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Lesetipp Positionspapier von Bitkom und VGSD Auftraggeber legen detaillierten Plan für Rechtssicherheit vor

Erfolgreiche Zusammenarbeit: Der IT-Verband Bitkom hat in einem Positionspapier einen Plan für den rechtssicheren Einsatz von IT-Experten skizziert. Der VGSD hat am Konzept der Auftraggeber-Unternehmen mitgearbeitet.

Viel Abstimmung, wenig Weisungen: Das macht agiles Arbeiten aus

Etwa ein Drittel der VGSD-Mitglieder arbeitet im Bereich IT und Beratung. Die Unsicherheiten, die bei der Beschäftigung von IT-Selbstständigen bestehen, treiben uns deshalb besonders um. Agiles Arbeiten, eine Selbstverständlichkeit bei IT-Projekten, steht bei den Sozialgerichten im Generalverdacht der Scheinselbstständigkeit. Das drängt immer mehr Freelancer in die unattraktive Arbeitnehmerüberlassung oder gleich ins Ausland.

Ein Problem ist das nicht nur für die Selbstständigen selbst. Es schadet der gesamten Wirtschaft. Deshalb haben nun auch Auftraggeber-Unternehmen ein Konzept erarbeitet: Der Digitalverband Bitkom hat ein Positionspapier vorgelegt, an dem der VGSD mitgearbeitet hat. Der VGSD konnte viele Elemente aus dem selbst im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) erstellten Positionspapier einbringen. Das BAGSV-Papier hatten wir euch im Herbst vorgestellt. Das Bitkom-Papier wird nun noch etwas konkreter.

Vorgeschaltete Schnellprüfung: "Fast-Track-Verfahren"

Das Statusfeststellungsverfahren (SFV) muss grundlegend vereinfacht werden. Eine Reform sollte damit beginnen, dass dem eigentlichen SFV ein verkürztes Verfahren vorgeschaltet wird. Das BAGSV-Papier schlägt eine Schnellprüfung vor, die Bitkom nennt es "Fast-Track-Verfahren", und es funktioniert mit drei schnell überprüfbaren Kriterien. Eine Selbstständigkeit liegt demnach vor, wenn eines von drei Kriterien erfüllt ist:

  • Nachweis einer freiwilligen einkommensabhängigen Beitragszahlung in die DRV, die der Höhe nach dem Anteil des Arbeitnehmenden und des Arbeitgebenden entspricht
  • Mit Einführung der geplanten gesetzlichen Altersvorsorge[pflicht] für Selbstständige: Nachweis über die Beitragszahlung
  • Nachweis einer hauptberuflich abhängigen Beschäftigung, Freelancer-Aufträge als Nebentätigkeit

Erfüllt der Freelancer eines der drei Kriterien, hat er das "Fast-Track-Verfahren" erfolgreich durchlaufen, das SFV entfällt. Der Status "selbstständig" ist festgestellt und eine Sozialversicherungspflicht ausgeschlossen.

Positivkriterien mit Punktesystem

Falls das Fast-Track-Verfahren nicht zum Ergebnis "selbstständig" führt, soll ein reformiertes SFV durchgeführt werden. "Wir brauchen ein Statusfeststellungsverfahren 3.0, das sich durch Klarheit, Transparenz und Einfachheit auszeichnet", heißt es in dem Papier. Für dieses "SFV 3.0" gibt es eine detaillierte Ausarbeitung. Der Plan schlägt nicht nur Positivkriterien vor, sondern ordnet diese gleich in ein Punktesystem ein.

Positivkriterien SelbstständigkeitPunktzahl
(Hohe) Vergütung, die über die vergleichbare Tätigkeit in Anstellung hinausgeht und Eigenvorsorge zulässt+3
Nachweis einer gesicherten Altersvorsorge+3
Nachweis einer Berufshaftpflicht- oder sonstigen branchentypischen Versicherungen+2
Spezielles Knowhow, das projektbasiert eingesetzt werden soll+2
Nachweis mehrerer Auftraggebende über einen gewissen Zeitraum, nicht notwendig parallel+1

Bitkom schlägt vor, dass Selbstständigkeit ab einer Punktzahl von 5 angenommen werden soll. Wenn sie erreicht wird, würde der konkrete Auftrag nicht mehr geprüft. Das würde die DRV entlasten und für Rechtssicherheit sorgen. Denn ein solches Punktesystem macht es für die Freelancer und die Auftraggeber möglich, selbst vorab einzuschätzen, ob Selbstständigkeit vorliegt. Die DRV könnte auf ihrer Website ein Tool für solche Selbstchecks anbieten. Vorbild ist die Chancenkarte für Fachkräfte aus dem EU-Ausland, für die es ebenfalls ein Punktesystem und einen Selbstcheck gibt.

Dritte Stufe: Einzelfallbetrachtung

Sollte die Mindestpunktzahl nicht erreicht werden, folgt als dritte Stufe die Einzelfallbetrachtung. Die bislang einzigen vom Gesetz genannten Kriterien sind die Weisungsfreiheit und die Eingliederung. Dabei haben die Sozialgerichte in den vergangenen Jahren die Weisungsfreiheit nahezu bedeutungslos werden lassen und fokussieren ausschließlich auf die Eingliederung. Dabei arbeiten Freelancer in agilen Arbeitsumfeldern in der Regel weisungsfrei. Das Positionspapier fordert deshalb klar: Weisungsfreiheit muss als positives Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit gewertet werden.

Das Kriterium der Eingliederung soll in der Einzelfallbetrachtung nach neuen Indizien bewertet werden:

  • Ergebnisorientierung statt Prozessintegration: Entscheidend soll sein, ob der Freelancer frei in der Erbringung der Leistung ist, nicht, ob er sie mit anderen koordiniert. Eingliederung wird verneint, wenn Freelancer das Wie, Wann und Wo ihrer Arbeit eigenständig bestimmen.
  • Differenzierung zwischen Teilnahme und Integration: Die Teilnahme an Meetings soll unschädlich sein, solange Freelancer keine organisatorischen Verpflichtungen übernehmen.
  • Keine Gleichsetzung von Tools und Eingliederung: Die Nutzung von Tools weist nicht notwendig auf Abhängigkeiten hin. Für eine Eingliederung spricht lediglich eine organisatorische Einbindung, beispielsweise bei Meldepflichten oder Eintrag in Dienstpläne.
  • Anerkennung flexibler Strukturen: Eingliederung soll nur angenommen werden, wenn Freelancer maßgeblich in interne Prozesse eingebunden sind und dadurch eine faktische Abhängigkeit entsteht.

Gleiche Regeln auch für AÜG

Unter Berücksichtigung dieser Indizien entsteht ein eindrückliches Beispiel: Eine Freelancerin nutzt den Laptop des Auftraggebers, um auf notwendige IT-Programme zuzugreifen und die datenschutzrechtlichen Vorgaben des Unternehmens einzuhalten. Sie nimmt jeden Morgen an einem Meeting mit dem Team des Auftraggebers teil, um über den aktuellen Stand informiert zu sein und die nächsten Arbeitsschritte zu planen. Dabei reported sie ihren Arbeitsstand regelmäßig an den Projektkoordinator des Auftraggebers.

Die Freelancerin im Beispiel ist bei Anwendung der Indizien selbstständig, da sie frei und eigenverantwortlich arbeitet.

Arbeit an breitem Konsens

Der Bitkom ist es ein wichtiges Anliegen, dass diese Regelungen analog auch für Angestellte von Beratungsunternehmen gelten, die im Rahmen von agilen Projekten bei Kunden eingesetzt sind. Denn auch bei diesen besteht sonst die Gefahr, dass sie als Beschäftigte des Endkunden gewertet werden. Das Beratungsunternehmen macht sich dann der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung schuldig.

Die Zusammenarbeit mit der Bitkom war für uns als VGSD wichtig, um die Perspektive der Auftraggeber noch besser zu verstehen. Wir arbeiten an einem breiten Konsens, nicht nur über die Notwendigkeit einer Reform des SFV, sondern auch an konkreten Ansätzen, wie dies umgesetzt werden könnte. Das Positionspapier der Bitkom ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

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