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Lesetipp Selbstständigen-Studie des IW Köln Statusfeststellungsverfahren bremst alle aus – auch Nicht-Betroffene

Dass wir Selbstständige Zweifel am Statusfeststellungsverfahren haben, ist nicht neu. Eine Studie des IW Köln zeigt, wie berechtigt sie sind: verheerende Wirkung auch ohne Betroffenheit, keine aussagekräftigen Kriterien und abwanderungswillige Leistungsträger.

Bürokratie, die bremst: Viele Selbstständige denken über einen Umzug ins Ausland nach

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln hat in der Zeit vom 24. Juli bis 18. September 2023 eine Online-Umfrage unter 6.300 Selbstständigen durchgeführt. Die Erhebung wurde vom VGSD, der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) und dem Bundesverband für Selbständige Wissensarbeit in Auftrag gegeben, viele VGSD-Mitglieder haben teilgenommen. Die vollständige Studie ist hier nachzulesen.

Ein großes Kapitel der Umfrage widmet sich dem Statusfeststellungsverfahren. Gut ein Fünftel der Befragten gab an, schon einmal von einem betroffen gewesen zu sein. Doch auch Selbstständige, die nicht unmittelbar an einem Statusfeststellungsverfahren beteiligt waren, spüren negative Wirkungen des Verfahrens. Nur rund ein Drittel der Befragten gab an, keine Auswirkungen zu bemerken. "Seine zerstörerische Wirkung entfaltet das Statusfeststellungsverfahren auch, wenn es nur als latente Möglichkeit im Raum steht", schreiben die Autoren der Studie, Oliver Stettes, Holger Schäfer und Thomas Schleiermacher.

Auch Nicht-Betroffene spüren die Folgen von Statusfeststellungsverfahren

Was macht die Unsicherheit, die das Statusfeststellungsverfahren auslöst, mit den Selbstständigen? Die meisten Befragten gaben an, zusätzlichen Aufwand bei der Akquise von Aufträgen zu haben. Dies sagten 60 Prozent der Betroffenen, aber auch fast die Hälfte (43 Prozent) der nicht Betroffenen. Noch beunruhigender: Gut ein Drittel der Selbstständigen (36 Prozent) gaben an, über einen Umzug ins Ausland nachzudenken. Und mehr als ein Viertel (27 Prozent) erwägen, ihre selbstständige Tätigkeit zu beenden. Zusammen sind das mehr als die Hälfte (52 Prozent), die in Betracht ziehen, nicht mehr als Selbstständige am deutschen Arbeitsmarkt teilzunehmen. Viele von ihnen arbeiten in der IT-Branche, als Berater oder Software-Entwickler. "Die Befunde lassen den Schluss zu, dass die bloße Existenz des Statusfeststellungsverfahrens genau jene Gruppe von Fachkräften, die auf dem Arbeitsmarkt besonders gesucht sind, zu einer starken Reaktion veranlasst", schreiben Stettes, Schäfer und Schleiermacher. Fachkräftemangel, hausgemacht.

Meistens wird Selbstständigkeit bestätigt

Unter denjenigen, die über einen Umzug ins Ausland nachdenken, sind besonders viele jüngere und gutverdienende Selbstständige. Aber auch in der Gruppe derer, die eine Aufgabe der Selbstständigkeit erwägen, sind viele Befragte jünger als 50 Jahre. Es handelt sich also nicht nur um solche Selbstständige, die dem Ruhestandsalter ohnehin schon nahe sind. "Die Vermutung, dass das Statusfeststellungsverfahren lediglich den Übergang in den ohnehin angestrebten Ruhestand beschleunigt, lässt sich nicht stützen", bilanziert die Studie.

Dabei bedeutet ein Statusfeststellungsverfahren nicht notwendigerweise, dass die Selbstständigkeit in Gefahr ist. Im Gegenteil: Die Befragten berichteten, dass in den allermeisten Fällen die Selbstständigkeit bestätigt wurde. Bei knapp einem Zehntel (9 Prozent) wurde Selbstständigkeit mit Rentenversicherungspflicht festgestellt. Eine abhängige Beschäftigung war nur in drei Prozent der Fälle das Ergebnis.

In den allermeisten Fällen wird im Statusfeststellungsverfahren die Selbstständigkeit bestätigt

Die Selbstständigkeit war auch überwiegend das Wunschergebnis der Betroffenen: 81 Prozent der Befragten waren mit dem Ausgang ihres Statusfeststellungsverfahren "sehr" (58 Prozent) oder "teilweise" (23 Prozent) zufrieden. 95 Prozent der sehr Zufriedenen bekamen bei ihrem Statusfeststellungsverfahren ihre Selbstständigkeit uneingeschränkt bestätigt. Die meisten Betroffenen, bei denen eine abhängige Beschäftigung festgestellt wurde, waren dagegen unzufrieden.

Merkmale haben wenig Einfluss

Zufriedenheit mit dem Ergebnis bedeutet noch lange nicht Zufriedenheit mit dem Ablauf: Nicht einmal die Hälfte der Befragten hatte den Eindruck, dass im Verfahren alle relevanten Umstände angemessen berücksichtigt wurden. Dazu passt möglicherweise, dass die Autoren der Studie auch feststellten, dass Merkmale, die gemeinhin als Hinweise auf Scheinselbstständigkeit gelten, in der Umfrage als wenig aussagekräftig erschienen. Es hatte offensichtlich keinen Einfluss darauf, ob ein (nicht selbst beantragtes) Statusfeststellungsverfahren durchgeführt wird, wenn die Befragten einen schwer ersetzbaren Hauptkunden hatten oder angaben, geringe Freiheitsgrade bei der Leistungsgestaltung zu haben. Die Autoren schreiben dazu: "Es zeigt sich, dass nur wenige der als Indikatoren einer Abhängigkeit diskutierten oder sogar herangezogenen Merkmale einen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines Verfahrens haben."

Schlecht informiert über Statusfeststellungsverfahren

Die Befragung bestätigt die Vermutung, dass das Statusfeststellungsverfahren ein bürokratisches Monster ist, das Nicht-Experten überfordert. Die meisten Befragten fühlen sich über das Statusfeststellungsverfahren nicht gut informiert. Insgesamt 58 Prozent gaben an, "kaum informiert" oder sogar "überfordert" zu sein. Selbst unter Befragten, die schon einmal ein Verfahren gemacht hatten oder gerade machen, fühlten sich 56 Prozent "kaum informiert" oder "überfordert".

Erstaunlich wenige Selbstständige, die von einem Statusfeststellungsverfahren betroffen waren, nahmen sich einen Rechtsbeistand: Nur 16 Prozent von ihnen beauftragten für das Verfahren einen Anwalt – vor allem solche, die einen hohen Gewinn erzielen. "Das Verfahren benachteiligt insofern Selbstständige mit geringen Einkommen, wenn sich diese keinen Rechtsbeistand leisten können", resümieren die Wissenschaftler.

"Potenziell großer Schaden"

Die Autoren ziehen deshalb ein ernüchterndes Fazit: "Das Statusfeststellungsverfahren weist eine geringe Treffgenauigkeit auf und stützt sich auf Indikatoren, die sich bei näherer Betrachtung als wenig geeignet erweisen." Und, noch bedenklicher, Stettes, Schäfer und Schleiermacher weisen auf die fatalen Folgen hin, die für die Wirtschaft entstehen: "Der hervorgerufene Schaden ist potenziell groß, denn es demotiviert die – oft unverzichtbaren – Leistungsträger, wie zum Beispiel IT-Freelancer, obwohl diese kaum Merkmale von Prekarität oder wirtschaftlicher Abhängigkeit aufweisen."

Wie sind deine Erfahrungen? Musstest du schon einmal ein Statusfeststellungsverfahren durchlaufen? Teile deine Erfahrungen gerne in den Kommentaren.

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