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Für den „Werner-Bonhoff-Preis“ 2015 nominiert Malerbetrieb wehrt sich gegen überholtes Urlaubskassenverfahren

Letzte Woche haben wir Sabine Schmuck vorgestellt. Die Hebamme aus Ingolstadt ist aber nicht die Einzige, die für den bürokratiekritischen Werner-Bonhoff-Preis nominiert ist. Chancen hat auch Hilmar Steinert, Inhaber des Familienbetriebs „Malerwerkstätten Hilmar Steinert GmbH & Co. KG“ in der Nähe von Chemnitz. Er wehrt sich gegen die zwangsweise Beitragszahlung an die „Gemeinnützige Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk e.V.“. Die Urlaubs- und Ausgleichskasse (ULAK) wurde zur Absicherung der Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern im Malergewerbe geschaffen, mit der Begründung, dass in dem Gewerbe eine hohe Fluktuation herrsche und nur so die Urlaubszahlungen sicherzustellen seien.

Hilmar Steinert (Foto: Klemens Körner)

Hilmar Steinert gewährt seinen 70 festangestellten Mitarbeitern aber ganz regulär wie jeder andere Betrieb auch ihren Urlaub. Trotzdem muss er monatlich Beiträge in die Urlaubskasse einzahlen, die er sodann nur unter hohem bürokratischem Aufwand zurückerstattet bekommt. In der Zwischenzeit fehlt das Geld im eigenen Betrieb.

„Die Kasse machte Sinn, als Handwerker noch auf die Walz gingen. Heute stellt das Verfahren einfach nur einen enormen Verwaltungsaufwand dar“ beschreibt Steinert die historischen Hintergründe.

"Mich hatte die ULAK auf 273.000 Euro verklagt, obwohl ich den Urlaub an meine Mitarbeiter bereits bezahlt hatte. Bei der Gerichtsverhandlung erklärte der Klägervertreter zu Beginn, dass ich keine Schulden hätte, nein sogar noch 8.000 Euro Guthaben! Per Urteil musste ich aber die 273.000 Euro bei der ULAK einzahlen, um das Geld dann fünf Tage später wieder zurück zu bekommen. So pflegt man Bürokratie."

Bezahlen, obwohl man Urlaub gewährt – dann lange auf Erstattung warten

Steinert kritisiert in erster Linie den Liquiditätsabfluss, der seinem Malerbetrieb durch das Urlaubskassenverfahren für das Malergewerbe entsteht. Das Verfahren verpflichtet die Betriebe, durch die monatliche Beitragszahlung in Höhe von 12,35 % des Bruttoarbeitslohns in Vorleistung zu treten, selbst wenn dem Arbeitnehmer gegenüber Urlaub gewährt wird. Zwar wird in diesem Fall dem Arbeitgeber die ausgezahlte Urlaubsvergütung zurückerstattet, jedoch nur auf Antrag unter der Voraussetzung, dass das Beitragskonto zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs ausgeglichen ist. Der genaue Betrag des jeweiligen Beitrags für jeden einzelnen Mitarbeiter muss von den Betrieben selbst monatlich berechnet und abgeführt werden. Die Höhe der Rückerstattung wird sodann von der Urlaubskasse berechnet. Aufgrund der strengen Formalisierung des Erstattungsverfahrens dauert die Rückerstattung oft Wochen.

Auf der anderen Seite klagte die Urlaubskasse im Falle von Hilmar Steinert rückständige Beiträge vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden ein, obwohl der Betrieb Rückerstattungsansprüche hatte. Nach Angaben des „Arbeitgeberverband für Maler und Lackierer in Deutschland e.V.“ führt die Urlaubskasse jährlich zwischen 8.000 und 10.000 Verfahren gegen Malerbetriebe am Arbeitsgericht Wiesbaden, die aufgrund des Tarifvertrags ausschließlicher Gerichtsstand ist. Das Geld fehlt den Betrieben in diesem Zeitraum. Hilmar Steinert sagt, dass diese Praxis der Urlaubskasse bei ihm bereits einige Male zu Liquiditätsengpässen geführt habe, die im Zusammentreffen mit Zahlungsausfällen bei einigen seiner Schuldner zu einer erheblichen Existenzgefährdung geführt hätten.

Zwangsmitgliedschaft, obwohl kein Innungsmitglied

Hilmar Steinert ist nicht Mitglied einer Innung und damit auch nicht Mitglied des Bundesverbands Farbe Gestaltung Bautenschutz.  Der Malermeister ist trotzdem Zwangsmitglied in der „Urlaubskasse Maler“ und zur Beitragszahlung verpflichtet, weil der Tarifvertrag für „allgemeinverbindlich“ erklärt wurde. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kann auf Antrag der Tarifparteien und auf Grundlage des § 5 Tarifvertragsgesetz Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären. Dies hat zur Folge, dass die Rechtsnormen des Tarifvertrages auch für die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Geltungsbereich Gültigkeit haben.

Hierzu mussten bis vor kurzem mindestens 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer von tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt werden. Mit dem am 16. August 2014 in Kraft getretenen Tarifautonomiestärkungsgesetz wurden die Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung geändert und die 50%-Regelung abgeschafft. Nach dem neuen § 5 Abs. 1 kann das BMAS nun einen Tarifvertrag auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, allein „wenn (dies) im öffentlichen Interesse geboten erscheint“. Dadurch kommt es nun zu einer Ausweitung dieser überholten Regelung auch auf Unternehmen wie dem von Steinert.

Im Saarland kam es übrigens zu keiner Allgeinverbindlichkeit der Regelung. Dort lebt man gut auch ohne Malerkasse.

Steinerts Kritik von unten an der „Urlaubskasse Maler“ macht Probleme für kleine und mittelständische Unternehmen sichtbar, die von interessierten Kreisen gerne übergangen werden. Die Darstellung seines Falles und was er gegen das Bürokratiemonster „Urlaubskasse“ unternommen hat, ist in der Online-Fallsammlung der Stiftung abrufbar.

Die Werner Bonhoff Stiftung vergibt im Rahmen ihres Projekts „bureaucratic transparency“ seit 2006 den Bonhoff-Preis. Ausgezeichnet werden unternehmerische Menschen, die Bürokratismus nicht einfach hinnehmen und damit Verbesserungen „von unten nach oben“ anregen. Die Stiftung will damit unternehmerische Menschen ermutigen, einen Beitrag zur notwendigen Kontrolle und Motivation der Verwaltung von außen zu leisten. 2013 war VGSD-Vorstand Tim Wessels Preisträger. Um sich für den Preis zu qualifizieren, ist es nötig eine kurze Fallbeschreibung bei der Bonhoff-Stiftung einzureichen.

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