Lioba Geier arbeitet seit 20 Jahren als freiberufliche Lehrkraft im Integrationsbereich mit Schwerpunkt auf Vermittlung der deutschen Sprache – und trägt dadurch dazu bei, dass sich Migrant/innen schneller in Deutschland integrieren und eine Ausbildung oder Arbeit beginnen können. Im Rahmen unserer Reihe "Dein Beitrag als Selbstständige/r zu Wirtschaft und Gesellschaft" berichtet sie über ihre Arbeit. Das ist wichtig, denn wir wollen mit Hilfe von Selbstständigen Beispiele dafür geben, wie wichtig es für Wirtschaft und Gesellschaft in unserem Land ist, was wir leisten. Hier findest du mehr Informationen über die Reihe.
Die Schüler: Etwa geflüchtete Akademiker, die möglichst schnell arbeiten wollen
Lioba: "Mein Beruf der DaF/DaZ-Lehrkraft ist in dieser Form noch recht jung und nicht wirklich eigenständig geregelt. Meine Kollegen und ich arbeiten für verschiedene Institutionen im Auftrag des Bundes als Leiter/in von Integrationssprachkursen oder eben in sogenannten freien Kursen, die die Schüler zu 100 Prozent selbst bezahlen.
DaF und DaZ – was ist das eigentlich?
DaF bedeutet Deutsch als Fremdsprache – und es bezeichnet den Deutschunterricht im Ausland. DaZ ist das Kürzel für Deutsch als Zweitsprache, womit das Deutschlernen im "Zielland" gemeint ist.
Bei den selbst zahlenden Schülern handelt es sich meistens um Migrannt/innen, die bereits eine akademische Ausbildung mitbringen und möglichst schnell in ihrem Beruf arbeiten möchten, zum Beispiel als Ärztinnen und Ingenieure. Es sind auch junge Leute dabei, die hier in Deutschland ein Hochschulstudium anstreben und von mir auf die erforderliche Sprachprüfung für die Hochschulzulassung vorbereitet werden.
Ziel: Die schnelle sprachliche Integration
Schwerpunktmäßig unterrichte ich als Lehrkraft in Integrationskursen, die vom Innen- bzw. Arbeitsministerium teilfinanziert sind. Das heißt, ich arbeite hier in einem staatlichen Bildungsauftrag, der das Ziel verfolgt, Migrant/innen sprachlich möglichst schnell zu integrieren.
Übrigens unterrichte ich nicht nur die deutsche Sprache, sondern vermittle in den sogenannten Orientierungskursen auch Politik, Geschichte, Werte in einer freien, demokratischen Kultur und vieles mehr. Die Anzahl meiner Schüler/innen variiert dabei, je nach Auftragslage, aber ich führe im Schnitt etwa 150 Migrant/innen pro Jahr zu Zertifikaten und Prüfungen. Ich begleite sie quasi auf dem Weg von null Deutschkenntnissen auf verschiedene Sprachniveaus, je nach Ziel des Einzelnen.
Fast alle Migranten möchten möglichst schnell eine Arbeit antreten oder eine Ausbildung machen und ihr Leben hier in Deutschland eigenständig organisieren. Vielen gelingt das auch....
Die Tatsache, dass die Sprache der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration ist, zeigt, wie wichtig meine Arbeit für unsere immer bunter werdende Gesellschaft ist.
Finanzielle Ungleichheit gegenüber angestellten Lehrkräften
Ich arbeite ausschließlich als Honorarkraft, was bedeutet, dass ich meine Sozialabgaben zu 100 Prozent selbst trage – und auch die Altersvorsorge muss verpflichtend in das staatliche Rentensystem abgeführt werden. Dies führt dazu, dass ich mindestens 35 bis 40 Unterrichtsstunden pro Woche ableisten muss, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Vorbereitungszeiten, Korrekturzeiten etc. kommen hier noch drauf und werden nicht vergütet. Zum Vergleich: An staatlichen Schulen besteht ein Volldeputat aus 25 Unterrichtseinheiten +/-.
In den Integrationssprachkursen des Bundes arbeite ich weisungsgebunden, zum Beispiel werden Lehrwerke vorgegeben, administrative Aufgaben müssen erledigt werden etc.. Dadurch ziehe ich möglicherweise den Verdacht der Scheinselbstständigkeit auf mich. Ich habe die Selbstständigkeit allerdings nicht bewusst gewählt. Sie ergibt sich aus dem politisch gewollten System der Bildung im Migrationsbereich. Es gibt zwar inzwischen einige Festanstellungen, aber die Mehrheit der DaF/DaZ-Lehrkräfte arbeitet freiberuflich. Das ist nicht einfach und viele befinden sich in prekären Einkommenssituationen.
Sinnstiftende Arbeit bei ungenügender Bezahlung
Meine Arbeit ist sehr sinnstiftend und persönlich mehr als zufriedenstellend. Wegen des hohen Arbeitspensums und der schlechten Bezahlung geben viele Kolleg/innen dennoch nach kurzer Zeit auf und es fehlt darüber hinaus signifikant der Nachwuchs. So herrscht auch in diesem Bereich ein akuter Lehrkräftemangel, den der Staat immer nur nach Bedarf wie etwa in der aktuellen Flüchtlingskrise etwas anzupassen versucht, ohne grundlegende Reformen auf den Weg zu bringen.
Wir würden uns freuen, wenn unsere Arbeit, die für unsere Gesellschaft so wichtig ist, politisch eine größere Wertschätzung durch angemessene Honorierung finden würde."
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