Schluss mit Vorurteilen: Mit einer WebParade will Sascha Theobald zeigen, dass Solo-Selbstständige keine Angestellten zweiter Klasse sind. Stattdessen sollen die eingesendeten Geschichten zu mehr Verständnis beitragen. Wie auch du mitmachen kannst.
VGSD: Sascha, beschreibe uns doch mal den aktuellen Stand deiner WebParade.
Die WebParade läuft erst seit kurzer Zeit und die ersten beiden Beiträge von Solo-Selbstständigen sind bereits online. Beide Artikel geben spannende, ehrliche Einblicke in die Lebensrealität von Solo-Selbstständigen.
Was genau passiert bei einer WebParade? Und wie funktioniert das überhaupt?
Eine WebParade ist die Weiterentwicklung einer BlogParade. Ich habe auf meiner Website einen Aufruf gestartet, in dem ich die Rahmenbedingungen und Fragen zur Inspiration aufgeschrieben habe.
Der Aufruf richtet sich an alle Solo-Selbstständigen – egal, ob Vollzeit, Teilzeit oder Gründer/in. Es muss übrigens nicht zwangsläufig ein Artikel geschrieben werden: Teilnehmer/innen können alternativ auch mit einer Podcast-Episode, einem Video oder einem Social-Media-Post teilnehmen. Jeder Beitrag sollte einen Link zu meinem Online-Aufruf enthalten, damit sich Interessierte über die WebParade informieren können. Der Hashtag zur WebParade lautet #WirSindSolo.
Ich verlinke die Teilnehmer/innen in meinem Aufruf und bewerbe die Geschichten auf LinkedIn. Die Teilnehmer/innen bekommen also noch Reichweite und Sichtbarkeit obendrauf.
Bis wann können VGSD-Mitglieder/innen an der WebParade teilnehemen?
Die WebParade läuft noch bis Ende Februar. Solch einen Beitrag im Alltag unterzubringen, ist für viele Selbstständige nicht einfach. Deshalb soll es keinen Zeitdruck geben.
Mit welchen Vorurteilen wurdest du bereits konfrontiert?
Ich beginne mal mit meinem "Lieblingsvorurteil": Als Solo-Selbstständiger sei ich ja "selbst und ständig". Das irritiert mich. Denn Selbständigkeit sollte nicht "selbst und ständig" sein, im Gegenteil. Es ist nicht gesund, rund um die Uhr zu ackern, weder für sich selbst noch für das Business. Und gesund zu sein, ist wiederum essenziell für Solo-Selbstständige. Wenn man sich ständig getrieben fühlt und überarbeitet ist, arbeitet man schlechter und kann sich kaum weiterentwickeln. Es fehlen Freiraum und Konzentration. Darunter leiden nicht nur Business und Lebensqualität, sondern auch die Ergebnisse in Kund/innenprojekten. Wir dürfen uns nicht einreden lassen, dass wir "selbst und ständig" sein müssen. Selbstständig zu sein sollte bedeuten, ständig ich selbst zu sein.
Gleichzeitig gibt es das Vorurteil, dass wir immer und zu jeder Zeit verfügbar sind, weil wir uns die Arbeitszeit selbst einteilen können. Was viele nicht sehen: Wenn ich tagsüber nicht arbeite, bedeutet das, dass ich die Arbeit abends oder am Wochenende nachholen muss. Fakt ist: Solo-Selbstständige müssen ganz normal arbeiten und haben dazu noch viele administrative Dinge zu erledigen.
Haben dich diese Vorurteile dazu bewegt, die Initiative zu starten?
Ich würde sagen: unter anderem. Vor allem habe ich oft das Gefühl, dass wir im Angestelltenland eine exotische Spezies sind. Wir sind eben keine "Arbeitnehmer zweiter Klasse" oder "geldgierige Kapitalisten". Und diese verzerrte Wahrnehmung von Solo-Selbstständigen stört mich auch im Alltag. Zum Beispiel sehen Menschen, die nur eine Lohnabrechnung kennen, den scheinbar hohen Rechnungsbetrag für das Honorar und denken, dass wir ein Vermögen verdienen. Dabei müssen wir von diesem Betrag z. B. selbst Steuern, Krankenversicherung, Betriebshaftpflicht und unsere komplette EDV sowie Büroausstattung bezahlen. Das übernimmt bei Angestellten der Arbeitgeber. Ich merke oft, dass das nicht wirklich verstanden wird. Da treffen einfach zwei Welten aufeinander.
Wie wichtig ist es für dich, sich mit anderen Selbstständigen zu vernetzen?
Ich habe mich bewusst für die Solo-Selbstständigkeit entschieden, weil ich Ruhe brauche, um konzentriert arbeiten zu können. Dabei hilft mir mein Home-Office mit wenig Hintergrundgeräuschen. Aber ich vernetze mich auch gerne: Als Positionierungsberater für Solo-Selbstständige habe ich viele Berührungspunkte mit Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich auch gerne Erfolge teile. Denn ganz allein möchte ich auch nicht sein. Auch wenn ich Social Media mittlerweile zwiespältig gegenüberstehe, habe ich über diese Netzwerke wertvolle Kontakte gefunden. Es hat mir sehr gutgetan, mich mit anderen auszutauschen und zu vernetzen, dieser Ausgleich ist mir auch heute noch wichtig. Denn sonst ist man irgendwann nur noch in seinem eigenen Kopf und verpasst spannende Perspektiven anderer Selbstständiger. Und manchmal tut es auch gut zu wissen, dass man mit bestimmten Sorgen nicht allein ist. Das Thema Preise zum Beispiel war für mich als Gründer nicht einfach. Mit anderen darüber zu sprechen, hat mir sehr geholfen.
Was versprichst du dir von der Initiative?
Meine Initiative hat vor allem einen gesamtgesellschaftlichen Sinn: Ich möchte dazu beitragen, dass man aus "erster Hand" über die Lebensrealität von Solo-Selbstständigen lesen kann. Und dadurch auch mehr über die Vorteile der Solo-Selbstständigkeit erfährt. Denn die Leute, die sich selbstständig machen, machen das in der Regel sehr gerne. Auch wenn es ums Geld geht: Wir sind eben nicht die kapitalistischen Geldsüchtigen, sondern in der Regel ehrliche und bodenständige Menschen, die wertvolles bewirken und dafür fair bezahlt werden wollen. Die Hauptmotivation der meisten Solos ist es, ihre Mission zu verfolgen und auf ihre Art zu arbeiten, nicht Geld abzuzocken und im Geldspeicher zu bunkern. Die WebParade soll zudem eine Plattform sein, um voneinander zu lernen, sich auszutauschen und zu vernetzen. Und: Der Aufruf ist auch eine Einladung, die eigene Situation und Selbständigkeit zu reflektieren. Ich habe schon die Rückmeldung bekommen, dass es den Teilnehmenden sehr gutgetan hat, den Status Quo ihrer Selbständigkeit schriftlich zu reflektieren. So kann man den Aufruf auch so sehen: als einen kleinen Check-in mit sich selbst.
Was stört dich aktuell am Umgang der Politik mit Selbstständigen?
Weil der VGSD unsere Interessen bereits so tatkräftig vertritt, will ich das nur kurz zusammenfassen. Mich stört, dass die Politik unsere Lebensrealität nicht versteht und deshalb kaum rechtliche Klarheit schafft, zum Beispiel beim Thema Scheinselbstständigkeit. Ebenso stört mich, dass zum Beispiel bei der Krankenversicherung nicht mit gleichem Maß gemessen wird. Warum zahlen Angestellte mit kleinem Gehalt weniger Beitrag als Selbstständige mit entsprechendem Gewinn? Das ist nicht gerecht. Ich finde, wir sollten nicht länger als "Arbeitnehmer zweiter Klasse" betrachtet werden und der Fokus sollte eben nicht nur auf den Angestellten liegen. Meiner Meinung nach sollte die Politik den Wert unserer Arbeit für die Wirtschaft wertschätzen, indem sie versucht, uns Solos besser zu verstehen. Funkelnde Start-ups geben für Politiker/innen zwar die besseren Pressefotos, wir Solos sind aber ein wesentlicher Faktor für die Wirtschaft. Es sollten endlich Gerechtigkeit und Rechtssicherheit geschaffen, Bürokratie abgebaut und so die Selbstständigen entlastet werden.
Fasse doch noch einmal kurz zusammen: Warum sollten die VGSD-Mitglieder/innen bei der WebParade mitmachen?
Wir brauchen die Perspektive jedes Einzelnen. Denn für ein besseres gesamtgesellschaftliches Verständnis benötigt es mehr Einblicke in die Lebensrealitäten von Solo-Selbstständigen. Außerdem können sich VGSD-Mitglieder von den Geschichten anderer Solo-Selbstständiger inspirieren lassen. Über Social Media und die WebParade kann man zudem neue Bekanntschaften schließen und sich vernetzen. Sichtbarkeit und Reichweite gibt es gratis dazu. Ein weiterer wichtiger Vorteil der WebParade: die Einladung zur Selbstreflexion. Dafür lohnt es sich auf jeden Fall, Zeit zu investieren. Ich freue mich auf viele bereichernde Geschichten!
Vielen Dank Sascha.
Du willst an der WebParade teilnehmen? Alle wichtigen Infos findest du hier: https://www.sascha-theobald.de/webparade/
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