Gestern um 21:00 Uhr im ZDF: Die Sendung „frontal21“ beschäftigte sich mit dem Werkvertragsgesetz. Eine ausgewogene Berichterstattung ließ der folgende Ankündigungstext nicht erwarten - und es gab gestern dann auch keine ausgewogene Darstellung:
„Zwischen 1996 und 2016 hat sich die Zahl der Leiharbeiter mehr als verfünffacht, auf mittlerweile fast eine Million Beschäftigte. Dazu kommen noch einmal geschätzt mehrere hunderttausend Werkverträge.Der Umsatz der Top 10 in der Zeitarbeitsbranche stieg 2014 auf 7,2 Milliarden Euro. Laut der Bundesagentur für Arbeit ist ein Drittel aller offenen Stellen in Deutschland mittlerweile als Leiharbeit ausgeschrieben.
(...) Dumpinglöhne und Dauerleiharbeit waren die Folge. (...) Werkverträge und Leiharbeit sind moderne Mittel, um Löhne zu drücken und Beschäftigte leichter entlassen zu können.
Daraufhin wurde im gemeinsamen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD klar festgelegt, den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit zu verhindern. Gut zwei Jahre später und nach zahlreichen koalitionsinternen Auseinandersetzungen ist nun endlich ein entsprechender Gesetzentwurf auf dem Weg.
Frontal21 über die schwierige Diskussion um Leiharbeit und Werkverträge als wirksames Mittel gegen Langzeitarbeitslosigkeit.“
Erzählt wurde dann gestern die Geschichte von den bösen, uns ausbeutenden Arbeitnehmern. Den größten Teil der Redezeit erhielten ein Zeitarbeiter, ein Betriebsrat und ein Experte, der häufig für "Vorwärts" und "Freitag" schreibt. Die endlose Verlängerung von Zeitarbeitsverträgen ist ein ernstes Problem und es besteht breiter Konsens, dass solcher Missbrauch unterbunden wird. Nur dass der Gesetzesentwurf von Nahles alles andere getan hat, als diesen Missbrauch zielgenau zu bekämpfen.
Motto der Sendung: "Volle Informationskompetenz im Zweiten"
Was die Ankündigung auch nicht erwähnt: Die Zahl der Zeitarbeiter stagniert seit Jahren weitgehend – diese Entwicklung wird durch die Wahl des 20-jährigen Zeitraums von 1996 bis 2016 verdeckt. Die Zeitarbeitsunternehmen sind gewerkschaftlich gut organisiert und finden Zeitarbeit (und übrigens auch Zeitverträge) deshalb sehr viel besser als Selbstständigkeit.
Die weitreichendsten Kompromisse musste Nahles auch gar nicht bei der Zeitarbeit, sondern bei den Dienst- und Werkverträgen vornehmen - hier wurde mit dem aus der Zeit gefallenen Kriterienkatalog und der Vermutungsregelung das Schlimmste verhindert.
Mein Zuschauerbrief an die Redaktion war sicher nicht der Einzige
Ich (Andreas Lutz) hatte am Tag vor der Sendung noch einen Zuschauerbrief an frontal21 geschrieben und u.a. die folgenden Fragen gestellt:
- Haben Sie für Ihren Beitrag auch mit Selbstständigen gesprochen, die keine Aufträge mehr bekommen aufgrund dieser Politik?
- Haben Sie mit Auftraggebern gesprochen, die strategisch wichtige Projekte auf Eis legen müssen, weil sie die nötigen selbstständigen Experten nicht mehr rechtssicher beauftragen können?
- Haben Sie mit Betroffenen gesprochen, die jahrelange Prozesse gegen die Deutsche Rentenversicherung führen müssen, die dann zwar Recht erhalten haben, aber zwischenzeitlich ihr Unternehmen aufgeben mussten?
Ich bin gespannt auf die Antwort und werde Euch berichten. Mein Brief war auch sicher nicht der einzige. Nutzt die Möglichkeit über die Facebook-Seite oder der Twitter-Account der Sendung Eure Sicht der Dinge mitzuteilen - denn die Perspektive von uns Selbstständigen kam in dieser Sendung nicht vor.
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