Im Juli hatten sich Geschäftslage und vor allem Erwartungen der deutschen Unternehmen aller Größenklassen stark verschlechtert. Setzte sich die Entwicklung im August fort?
In der Gesamtwirtschaft verschlechterte sich die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage nur noch leicht auf 22,1 (-0,7). Bei den Solo- und Kleinstunternehmen dagegen sank sie im August recht deutlich auf 3,4 (-2,5),. Der Rückstand der kleinen Unternehmen auf die Gesamtwirtschaft nahm somit von 16,9 auf 18,7 zu.
Schon seit Beginn der nach Unternehmensgrößen differenzierten Datenerhebung durch das ifo im August 2021 beobachten wir einen Rückstand gegenüber der Gesamtwirtschaft von 16,4 bis in der Spitze 29,7 Punkten: Das Geschäft der Solo- und Kleinstunternehmer läuft also auch zweieinhalb Jahre nach Beginn der Corona-Krise deutlich schlechter als das größerer Unternehmen.
Erwartungen und Klima wenig verändert
Was die Zukunftserwartungen betrifft, so befinden sich diese unabhängig von der Unternehmensgröße auf einem Tiefpunkt. Gegenüber dem Vormonat änderten sie sich nur geringfügig – bei den Solo- und Kleinstunternehmern auf -27,7 (+0,9), bei der Gesamtwirtschaft auf -31,6 (-0,2). Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen, ordnet das wie folgt ein: "Die Erwartungen hellen sich leicht auf, bleiben aber von Pessimismus geprägt.
Das aus Erwartungen und Lage berechnete Geschäftsklima ändert sich in der Gesamtwirtschaft kaum (von -6,2 auf -6,6), bei den kleinen Unternehmen etwas stärker (von -12,1 auf -12,8), vor allem wegen der nochmals schlechteren Lageeinschätzung.
Matthias Henze, Mitgründer und CEO von Jimdo: "Den zweiten Monat in Folge sehen wir einen Tiefstwert im Geschäftsklima, seit nun einem halben Jahr lag der Wert für Solo- und Kleinstunternehmer/innen nicht mehr im positiven Bereich. Wir wissen, dass die Solos unheimlich resistent sind, aber solch eine Dauerbelastung hinterlässt Spuren."
Lage bei Dienstleistern noch am besten, Einzelhandel extrem pessimistisch
Nach wie vor am besten bleibt die Lage bei den Dienstleistern (16,2), im Baugewerbe verschlechtert sie sich deutlich auf -1,5. Im Einzelhandel und verarbeitenden Gewerbe bleibt sie mit -9,7 beziehungsweise -12,3 auf einem sehr niedrigen Stand.
Bei den Erwartungen fällt wie schon im Vormonat der extreme Pessimismus im Einzelhandel auf (-47,5), offenbar rechnet man hier als Konsequenz der stark steigenden Energiepreise mit einer Kaufzurückhaltung bei Produkten des nichttäglichen Bedarfs – und erlebt diese teilweise schon.
"Die Kunden hinterfragen doppelt, wofür sie in der Krise Geld ausgeben"
"Die Kunden wirken verhaltener. Wir haben online zwar die gleiche Anzahl an Kunden wie im Vormonat, aber die Umsätze sind geringer. Sie hinterfragen jetzt doppelt, wofür sie in der Krise Geld ausgeben", erklärt die Einzelhändlerin Melissa Güttinger ihre Einschätzung.
Constanze Lux, Inhaberin eines Catering-Unternehmens, berichtet über schlaflose Nächte und dass sie bewusst ihren Nachrichten-Konsum einschränkt: "Von der Politik wünsche ich mir mehr Aufmerksamkeit für die Sorgen von uns Kleinunternehmer/innen. Durch Krieg, Inflation und Krise geraten wir als die, die es echt hart trifft, oft in Vergessenheit."
Weiterhin planen viele Unternehmen Preiserhöhungen. Bei der Gesamtwirtschaft liegt der Anteil bei 47,5 (-0,1) Prozent, bei den Solo- und Kleinstselbstständigen sind es mit 43,2 (-3,6) weniger. Das deutet darauf hin, dass weniger "Kleine" die sie erreichenden Preissteigerungen weitergeben können.
Hohes Maß an Unsicherheit
Insgesamt ist die Situation von einem hohen Maß an Unsicherheit geprägt: Die Corona-Krise und die Lieferkettenprobleme sind noch immer nicht ganz überwinden, im Herbst und Winter könnte es nochmals zu Einschränkungen kommen. Hinzu kommt der Ukraine-Krieg mit der Verknappung der Gaslieferungen durch Russland und stark steigenden Preisen. Schließlich rechnen fast alle Wirtschaftswissenschaftler mit einer Rezession. Es kommen also viele negative Nachrichten und Unsicherheiten zusammen, was den Konsum, aber auch die Investitions- und Auftragsfreudigkeit von Unternehmen als Auftraggebern bremst. Unsicher bleiben auch die Effekte auf den Arbeitsmarkt. Durch den Fachkräftemangel besteht weiter ein hoher Bedarf nach gut qualifizierten Arbeitskräften, was einer Rezession entgegen wirken könnte.
VGSD: Politik hat Solo- und Kleinstunternehmen zu wenig im Blick
Noch steht die eigentliche Krise erst bevor, noch ist die Lage deutlich besser als die düsteren Erwartungen. Allerdings ist die Lage der Solo- und Kleinstunternehmen deutlich schlechter als die der Gesamtwirtschaft. Die kleinen Unternehmen haben besonders unter der Coronakrise gelitten und nur eingeschränkte Hilfe erhalten. Jetzt sind sie die ersten, deren Lage sich verdüstert.
"Die politisch Verantwortlichen müssen deutlich machen, dass sie die deutlich schwierigere Lage der Solo- und Kleinstunternehmer/innen verstanden haben und gezielte Maßnahmen zur Verbesserung ergreifen. Wann werden die im Koalitionsvertrag vereinbarten entsprechenden Maßnahmen umgesetzt?" fragt VGSD-Vorstand Andreas Lutz.
"2020/21 ging die Zahl der Selbstständigen unter dem Strich um 300.000 zurück. Das darf sich nicht wiederholen, denn damit geht die von ihnen getragene regionale und kulturelle Vielfalt verloren. Mit ihrem Spezialwissen, das sie verschiedensten Auftraggebern zur Verfügung stellen, sind Solo- und Kleinstunternehmen unverzichtbar für die Digitalisierung, die Transformation der Energieversorgung und gegen den Fachkräftemangel. Diesen Beitrag zu leisten muss der Staat einfacher machen, statt immer komplizierter und bürokratischer."
Du möchtest Kommentare bearbeiten, voten und über Antworten benachrichtigt werden?
Jetzt kostenlos Community-Mitglied werden