht nach Stundensätzen abgerechneten Projektbereich sind Frauen unterrepräsentiert in den höheren Einkommensgruppen. "Nur ein knappes Drittel (31,8 Prozent) der Frauen konnte bisher in die Oberliga der Gutverdiener aufsteigen", schreiben sie. Dabei weisen Frauen mit 75 Prozent unter den Befragten eine höhere Akademikerquote auf als Männer mit 72 Prozent.
Frauen sind zudem häufiger in weniger hoch dotierten Fachgebieten wie Grafik, Kommunikation und Marketing tätig und seltener in den Gebieten mit den höchsten Stundensätzen wie IT-Infrastruktur oder Ingenieurwesen vertreten. Zwar können beide Studien nicht mit den wissenschaftlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamts verglichen werden. Sie geben aber zumindest einen Hinweis darauf, dass auch bei Selbstständigen ein Gender-Pay-Gap besteht.
Wie sind deine Erfahrungen als Freelancer? Lass es uns gerne in den Kommentaren wissen.
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