Gestern Abend (22. Juli) schrieb ein leitender Mitarbeiter des Vodafone Einkaufs (Vodafone Procurement Company SARL, Supply Chain Management & Logistics Operations) an fünf Kollegen seines Teams mit Betreff „Einsatz von Freelancern | Use of freelancers“ eine Mail mit hoher Dringlichkeit.
Die eigentlichen Empfänger aber waren die „Sehr geehrten Vodafone-Geschäftspartner“, also Lieferanten von Vodafone. Von ihnen muss es viele geben, denn heute morgen haben wir gleich von mehreren unserer Mitglieder die E-Mail des leitenden Vodafone-Mitarbeiters weitergeleitet bekommen.
Einsatz bis auf Weiteres nicht mehr gestattet
In der E-Mail verbietet Vodafone den Beratungsunternehmen und Personaldienstleistern, die für den Mobilfunkbetreiber tätig sind, den Einsatz von Freelancern: „Wir möchten Sie darüber informieren, dass Vodafone ab sofort und bis auf Weiteres den Einsatz von Freelancern zur Vertragserfüllung nicht mehr gestattet.“
Der Begriff wird dann genauer definiert: „Unter Freelancern verstehen wir Fremdpersonal ohne festes Anstellungsverhältnis, für die kein Arbeitgeber die gesetzlichen Pflichtbeiträge etc. abführt.“
Ausnahmen von der Regelung seien nur mit vorheriger Ausnahmegenehmigung des Vodafone Fachbereichs „Workforce Management (FW)“ zulässig. Der E-Mail hängen die detaillierten Bestellbedingungen an, die spezielle Regelungen enthalten, auf die verwiesen wird.
Bei Zuwiderhandlung: Regressforderungen
Vodafone droht seinen Lieferanten sogar Strafen für den Fall der Zuwiderhandlung an: „Diese Anforderungen bitten wir Sie, ab sofort im Rahmen Ihrer Angebote entsprechend zu berücksichtigen. Bei Zuwiderhandlung (Einsatz nicht vorab freigegebener Freelancer) behalten wir uns Regressforderungen vor.“
Mit der mangelnden Kenntnis der neuen Regelung können sich die Lieferanten dabei nicht herausreden. Sie werden gebeten, alle zuständigen Ansprechpartner in ihrem Unternehmen über den Hinweis zum Einsatz von Freelancern zu informieren und formlos die Kenntnisnahme des Schreibens zu bestätigen.
Vodafone-CEO setzte sich seit einem Jahr für mehr Rechtssicherheit ein
Vodafone ist nicht das erste große deutsche Unternehmen, das den Einsatz von Freelancern ganz oder in Teilen des Unternehmens untersagt. Mehrere deutsche Großbanken haben bereits den Einsatz von Freelancern ganz oder in weiten Teilen verboten. Bei mindestens einer Großbank hat das in jüngster Zeit zu erheblichen operativen Problemen geführt, zum Beispiel beim Ausführen von Überweisungen und Lastschriften.
Bereits am 11. Juli 2018 hatte sich Dr. Hannes Ametsreiter, der CEO von Vodafone Deutschland zusammen mit 14 weiteren Vorständen und Vorstandsvorsitzenden großer deutscher Unternehmen an Bundesarbeitsminister Heil gewendet – unter dem Betreff: „Eine digitale Arbeitswelt braucht Digitalisierungsexperten“. Zitat aus diesem Brief:
„Schon heute ist sichtbar, dass die Digitalisierungsexperten ins Ausland abwandern und ihr Spezialwisssen dort anbieten, um die in Deutschland bestehenden Erschwernisse zu vermeiden.Wir wollen keine Unternehmensbereiche ins Ausland verlagern. Doch die IT- und Digital-Expertise ist für uns unerlässlich. Ohne sie wird unser digitales Geschäft erheblich erschwert und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. (...)
Es sind Lösungen notwendig (...) Gern stehen wir für einen Austausch bereit, um mit Ihnen gemeinsame Lösungsansätze zu diskutieren. Wir freuen uns auf den Dialog mit Ihnen.“
Minister Heil ließ sich bei Gespräch mit 15 Vorständen zum Thema Rechtssicherheit vertreten
Unseres Wissens dauerte es elf Monate – bis zum 14. Juni 2019 – bis es zu einem persönlichen Gespräch kommen sollte. An diesem Tag reisten Vorstände der 15 deutschen Konzerne nach Berlin. In einem zweistündigen Gespräch mit Bundesminister Heil wollten sie die bestehende Rechtsunsicherheit noch einmal persönlich erläutern, die Dringlichkeit von Änderungen deutlich machen und am liebsten direkt über konkrete Lösungen mit Hubertus Heil sprechen. Das Gespräch wäre vermutlich freundlich im Ton, aber auch sehr deutlich in der Sache geworden.
Minister Heil ließ sich ohne Angabe von Gründen entschuldigen und von Staatssekretär Björn Böhning vertreten. Über Konsequenzen des Ministeriums aus dem Gespräch ist bisher nichts bekannt.
Die Konsequenz von Vodafone auf das Gespräch könnte sehr wohl in dem Rundschreiben des Vodafone-Einkaufs bestehen. Wenn man laut CEO ohne Digitalisierungsexperten in Deutschland nicht auskommt und dann deren Einsatz ein Jahr später verbietet, weil es dafür offenbar an der Rechtssicherheit fehlt, dann ist das auf jeden Fall eine klare Aussage. Leider auf Kosten von uns Selbstständigen.
Update
Weil auf Facebook die Frage aufgekommen ist: Wir haben unseren bisherigen Hinweis auf bestehende Sonderkonditionen bei Vodafone für VGSD-Vereinsmitglieder bereits am Dienstag nach Bekanntwerden des "Freelancer-Verbots" von unserer Website genommen. Außerdem werden wir unsere beiden in diesem Rahmen abgeschlossenen Vodafone-Mobilfunkverträge mit Verweis auf diesen Beitrag kündigen.
Das mag den Falschen treffen, denn die Bundesregierung hat die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen, die zu diesem Schritt geführt haben. Auch ist Vodafone nicht das einzige große Unternehmen, das einen solchen Schritt gegangen ist.
Aber vielleicht motivieren solche Schritte das Unternehmen, mehr Druck in Richtung Bundesarbeitsministerium aufzubauen, statt einfach mal eben alle Selbstständigen "zu verbieten" und uns uns quasi bei Vodafone zu Geächteten zu erklären. Wenigstens ein Wort des Bedauerns hätten wir bei so einem Schritt in der Mail an die Lieferanten erwartet.
Von unserer Seite ist das ausdrücklich kein Boykott-Aufruf, sondern eine Geste nach dem Motto: "Wenn ihr uns als Lieferant nicht wollt, dann vermutlich auch nicht als Kunde."
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