Weiter geht es mit den Vorbereitungen zum Netzwerktreffen im Oktober in Frankfurt. Unseren großen Barcamptag wird Michelle Spillner mit einem magischen Impuls eröffnen: "Ich kann Keynote, aber ich würde gerne mehr Magie und Kabarett bringen", sagt Michelle, als wir über ihren Programmpunkt zum Start in den Oktoberdienstagmorgen sprechen. Na klar, sagen wir, und müssen einfach nachfragen: Was machst du eigentlich genau beruflich, was steckt hinter dem Begriff der Zauberkünstlerin, wie arbeitet es sich als Frau in der Branche und was erwartet uns in Frankfurt?
Autorin und Coach, Kabarettistin und Zauberin, Moderatorin und Redakteurin, Fotografin und Katzenbesitzerin ... Eines ist sicher: In Michelles Leben ist eines zum anderen gekommen und alles hat miteinander zu tun. Dabei waren die Voraussetzungen in den ersten 20 Jahren ihres Lebens alles andere als einfach oder fördernd. Sie hat kämpfen müssen und unbedingt überleben wollen. Heute kann sie ihre beruflichen Standbeine in ihrer Selbstständigkeit ideal miteinander kombinieren. Auch darüber möchten wir mehr wissen, bevor sie uns im Oktober alle verzaubern wird.
Du kommst gerade frisch von deiner Tour zurück, unter anderem auch in München in der Drehleier – ich habe es leider verpasst. Aber: Wie war's und wie geht's dir?
Es war anstrengend, aber auch sehr schön. Und unheimlich abwechslungsreich. Ich war im April enorm viel unterwegs, von Berlin bis Wien, mit unterschiedlichen Formaten: meinem Solo-Zauberabend „Alles Lüge – echt wahr!“, mit Workshops und Seminaren zum Thema "Status", Vorträgen zum "Geheimcode der Kommunikation", mit Einzeldarbietungen in Zauber- und Comedygalas ... Das muss alles noch ein bisschen sacken.
Bevor wir über deine anderen Berufsbilder sprechen, sticht einfach die Zauberei hervor: Du bist Zauberkünstlerin. Was steckt dahinter?
Es gibt neun Sparten in der Zauberkunst: Manipulation (Geschicklichkeit der Hände), Allgemeine Magie, Großillusion, Comedyzauberei, Mentalmagie, Zauberkunst für Kinder, Salonmagie, Kartenkunst, Mikromagie/Close-up. Ich mache von allem ein bisschen – außer Kinderzauberei und Großillusion.
Ich passe meine Zauberei dabei dem Anlass an. Ich trete in Kleinkunsttheatern ebenso auf wie auf großen Firmenveranstaltungen, bei Messen, Weihnachtsfeiern, Festivals, Galashows bis hin zu Familienfeiern.
Was machst du zum Beispiel auf einer Firmenveranstaltung: Zauberst du ein weißes Kaninchen aus dem Hut oder zerteilst jemanden auf der Bühne, bringst Gegenstände zum Schweben oder wie stellen wir uns deine Arbeit vor?
Das kann zum Beispiel Tischzauberei, also Close-up-Magic, während des Essens zwischen den Gängen sein, Stand-up-Zaubern mit und ohne Publikumsbeteiligung. Wenn es gewünscht ist, baue ich Inhalte, Botschaften und Produkte der Firmen mit ein, entwickele dafür Kunststücke und Requisiten. Lasse aus einem winzigen Laptop eine Bowlingkugel erscheinen – Illusion und Botschaft ...
Und ein Kaninchen gibt es auch, aus Plüsch. Das kann fliegen.
Also doch! :) Du bist in den 1990er-Jahren zur Zauberei gekommen und kombinierst sie heute mit Kabarett, Coaching und Co. Wie bist du zur Zauberei gekommen? Gab es ein initiales Erlebnis?
Ich habe als Theaterfotografin eine Varietéproduktion über mehrere Wochen begleitet – und mich in den Zauberer verliebt. Wir kamen ins Gespräch, er erzählte mir, dass es Zauberkongresse gibt und -wettbewerbe. Ich wollte also unbedingt so einen Zauberkongress besuchen … und ihn wiedersehen!
Ich war schließlich auf dem Jahreskongress der Magier und habe mir dort auf der Händlermesse das "Handbuch der Magie" von Jochen Zmeck (ein Standardwerk) gekauft und ein paar Requisiten. Ich dachte mir: Dann hat man's mal ... Ich begann, mich damit zu befassen, übte, wurde zum Magischen Zirkel von Deutschland (MZvD) eingeladen, wurde Anwärterin, legte die Aufnahmeprüfung ab, bekam ab diesem Moment endlich die heiß ersehnte „magie“, Europas größtes Fachmagazin für Zauberkunst, das ich heute als Chefredakteurin leite.
Es folgten die ersten Zauberwettbewerbe, Preise und die ersten Engagements: Ein Incentive. 150 Gynäkologen in einem fahrenden Zug!
Was für ein Anfang! Da wären wir gerne dabei gewesen. Michelle, es deutet sich ja bereits an, dass sich in deinem (Berufs-)Leben eines zum anderen gefügt hat: Redaktion, Fotografie, Zauberei ... In fast 40 Jahren ist mehr hinzugekommen, Schwerpunkte haben sich verändert. Hast du nach dem Neuem gesucht oder waren es Zufälle oder Fügung?
Vielleicht ein bisschen von allem? Ein Beispiel: Während der Schulzeit habe ich für die Lokalpresse gearbeitet, da ließ man mich auch fotografieren, so kam es zur Fotografie. Dann fotografierte ich besagten Zauberer und entdeckte die Zauberei.
Ich stoße beim Zaubern an Grenzen und finde heraus, dass es mit Status zu tun. Das Thema fasziniert mich, ich gebe es an Zauberer weiter, die ich bei der Entwicklung ihrer Darbietungen unterstütze. Die sagen: Mach das mal für Frauen, das spielt doch im Alltag auch eine Rolle. Mach ich. Es meldet sich eine Coachingfirma, die möchte, dass ich Flugbegleitern das Zaubern beibringe. Das mache ich aber nicht - ich schlage das Thema "Status" stattdessen vor: kein Problem.
Die Teilnehmer/innen sagen nach meinen Auftritten immer wieder: Das ist so lustig, mach doch mal Kabarett! Und es entsteht das Wissenschaftskabarett. Parallel arbeite ich für die Zeitung, schreibe ein Portrait über Dunja Rajter, die fragt mich danach an, ob ich ihre Memoiren schreiben möchte. Dem Verlag gefällt es – so gut, dass der fragt, ob ich mehr schreiben könnte. Mein Roman entsteht. Der Zirkel sucht eine Pressesprecherin: Mach ich. Sie fragen, ob ich nicht auch die "magie" leiten mag? Mach ich. Dann könne ich ja auch gleich in den Vorstand kommen? Mach ich. Ich werde die erste Frau im Amt der Vizepräsidentin (bis letztes Jahr im September).
Das wirkt jetzt vielleicht so, als finge ich jeden Ball auf, den man mir zuwirft. Aber so ist es nicht. Zum einen hatte ich eine denkbar schlechte Ausgangsbasis, die ich hinter mir lassen musste. Zum anderen habe ich auch Dinge oder Anfragen abgelehnt und nicht gemacht, weil sie nichts mit meinem Kern zu tun hatten. Aber wer weiß, was noch kommt ...
Gibt es eigentlich viele zaubernde Frauen in deiner Branche?
Es gibt wenige Frauen. Im Magischen Zirkel von Deutschland (MZvD), der Vereinigung der Berufs- und Amateurzauberkünstler (also so eine Art VGSD für Zaubernde) sind 2700 Zauberkünstler und -künstlerinnen engagiert. Knapp 200 sind Frauen. Profi-Zauberkünstlerinnen, die davon leben, kann man an einer Hand abzählen. Mittlerweile ist es etwas besser geworden. Gerade gibt es in Hamburg eine sehr schöne Ausstellung „Zauberkunst in Frauenhänden“ im Zaubermuseum Bellachini zu sehen, die belegt: Es gab immer zaubernde Frauen, aber sie waren nicht ganz so viele und nie so sichtbar, obwohl sie sehr erfolgreich waren. Die erste Zaubershow, die es in Las Vegas gab, wurde zum Beispiel von einer Frau initiiert und präsentiert.
Kehren wir von Zauberevents in Hamburg und Las Vegas zurück zu dir, nach Frankfurt am Main: Du sprachst von "deinem Kern". Was ist der Kern bei all deinen Tätigkeiten? Warum lässt sich Coaching mit Kabarett kombinieren oder das Schreiben mit dem Zaubern?
Alles – Schreiben, Fotografieren, Zauberei, Kabarett, Coaching – hat miteinander zu tun. Es geht darum, über Bilder und Sprache Geschichten zu erzählen, Erkenntnisse zu gewinnen. Und bei allem kommen wir uns selbst jedes Mal ein Stückchen näher, machen Erfahrungen, deren Transfer uns weiterbringt, oder sei es nur, dass wir eine gute Zeit haben.
Das Thema "Status" beschäftigt dich besonders. Als Bühnenmensch, als Frau, als Coach. Warum?
Während der Tischzauberei nahmen mir Zuschauer das Kartenspiel weg, kniffen mir in den Hintern, versuchten, mich zu demontieren. Dank meines Schauspiel- und Zauberlehrers begriff ich vor mehr als 25 Jahren, dass es um Status ging – ein Begriff, von dem ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gehört hatte. In der Auseinandersetzung mit Status-Verhalten wurde ich, bzw. meine Zauberei erfolgreicher.
Es lag auf der Hand, mein Wissen erst in Workshops an Zauberkollegen weiterzugeben und es dann auf Alltagssituationen zu übertragen. Für mich ist das Thema Status ein echtes Anliegen geworden. Würden es alle kennen und bewusst damit umgehen – sei es zwischen Mann und Frau, in der Arbeitswelt, in der Gesellschaft allgemein: Es würde so vieles so viel einfacher werden, es gäbe weniger Konflikte, und wir würden uns mehr um die wirklich wichtigen Dinge kümmern.
Um den Rahmen des Interviews nicht zu sprengen, frage ich nicht weiter nach. Vielleicht lernen wir beim Netzwerktreffen mehr darüber – in einer Session vielleicht? Im Oktober kommen wieder Selbstständige aus allen Branchen zum VGSD-Netzwerktreffen zusammen. Jede und jeder mit seinen und ihren persönlichen Erfahrungen und Kompetenzen, Umwegen und Erfolgen. Du selbst bist seit 16 Jahren selbstständig. Welchen Zauber hat die Selbstständigkeit für dich?
In der Freiberuflichkeit muss ich mich nicht festlegen. Ich werde nicht durch eine Positions- oder Arbeitsplatzbeschreibung begrenzt. (Ich wüsste für mich auch keine Arbeitsplatzbeschreibung.) Ich kann alles miteinander verbinden und selbst gewichten. Und das tut meines Erachtens auch der Sache gut. Durch das Verweben der Themen entsteht Neues. Jedes einzelne für sich wäre auf Dauer langweilig. Die Freiheit, selbst entscheiden zu können, womit man sich beschäftigt, sich dabei weiterentwickeln zu können, etwas zu tun, von dem man das Gefühl hat, dass es irgendwie Sinn hat. Alles, was ich heute tue, lebe und liebe, würde und könnte ich nicht machen, wenn ich in einer Festanstellung geblieben wäre.
Komm mit nach Frankfurt! Es gibt noch Tickets und zwar hier – wir freuen uns auf dich!
Du wirst einen "zauberhaften Impuls" geben am zweiten Tag unseres Netzwerktreffens. Gleich als Auftakt, zum Wachwerden und Warmwerden. Nach allem, was wir über dich und deine Fähigkeiten, samt fliegender Kaninchen gelesen haben, sind wir schon sehr gespannt. Kannst du schon etwas verraten? Worauf müssen wir uns vorbereiten?
Ich werde Wissenschaftskabarett mit Zauberei kombinieren. Bei Zauberei ist ja immer ein wenig die Frage, inwieweit ist das wahr, was wir da erleben? Auch im Impuls wird ein kleines bisschen Wahrheit stecken, etwas, das man für sich mitnehmen kann – und überraschender Spaß.
Du bist 2024, wie letztes Jahr auch, an beiden Tagen dabei als Teilnehmerin, Selbstständige und VGSD-Mitglied. Worauf freust du dich beim Netzwerktreffen persönlich?
Ich freue ich darauf, die wunderbaren Menschen wieder zu treffen, die ich durch den VGSD kennengelernt habe, und neue kennenzulernen. Und ich freue mich auf die Inspiration, die ich durch das Treffen wieder bekommen werde, beim Willkommensabend, im Barcamp, bei den Vorträgen, in den Pausen.
Vielen Dank für deine Zeit, die Einblicke in die Welt der Zauberei und zu sehen (lesen), wie vielseitig die Selbstständigkeit sein kann!
Und weil es eine so schöne Geschichte ist: Michelle hat den Zauberer tatsächlich wiedergetroffen, damals, auf dem Jahreskongress der Magier. Sie sind kein Paar, aber Freunde geworden und es bis heute geblieben.
Ihr trefft Michelle beim Netzwerktreffen und findet sie vorab auch auf ihrer Website sowie in den Sozialen Medien. Wer schonmal zum Thema "Status" etwas reinschnuppern möchte, kann sich ihren VGSD-Talk "Die Kraft des Status - Wie du dein persönliches Standing für gelingende Kundenkommunikation nutzt" anhören (Mitschnitt für Vereinsmitglieder).
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