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Warum bist du selbstständig? - Matthias Held, Musiker "Ich habe mich in keiner anderen Branche gesehen"

Matthias Held hat sich direkt nach dem Studium in Gesang und Gesangspädagogik in den Bereichen Jazz, Rock und Pop selbstständig gemacht - und dabei breit aufgestellt. Zuvor war er Mitglied einer professionellen Band, was aber nicht allein für seinen Lebensunterhalt ausreichte.

Matthias Held, selbstständiger Musiker, hat ein vielfältiges Angebot für seine Kunden und Kundinnen parat

Matthias bietet daher heute vielfältige Leistungen für seine Kunden an. Welche Leistungen das sind und wie Matthias die Musikbranche beurteilt, erfahrt ihr im Beitrag.

Mein Name ist Matthias Held. Von Beruf und meiner Berufung her bin ich Sänger, Songwriter, Vocal Coach, Arrangeur, B-Diplom- und Master-Chorleiter in den Bereichen Jazz, Rock und Pop.

In allen Tätigkeitsfeldern aufgestellt

Als ich meine Selbstständigkeit begonnen habe, war ich 28 Jahre alt. Das war am 1. Juli 2006, direkt nach Abschluss meines ersten Studiums. Seitdem und bis zum Beginn der Pandemie habe ich mein Geld mit meiner musikalischen Tätigkeit verdient. Ich hatte zunächst einen Job bei einer professionellen Band, aber das reichte nicht aus, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Daher habe ich mich breiter in diversen Tätigkeitsfeldern aufgestellt.

Mein erstes abgeschlossenes Studium – Gesang/Gesangspädagogik JazzRockPop – begann vor jetzt 18,5 Jahren. Schon währenddessen arbeitete ich in Sachen Vocal Coaching, Arrangement und Chorleitung  und in verschiedenen anderen Nebenjobs: in Büro, Kassentätigkeit, Marktforschung, Opernchor.

Ich hatte die Selbstständigkeit nicht als Geschäftsidee angelegt. Ich hatte kein eingetragenes Gewerbe, kein förderfähiges Konzept, keinen Businessplan. Ich wusste, worin ich arbeiten wollte, mit dem Job als Sänger sozusagen im Kern.

Herausforderungen durch unterschiedliche Auftragslagen

Herausforderungen gab es in meiner selbstständigen Zeit einige, zum Beispiel die unterschiedliche Auftragslage. So hatte ich bis zu 80, 90 Aufträge im Jahr - und manchmal auch nur 50. Anstellungen bei Chören dauerten im Schnitt vier bis sechs Jahre. Dabei hatte ich allerdings nie eine tarifliche Anstellung, was dazu führte, dass meine finanzielle Sicherheit auf die Zahlungskräftigkeit der Kunden und mein Verhandlungsgeschick fußte. Bewerbungen um Gigs und Verhandlungen um Gagen sind eine Sache für sich. Honorarjobs an Musikschulen sind zunehmend unergiebig, weil der „Markt“ eine preisliche Abwärtsspirale ähnlich wie zum Beispiel im Friseurhandwerk zugelassen hat – und eine Shoppingmentalität wie im Einzelhandel.

Trotz alledem bin ich selbstständig geblieben, weil der Aufbruch in eine andere Richtung mit weiteren Zusatzqualifikationen verbunden gewesen wäre. Sei es für Kirchenmusik (Extrastudium), Musiktherapie oder Lehramt (zertifiziertes Zweitfach).

Eigene Erfolgsindikatoren festgelegt

Ich hatte in meiner Selbstständigkeit befriedigende Erfolgserlebnisse, etwa die Organisation eines Chorfestivals, die musikalische Leitung von Gospel Days, Open Airs vor 10.000 Zuschauern oder Contests. Als Maßstäbe für Erfolg habe ich mit der Zeit folgendes ausgemacht: Struktur bei gleichzeitiger Improvisationsfähigkeit („freedom over a solid ground“), Kreativität, Commitment, engagierte Mitarbeiter und Besucher, voller Körpereinsatz, Authentizität und Annahme von Erfolg (= innerer Reichtum, Selbstakzeptanz, kein Understatement an der falschen Stelle).

Ich kann nicht beurteilen, wie es in einem Angestelltenverhältnis wäre, da ich dies nur an den gestellten Voraussetzungen in Stellenanzeigen messen kann. Aber ich weiß, dass ich die gleichen Maßstäbe nicht ausleben oder anwenden könnte. Unter anderem dadurch, weil Freiräume fehlen würden. Ich bin kein absoluter Teamplayer, habe in einer Diskussion mit mehr als drei Personen schon mal Durchsetzungshemmungen und kann mich nicht gut unterordnen. Wenn die gemeinsame Richtung innerhalb meiner Branche klar ist, habe ich mein „Standing“. Daher wäre ich als Angestellter sicher weniger zufrieden und finde, dass die Selbstständigkeit für mich die richtige Entscheidung war.

Die geringe Wertschätzung der Kulturbranche in ihrer Vielfältigkeit ärgert mich

In einem demokratischen System sollten sich Existenzen frei entfalten könnten, im Rahmen der Gesetze natürlich. Daraus blüht eine freie Gesellschaft. Darum ärgert es mich, dass politische Institutionen zwar Förderprogramme anbieten, aber dies manchmal mit der Arroganz des „Mäzentums“ daherkommt. Außerdem ärgert mich, dass die Kultur in wirtschaftlich guten Zeiten als Bereicherung der Gesellschaft hofiert wird, aber in schweren Zeiten als „Gedöns“ oder pure „Freizeitbeschäftigung“ abgetan wird. Sie muss mühsam ihren Stellenwert erkämpfen.

Mich ärgert, dass Sparten wie Theater, Oper und Museen immer in den politischen Sprachgebrauch Eingang finden (im Sinne von „Hoch-“ oder „Leitkultur“), aber die Vielfalt der kulturellen Szene nicht wahrgenommen wird, weil sie nicht in das „Schema F“  der Politbürokratie passt (die derart von Hierarchie und verkrusteten Strukturen geprägt wird.) Und mich ärgert, dass kreative Prozesse in freiheitlicher Gesellschaft zu oft auf dem Altar der „political correctness“ geopfert werden.

Vielseitiges Angebot

Ich biete als Coach Improvisationsworkshops, Seminare in Sachen Stimmbildung und Chorbildung – mit einem eigens entwickelten Konzept für Einzelsänger und Chöre  -  sowie Staging, kreatives Arrangieren, Groove und Vocal Percussion an. Aus dem, was ich in meinen Studien lernen und verquicken konnte, zeige ich meinen Kunden und Kundinnen Wege auf, die ihnen sonst fehlen würden. Dabei geht es auch darum, die Palette der Möglichkeiten, ihren Gesang und ihre Gruppenarbeit zu beleben. Kreative Tätigkeiten und ein „Schema F“ vertragen sich nicht. Und – nur als Beispiel: Gesang findet nicht nur im Kopf statt.

Den Weg als Musiker habe ich eingeschlagen, weil ich mich in keiner anderen Branche gesehen habe (- natürlich stecken noch mehr Sinne und Empfindungen dahinter). Ich wüsste nicht, was ich heute sonst wäre. Mit etwas Glück und Schicksal Musikalienhändler oder Lehrer.

Die Entscheidung für die Selbstständigkeit muss jeder selbst treffen

Bis heute habe ich diesen Weg jedenfalls nicht bereut und das ist im Wesentlichen das, was ich sagen würde, falls mich jemand nach einer Empfehlung für seine oder ihre Berufslaufbahn fragt: Die Entscheidung muss jeder und jede selbst treffen, ob er oder sie persönliche Freiheit gegen die Risiken abwägen möchte.

Aus vollem Herzen für die Selbstständigkeit plädieren würde ich, wenn diese auch auf der politischen Bühne nicht nur gefordert, sondern auch gefördert und anerkannt wird. Denn dann wäre kleinliches Sicherheitsdenken und das Gesellschaftsmodell „von gestern“ wirklich ein wesentliches Stück weit in freiheitliche Demokratie übergegangen (abseits vom kalten Neoliberalismus) - das einzige Stückchen Utopie, das ich hege.

Anmerkung:

Unsere Aktion "Warum bist du selbstständig?" stieß bei euch auf eine große Resonanz, worüber wir uns sehr freuen. Dabei haben wir deutlich mehr Zuschriften bekommen als wir erhofft haben. Wir bedanken uns herzlich bei euch, dass ihr euch die Zeit genommen habt, mit uns eure Geschichte zu teilen.

Wie ihr bestimmt schon gesehen habt, haben wir bereits eine Reihe von Warum-Geschichten veröffentlicht. Die Geschichten, die wir auswählen, zeigen immer neue Aspekte und Gründe für eure Selbstständigkeit: Seid ihr Unternehmer, weil eurer Kreativität in dieser Berufsform keine Grenzen gesetzt sind, weil die Freiheit durch eine Selbstständigkeit unbezahlbar ist - oder warum? Wir möchten mit der Auswahl der Geschichten der Vielfalt an Gründen für eine Selbstständigkeit Rechnung tragen und diese Bandbreite aufzeigen. Wir bitten daher um euer Verständnis, wenn wir deshalb nicht jede Geschichte veröffentlichen können, hoffen aber, euch durch immer neue Ansichten inspirieren zu können.

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