Vor kurzem hatten wir berichtet, dass die Umsatzsteuerpauschale für ausgewählte Berufe abgeschafft wurde. Dabei haben wir gemerkt: viele Anspruchsberechtigte – darunter Journalisten, Grafiker und Bühnenschaffende, Handwerker, Einzelhändler und andere Gewerbetreibende sowie in geringerem Umfang auch Architekten, Anwälte und Unternehmensberater – kannten die Vorteile dieser Regelung überhaupt nicht. Die Pauschale kann aber auch rückwirkend noch beantragt werden! Finanziell lohnt sich das in vielen Fällen und kann im Einzelfall mehr als tausend Euro Steuerersparnis bringen.
Der VGSD hat sich von der Rechtsanwältin Susanne Christ beraten lassen. Die Steuerexpertin stellt klar: "Betroffene können die Pauschale noch immer rückwirkend für 2022 beantragen, eventuell auch noch für 2021. Entscheidend ist, ob die Umsatzsteuerjahreserklärung bereits eingereicht worden ist. Ist sie bereits eingereicht, kann die Pauschalierung nur noch innerhalb eines Monats nach Abgabe der Steuererklärung beantragt werden. Da für 2021 die Abgabefrist für diejenigen, die steuerlich beratend sind, noch nicht abgelaufen ist (sie läuft erst Ende August 2023 ab), besteht für viele die Chance, die Pauschalierung auch noch für das Jahr 2021 beantragen zu können."
Unter "Anlage zu den §§ 69 – 70 UStDV" findet man hier eine Liste der Berufe, welche die Pauschale in Anspruch nehmen können und wie hoch diese jeweils ist. Christ rät denjenigen, die sich unsicher sind, ob die Pauschale für sie finanziell vorteilhaft ist, "noch einmal genau nachzurechnen". Wie das geht, haben wir in einer Beispielrechnung in unserem Beitrag unten erklärt.
Und noch einen Tipp für diejenigen, die bisher schon die Pauschale in Anspruch genommen haben, hat die Expertin: "Alle die bisher pauschalisiert haben, müssen ihre Belege künftig sammeln und ihre Ausgaben sehr sorgfältig belegen. Bei der Umsatzsteuer schauen die Behörden genauer hin als bei der Einkommensteuer." Mit anderen Worten: Der Aufwand wird für die bisher Begünstigten künftig größer.
Umsatzsteuerpauschale überraschend abgeschafft: Betroffene: "Niemand von uns hat das kommen sehen"
Katharina Jakob ist geschockt. Sie fühlt sich übergangen, ausgetrickst und benachteiligt. Eine überraschende Änderung bei der Umsatzsteuer bedeutet für sie mehr Aufwand – und weniger Geld auf dem Firmenkonto. Und das betrifft nicht nur sie allein.
Für kleinere Gewerbetreibende und Freiberufler gab es im Umsatzsteuergesetz eine besondere Regelung: unter bestimmten Voraussetzungen mussten sie für den Vorsteuerabzug nicht jede Rechnung prüfen und aufbewahren. Damit ist es nun vorbei.
Zum 1. Januar 2023 ist die Regelung zur pauschalen Vorsteuerermittlung nach Durchschnittssätzen abgeschafft worden. Katharina Jakob, freie Wissenschaftsjournalistin, Buchautorin und VGSD-Mitglied, war eine der ersten, die das gemerkt hat. Sie ärgert sich besonders darüber, dass die Änderungen klammheimlich erfolgt sind, und sie - wie viele andere Selbstständige auch - vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Auch der Berufsverband "Freischreiber" und der Deutsche Journalistenverband seien von der Abschaffung der Umsatzsteuerpauschale völlig überrumpelt worden, sagt Jakob: "Niemand von uns hat das kommen sehen."
Umsatzsteuerpauschale – was ist das überhaupt?
Vorsteuerabzug nach Durchschnittssätzen heißt die Regelung, die bis Ende 2022 galt. Für kleinere Gewerbetreibende und Freiberufler hielt das Umsatzsteuergesetz eine besondere Regelung parat: Unter bestimmten Voraussetzungen mussten die Betroffenen für den Vorsteuerabzug nicht jede Rechnung prüfen und aufbewahren, sondern konnten einen pauschalen Vorsteuerabzug geltend machen, der sich nach der Höhe des Umsatzes richtete.Geregelt war dies in § 23 Umsatzsteuergesetz, sowie in den §§ 69, 70 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV).
Je nach Berufsgruppe galten unterschiedliche Durchschnittssätze für die Berechnung der Vorsteuerbeträge ("Anlage zu den §§ 69 – 70 UStDV"). Nicht immer waren diese logisch nachvollziehbar: Eine Bäckerei konnte beispielsweise 5,4 Prozent ihres Jahresumsatzes geltend machen; eine Druckerei sogar 6,4 Prozent. Auch bei den freien Berufen gab es zum Teil große Unterschiede: Ein Bildhauer konnte 7 Prozent seines Umsatzes geltend machen, ein Grafiker 5,2 Prozent, ein Schriftsteller 2,6 Prozent, und freie Journalisten wie Katharina Jakob 4,8 Prozent.
Wer diesen pauschalen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen wollte, durfte jährlich nur einen Umsatz von maximal 61.356 Euro erwirtschaften. Für Kleinunternehmer, für deren Umsätze keine Umsatzsteuer erhoben wird, kam er deshalb nicht in Betracht.
Was waren die Vorteile der Pauschalisierung?
"Als freie Journalistin mit schwankenden Betriebskosten konnte ich mir eine Menge bürokratischen Aufwand sparen", sagt Jakob. Alle paar Jahre ein neuer Laptop oder ein neues Handy – das wären schon die größten Posten gewesen. Die Pauschalisierung war für sie besonders deshalb attraktiv, weil die Pauschale häufig über den tatsächlich entstandenen Vorsteuern lag. Die Abschaffung bedeutet für Jakob nun ein "finanzielle Einbuße". Wie hoch genau, kann sie noch nicht abschätzen; es dürften aber leicht mehrere Hundert Euro im Jahr sein, zeigt unsere (fiktive) Beispielrechnung.
Die Abschaffung der Pauschale bedeutet für die 59-jährige Jakob auch mehr Aufwand – und damit mehr unbezahlte Arbeit: Künftig muss sie quartalsweise ihre Ausgaben abrechnen und jeden einzelnen Beleg aufheben und aufsummieren. "Warum ausgerechnet unsere Pauschalen abgeschafft wurden, die sowieso nur bei moderatem Einkommen greifen, erschließt sich mir nicht", sagt Jakob.
Und wie begründet der Gesetzgeber die Abschaffung der Pauschale?
Aus dem Bundesfinanzministerium ist zu hören, dass die abgeschafften Paragraphen ein Schattendasein geführt hätten. Nur sehr wenige hätten die Möglichkeit der Pauschalisierung in Anspruch genommen. Da die Umsatzgrenze von 61.356 Euro ohnehin niedrig angelegt war, sei der Kreis der potenziell Begünstigten sehr klein gewesen.
Das deckt sich weitestgehend mit Einschätzungen, die der VGSD von Steuerberatern gehört hat. Allerdings haben viele Betroffene die Pauschale wohl vor allem deshalb nicht in Anspruch genommen, weil sie ihnen schlicht unbekannt war – und nicht weil sie unattraktiv gewesen wäre. Gerade für Existenzgründer und nebenberuflich tätige Selbstständige bot die Pauschalisierung Vorteile.
Das meint der VGSD
Eigentlich sind ordnungspolitische Änderungen und eine Verschlankung der Paragraphenwüste zu begrüßen. Wieder einmal gehen die Reformen aber vor allem zu Lasten der Kleinen, in diesem Fall besonders von Solo-Selbstständigen. Diese müssen künftig nicht nur auf finanzielle Vorteile durch die Pauschalisierung verzichten, sondern haben auch einen deutlich größeren bürokratischen Aufwand. Wer einen Steuerberater beschäftigt, dürfte künftig für diesen Mehraufwand mehr zahlen müssen. Auch der Zeitpunkt der Abschaffung – sowie die nicht vorhandene Kommunikation – sind nach drei harten Pandemie-Jahren äußerst ungünstig.
Zudem ist der Gesetzgeber, wieder einmal, inkonsequent, weil nicht alle pauschalen Durchschnittssätze abgeschafft wurden: Der Vorsteuerabzug für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Körperschaften bleibt bestehen, genauso wie für Land- und Forstwirte. Begründen wollte das Bundesfinanzministerium diese Ausnahmen auf Anfrage bislang nicht.
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