Ein Archiv riecht muffig? Es ist so spannend wie Lebertran? Archivare sind trockene Buchhaltertypen? Alles falsch – davon konnte sich die Regionalgruppe München des VGSD selber ein Bild machen. Denn der alljährliche Betriebsausflug führte diesmal ins "Bayerische Wirschftsarchiv" in München, das von allen bayerischen IHKs zusammen getragen wird.
So begrüßten uns in der IHK-Niederlassung in der Orleansstraße mit Dr. Eva Moser und Harald Müller schon einmal zwei überaus eloquente Archivare, die uns mündlich erst mal in die Geschichte des Bayerischen Wirtschaftsarchivs einführten, bevor sie uns auch noch gruppenweise durch die „Heiligen Hallen“ – die Magazine – führten.
Im Wirtschftsarchiv befinden sich auch Unikate, zum Beispiel der Arbeitsvertrag für die Totenfrau
Dort konnten wir nicht nur lange Regalmeter an Buchrücken und viele, viele Archivschränke bewundern. Sondern handfeste Exponate aus der bayerischen Wirtschaftshistorie – und all die großen Geschichten und kleinen Geschichten, die damit zusammenhängen. Etwa, indem wir die Originalpläne der Spinnerei und Weberei in Kolbermoor sehen konnten. Schon vor rund anderthalb Jahrhunderten wurden diese eigens in Manchester von britischen Ingenieuren gezeichnet, um damit auf der grünen Wiese in Bayern eine ganze Industrieansiedlung aufzubauen.
Und die kleine Geschichte dazu: Im Wirtschftsarchiv befindet sich auch der Arbeitsvertrag für die Totenfrau, die die Spinnerei Kolbermoor anstellen musste. Denn dort fehlte einfach die in normalen Ortschaften gewachsene "sepulkrale Infrastruktur". Also beschäftigte man eine beriebseigene Totenfrau. "Und die hat den Arbeitsvertrag eigenhändig unterschrieben", wie Archivar Müller betonte, "was wiederum beweist, dass zu dieser Zeit im bayerischen Outback die Bildung ganz ordentlich war – denn wir wissen jetzt, dass sogar die Totenfrau schon lesen und schreiben konnte!"
Ohne Geld aber mit Kartoffelpüree dank Pfanni durch die Wüste Gobi
Ein weiterer Meilenstein: Das Firmenarchiv der Pfanni-Werke, das Müller und seine Kollegen eines Tages übernehmen konnten. "Pfanni hat in seiner Firmengeschichte stets Expeditionen rund um die Welt gesponsort", so Müller, "allerdings nicht mit Geld, sondern mit Nahrungsmitteln!" Der Vorteil für Pfanni: Man bekam einen Expeditionsbericht und erfuhr so, wie sich Knödel und Kartoffelpüree etwa bei der Durchquerung der Wüste Gobi hielten – womit die Pfanni-Werke wiederum eine Menge Geld für die Lebensmittelforschung sparten.
In einem dieser Expeditionsberichte fanden Müller und Moser dann wieder die menschliche Geschichte: Von der Bergsteigerin aus Neu-Ulm, die mit Pfanni-Sponsoring als erste Frau der Welt den Mount Everest bestieg. Und die auf dem Abstieg so tragisch umkam, dass ihre steifgefrorene Leiche jahrelang nicht geborgen werden konnte, sondern von nachfolgenden Bergsteigern als "Wegemarke" genutzt wurde. Die letzte Grußkarte dieser tragischen Bergsteigerin vom Dach der Welt an die Pfanni-Werke samt eigenhändiger Unterschrift könnten wir nun bei unserem Besuch in Augenschein nehmen.
Von den Krauss-Maffei-Lokomotiven über Rodenstock-Brillen bis zu den Quelle-Katalogen und der Originalurkunde der Münchner Zimmermannszunft von 1494 reichten die Exponate im Bayerischen Wirtschaftsarchiv, dessen Besuch überaus spannend war. Und den die VGSD-Regionalgruppe München schließlich mit einem Biergartenbesuch im Tassilogarten gebührend ausklingen ließ.
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