Der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) - Queerbeet beleuchtete bei seiner Sitzung am 07.04.2025 die drängenden finanziellen Herausforderungen, mit denen sich queere Selbstständige und Gründer*innen konfrontiert sehen. In dem Austausch, der mit einer Präsentation zur Schaffung von Grundlagenwissen und zur Förderung anregender Diskussionen begann, wurde ein zentrales Thema deutlich: Trotz ihres oft übersehenen, aber bedeutenden Beitrags zur Wirtschaft, stehen queere Unternehmer*innen vor spezifischen Hürden.
Ein oft übersehener Wirtschaftsfaktor
Queere Unternehmen tragen mit einem beachtlichen Anteil zum Innovationssektor bei. Schätzungen zufolge liegt dieser Anteil bei 18%. Doch trotz ihres wirtschaftlichen Potenzials stehen queere Gründer*innen und Selbstständige in Deutschland vor erheblichen Herausforderungen, insbesondere im Bereich der Finanzierung.
Finanzierungshürden und Diskriminierung
Im Vergleich zum Durchschnitt sehen sich queere Unternehmerinnen mit dreifach höheren Ablehnungsquoten bei Kreditanträgen konfrontiert. Dies ist oft auf implizite Vorurteile und unbewusste Diskriminierung bei Kreditgesprächen zurückzuführen. Betroffene berichten von Situationen, in denen ihre Geschäftskonzepte als "Nischenmarkt" abgetan wurden oder in denen Partnerinnen als Bürgen für Kredite herangezogen werden sollten.
Strukturelle Benachteiligung
Neben den Vorurteilen spielen auch strukturelle Hürden eine Rolle. Bewertungskriterien für Kredite benachteiligen häufig queere Geschäftsmodelle. Zudem mangelt es an gezielten Förderprogrammen, die auf die spezifischen Bedürfnisse queerer Gründer*innen und Selbstständigen zugeschnitten sind. Es fehlt an Unterstützung und sensibilisiertem Beratungspersonal.
Lösungsansätze und Best Practices
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, bedarf es gezielter Maßnahmen. Der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) plant unter anderem den Aufbau eines Netzwerks zur Vernetzung queerer Selbstständiger, die Sensibilisierung von Finanzinstituten durch Schulungen, Mentoring-Programme mit erfahrenen Unternehmer*innen und Lobbyarbeit für bessere Förderstrukturen.
Ein Blick ins Ausland zeigt vielversprechende Best Practices. So bietet das kanadische "LGBT+ Business Development Program" spezifische Beratung und Finanzierungshilfen. Die US-amerikanische "LGBT Business Enterprise Certification" öffnet Türen zu Corporate Diversity-Programmen, wird aber aktuell teilweise zurückgebaut.
Finanzierungsquellen für queere Gründer*innen
Trotz der Herausforderungen gibt es verschiedene Finanzierungsquellen, die queere Gründer*innen nutzen können. Dazu gehören:
- Impact-Investoren mit LGBTQI+-Fokus: Investoren wie Impact Factory und Chasing Rainbows VC unterstützen wirkungsorientierte Start-ups mit Diversitätsfokus.
- Venture Capital mit Diversitätsinteresse: Netzwerke wie encourageventures und Business Angels Netzwerke zeigen Interesse an diversen Gründerteams.
- Förderprogramme und Stiftungen: Institutionen wie die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und Vielfalt-Stiftungen bieten finanzielle Unterstützung für queere Projekte.
- Crowdfunding-Plattformen: Plattformen wie WhyDonate, Betterplace, Crowdify und Kickstarter ermöglichen die Finanzierung durch die Community.
- Queere Netzwerke: Organisationen wie Queer@YPOG, ALICE und die SchwuZ Queer Stiftung bieten wertvolle Kontakte und Unterstützung.
Im Anschluss gab es eine Aussprache und Erfahrungsberichte von VGSD Mitgliedern und Communitymitgliedern.
Ein Erfahrungsbericht vom VGSD-Mitglied Petra Guericke
Gerade aktuell habe ich das Projekt, meine Hardware und Software muss ich aktualisieren und erneuern. Hierfür habe ich auch überlegt, mir frische, finanzielle Mittel zu beschaffen. Ein weiteres Projekt, welches absolutes Neuland und sehr aufregend für mich ist, ist meine aktuelle Werbekampagne für mein Unternehmen.
Ich habe noch keine indirekte Benachteiligung in der Kreditvergabe erlebt. Wo ich es allerdings erfahren habe, ist bei der Wohnungssuche bei queeren Selbstständigen. Hier habe ich Diskriminierung erlebt. Auch bei Kund*innen habe ich direkte und indirekte Diskriminierungen erleben müssen.
Mein anderes Projekt ist eine Radiokampagne, um für mein Business Werbung zu machen, weil ich die Einnahmen steigern möchte. Hier halte ich euch auf dem laufenden, welche Reaktionen und Erfolge diese Radio- Werbekampagne gebracht hat.
Eine weitere Wortmeldung von unserem Community-Mitglied „SaM“
Ich habe selbst einen queeren Verein und mir ist die Diskriminierung bei unserer Hausbank aufgefallen. Wir können seit einem Jahr kein SEPA-Lastschriftmandat ausgeben. Die Begründung von der Bank war, der Verein müsste die Satzung ändern, obwohl wir bereits als Verein eingetragen sind und die Unterlagen notariell geprüft und begleitet wurden.
Die Startvoraussetzungen bei nicht heteronormativen Menschen sind oftmals andere und der Zugang gestaltet sich oft als sehr herausfordernd, gerade bei trans- und non-binäre Menschen. Der Start der Selbstständigkeit bei queeren Menschen ist herausfordernder und gestaltet sich oftmals schwierig.
Fazit: Chancen nutzen, Community stärken
Queere Gründer*innen und Selbstständige spielen eine wichtige Rolle in der Wirtschaft. Es ist entscheidend, die spezifischen Herausforderungen, direkte und indirekte Diskriminierung anzuerkennen und gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit und Gleichberechtigung und Gleichbehandlung zu fördern. Durch die Nutzung passender Finanzierungsquellen, einen überzeugenden Pitch und die Stärkung der Community können queere Unternehmerinnen erfolgreich sein und nachhaltiges Wachstum sichern. Es gibt noch sehr viel zu tun.
Text: Marc Sommer
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