Thorsten Murr hat sich mit 33 Jahren selbstständig gemacht. Seine Motive: Mehr Flexibilität und Freiheit. Nachdem er seine Festanstellung in einer Werbeagentur gekündigt hatte, stand ihm die komplette Bandbreite an Disziplinen und Auftraggebern offen. So war Thorsten neben seiner hauptsächlichen Tätigkeit als Werbetexter und Konzeptioner auch viele Jahre Dozent in der Erwachsenenbildung. Auch als Eventmanager, Fotograf oder PR-Berater war er bereits tätig.
An seiner Selbstständigkeit liebt er die Freiheit und Unabhängigkeit, seinen eigenen Ideen nachgehen und eigene Regeln aufstellen zu können. Was ihm bis heute schwerfällt und welchen Tipp er für angehende Selbstständige bereithält, erfahrt ihr im Beitrag.
Eine breite Palette an Disziplinen und Auftraggebern
Ich bin seit Frühjahr 1997 selbstständig, damals war ich 33 Jahre alt. Auf mehr berufliche Flexibilität und Freiheit hatte ich es schon lange abgesehen, aber der konkrete Anlass für meine Entscheidung war, dass ich neben meiner Festanstellung in einer Werbeagentur auch regelmäßig als freier Dozent in der Erwachsenenbildung arbeiten wollte, was sich auf die Dauer mit dem Fulltime-Job in der Agentur nicht vereinbaren ließ. Durch den Wechsel in die Freiberuflichkeit wurde das und vieles mehr möglich.
Innerhalb meines Metiers, das ich im Allgemeinen mit Marketingkommunikation beschreiben will, kann ich in verschiedenen Disziplinen und für die verschiedensten Auftraggeber tätig werden. Mein hauptsächlicher Job ist der eines Konzeptioners und Werbetexters. Allein in dieser Eigenschaft arbeite ich für mehrere Agenturen und Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen gleichzeitig. Im Laufe der Jahre habe ich parallel dazu aber auch zum Beispiel als PR-Berater, als Journalist, als Eventmanager, als Konzertveranstalter, als Fotograf und sogar einige Monate als Dekorateur gearbeitet.
Sehr häufig und regelmäßig war ich rund 20 Jahre lang auch als freier Dozent für Marketing, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit bei privaten Bildungsträgern im Einsatz. Das bedeutete, mehrmals im Jahr ein bis drei Wochen täglich acht Stunden Seminare abzuhalten und danach noch die Arbeit am Schreibtisch für meine anderen Auftraggeber zu erledigen. Von 2012 bis 2016 wurden von mir, gemeinsam mit einem Kollegen, sogar drei eigene Bildungsprogramme entwickelt und schließlich erfolgreich umgesetzt.
Es kann ganz schnell anders kommen
Im Laufe der Jahre gab es natürlich auch Phasen, in denen die Geschäfte nicht so gut liefen. Einige Monate nach dem 11. September 2001 ist die ganze Marketingbranche abgesackt. Werbe- und Mediabudgets wurden gekürzt oder gestrichen, Agenturen mussten ihre Leute entlassen und die freien Mitarbeiter waren oft die, die es zuerst getroffen hat, weil sie keine Aufträge mehr bekommen haben. So etwas muss man irgendwie aushalten. Die kargen Monate schienen mir damals endlos, aber zurückblickend war es nur eine Episode – von der allerdings die Erfahrung geblieben ist, dass alles im Leben immer ganz schnell ganz anders kommen kann.
Herausforderungen: Buchhaltung, Steuern und Finanzamt
Die größte Herausforderung im Zusammenhang mit der Selbstständigkeit war und ist für mich bis heute die Verwaltung – also alles, was mit Buchhaltung, Steuern und Finanzamt zu tun hat. Das habe ich nie gemocht und das wird wohl auch so bleiben. Zum Glück gibt es dafür Dienstleister, aber man muss natürlich auch selbst den Überblick bewahren, Ordnung in seinen Papieren halten und eine gewisse Bürodisziplin entwickeln. Ich habe im Laufe der Jahre meinen Frieden damit geschlossen, auch wenn ich noch heute bedauere, so viel Zeit darauf verwenden zu müssen – Zeit, in der man eigentlich Aufträge bearbeiten könnte.
Was mich im Laufe der Jahre auch immer wieder geärgert hat, ist der Umstand, dass man, um zum Beispiel eine simple Finanzierung für eine gute Kamera, ein Auto oder eine ähnliche Anschaffung zu bekommen, bei der Bank Unmengen von Unterlagen einreichen musste, während Angestellte einfach nur ihre drei letzten Gehaltsabrechnungen vorgelegt haben. Selbst Empfänger von ALG hatten gefühlt „bessere Karten“ als ein Freiberufler. Inzwischen hat sich das etwas geändert.
Tipp an künftige Selbstständige: Nicht zu früh aufgeben
Zusammengefasst liebe ich die Freiheit und die Unabhängigkeit, meinen Ideen und Vorstellungen folgen zu können, dabei eigene Regeln für meine Arbeit aufzustellen und jederzeit, sofern es meine zeitlichen Kapazitäten zulassen, neue Projekte in Angriff nehmen zu können. Auch angesichts aller Risiken ist es doch diese persönliche und unternehmerische Freiheit, die mich stets aufs Neue darin bestätigt, selbstständig zu sein. Privat mag ich es, mir so oft und so viel Urlaub gönnen zu können, wie ich möchte.
Künftigen Selbstständigen möchte ich, neben den vielen Tipps, die man überall bekommt, vor allem raten, sich nach ihrem Entschluss nicht vorschnell durch etwaige Schwierigkeiten vom eingeschlagenen Weg abbringen zu lassen. Es gibt sicherlich Situationen, in denen man Geduld braucht, aber man sollte sich nicht zu früh in Zweifeln verlieren.
Anmerkung:
Unsere Aktion "Warum bist du selbstständig?" stieß bei euch auf eine große Resonanz, worüber wir uns sehr freuen. Dabei haben wir deutlich mehr Zuschriften bekommen als wir erhofft haben. Wir bedanken uns herzlich bei euch, dass ihr euch die Zeit genommen habt, mit uns eure Geschichte zu teilen.
Wie ihr bestimmt schon gesehen habt, haben wir bereits eine Reihe von Warum-Geschichten veröffentlicht. Die Geschichten, die wir auswählen, zeigen immer neue Aspekte und Gründe für eure Selbstständigkeit: Seid ihr Unternehmer, weil eurer Kreativität in dieser Berufsform keine Grenzen gesetzt sind, weil die Freiheit durch eine Selbstständigkeit unbezahlbar ist - oder warum? Wir möchten mit der Auswahl der Geschichten der Vielfalt an Gründen für eine Selbstständigkeit Rechnung tragen und diese Bandbreite aufzeigen. Wir bitten daher um euer Verständnis, wenn wir deshalb nicht jede Geschichte veröffentlichen können, hoffen aber, euch durch immer neue Ansichten inspirieren zu können.
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