Wertschätzung im eigenen Umfeld, fehlender Respekt von der Politik: Der Selbstständigen-Report 2024 verrät viel über die Lage von Selbstständigen in Deutschland. Vor allem die soziale Absicherung empfinden sie als unfair.
"Wie respektiert fühlen Sie sich als Selbstständiger von der Politik?" So lautet die Frage aus dem Selbstständigen-Report 2024, die zeigt, wie wenig die Politik die 3,6 Millionen Selbstständigen im Blick hat. Der VGSD hatte die Umfrage gemeinsam mit WISO Mein Büro durchgeführt und dich Anfang des Jahres zum Mitmachen aufgerufen. Fast neun von zehn der Befragten, rund 87 Prozent, gaben an, sich wenig bis gar nicht von der Politik in ihrer Selbstständigkeit respektiert zu fühlen. Unterschiede zwischen Ost und West gibt es bei dieser Frage kaum.
Ein ähnliches Bild hatte sich schon bei der vergangenen Befragung 2018 gezeigt. Damals waren es 85 Prozent, die sich wenig oder gar nicht von der Politik respektiert fühlten. Dennoch hat sich die Stimmung deutlich verschlechtert: Vor sechs Jahren fühlten sich rund 43 Prozent gar nicht in ihrer Selbstständigkeit respektiert. Bei der aktuellen Befragung waren es 51 Prozent, also mehr als die Hälfte.
"Missverhältnis zwischen Wertschätzung von Politik und Kunden"
Das ist besonders fatal, wenn man die schiere Menge der Betroffenen betrachtet. "Solo- und Kleinstunternehmen bis neun Mitarbeitende machen 89 Prozent der Unternehmen in Deutschland aus. In diesem Bereich sind zehnmal so viele Menschen erwerbstätig wie in der Automobilindustrie", sagt VGSD-Vorstand Andreas Lutz. "Selbstständige Expertinnen und Experten tragen neues Wissen in die Unternehmen und spielen eine zentrale Rolle für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Der Selbstständigen-Report zeigt jedoch ein Missverhältnis zwischen der hohen Wertschätzung, die Selbstständige von ihren Kunden erhalten, und der fehlenden Wertschätzung durch die Politik."
Denn beim Blick in das private und berufliche Umfeld ergibt sich ein völlig anderes Bild. Hier erfahren Selbstständige sehr viel Wertschätzung: Rund 81 Prozent der Befragten fühlen sich von den eigenen Kunden sehr stark bis stark wertgeschätzt. Im privaten Umfeld sind es 74 Prozent.
Hauptmotivation selbstbestimmtes Arbeiten
Mit diesen positiven Erfahrungen könnte die grundsätzlich positive Einstellung der Selbstständigen zusammenhängen: Rund 88 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich wieder selbstständig machen würden. Selbstbestimmtes Arbeiten und flexible Arbeitszeiten sind dabei die Hauptmotivationen für die Selbstständigkeit. Dennoch verlieren die beiden Hauptmotive an Gewicht: So gaben bei der Befragung im Jahr 2018 rund 45 Prozent der Teilnehmer das selbstbestimmte Arbeiten als eine der Hauptmotivationen ihrer Selbstständigkeit an. Heute sind es nur noch rund 30 Prozent. Ebenso gaben im Jahr 2018 rund 27 Prozent das flexible Arbeiten als eine der hauptsächlichen Motivationen an, heute sind es nur rund 23 Prozent.
"Unternehmer und Selbstständige sind mit höheren Kundenanforderungen konfrontiert. Das Geschäftsklima hat sich nach Corona und Energiekrise merklich verschlechtert und das Geschäftsumfeld ist für Selbstständige herausfordernder und restriktiver geworden. Selbstverwirklichung bleibt zwar Motiv Nr. 1 für die Selbstständigkeit, im täglichen Doing geht es aber dann um die Akquise des nächsten Auftrags", sagt Dr. Oliver Stettes, Leiter Themencluster Arbeitswelt und Tarifpolitik vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
Belastende Beitragsungerechtigkeit
Neben dem schlechten Geschäftsklima belasten Selbstständige auch unfaire Sozialabgaben. Der VGSD setzt sich in seiner politischen Arbeit intensiv für Beitragsgerechtigkeit ein. Aus gutem Grund: Rund 83 Prozent der Selbstständigen sehen mitunter erheblichen Verbesserungsbedarf bei der sozialen Absicherung. Auch 2018 lag der Anteil bei 82,4 Prozent. Die Unzufriedenheit mit dem Thema bleibt also unverändert. Sie ist riesig und geht sowohl über die individuellen Parteivorlieben der Befragten als auch über die Bundesländer hinweg.
Basis des Selbstständigen-Report 2024 bildet eine Online-Umfrage unter mehr als 2.100 Teilnehmenden. Die Befragung fand von Februar bis Mai 2024 statt. Teilgenommen haben Freiberufler, Einzelunternehmer und Inhaber kleiner Personen- und Kapitalgesellschaften. Gut zwei Drittel der Befragten arbeiten als Solo-Selbstständige, weniger als 100 haben mehr als zehn Mitarbeitende.
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