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Neue Arbeitsgruppe Schluß mit ungerechten Mindestbeiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung

Wer sich als Selbstständiger nicht privat versichert, muss hohe Mindestbeiträge (rund 350 Euro/Monat) zur Kranken- und Pflegeversicherung  zahlen. Er oder sie zahlt Beiträge auf über 2.000 Euro Einkommen, auch wenn der Gewinn (z.B. bei Teilzeit-Selbstständigkeit) nur bei 500 oder 1.000 Euro liegt. Die 350 Euro fallen sogar dann an, wenn der Selbstständige Verlust macht, etwa um Mitarbeiter halten und deren Gehalt weiterzahlen zu  können.

Im Interview: Franz Kampmann, der sich nicht länger mit dieser ungerechten Situation abfinden möchte und deshalb Gleichgesinnte und Betroffene sucht zur Gründung einer VGSD-Arbeitsgruppe “KV-Mindestbeiträge".

Franz Kampmann im Interview

Frage: Was machst Du beruflich, wie lange bist Du schon selbstständig? Und was hat dich bewogen, dem VGSD beizutreten?

Franz Kampmann: Ich bin Agraringenieur, Fachrichtung Ökonomie, 55 Jahre alt. Mein Schwerpunkt lag und liegt im Bereich Lebensmittelmarketing.

Nachdem mein damaliger Arbeitgeber abgewickelt worden war, nahm ich den Gründungszuschuss in Anspruch, um mir eine Existenz als Sachverständiger aufzubauen. In den ersten beiden Jahren waren die Umsätze sehr gering, 2012 blieben nur 6.000 Euro über.

Von diesen 500 Euro pro Monat zog man mir für Krankenkasse  und Pflegeversicherung zuletzt 360 EUR pro Monat ab! D.h. es blieb so gut wie nichts für den Lebensunterhalt übrig – ich musste von Rücklagen leben. Deshalb bin ich eines der ersten Mitglieder des VGSD geworden.

2013 hat sich die Situation für mich glücklicherweise deutlich gebessert. Trotzdem ärgere ich mich weiterhin über die ungerechten Mindestbeiträge und möchte etwas dagegen unternehmen.


Jetzt mitzeichnen: Mit unserer Petition setzen wir uns für faire Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ein. Es ist nicht einzusehen, dass Selbstständige deutlich mehr zahlen als Arbeitgeber und -nehmer zusammen. Eine Gesetzesverschärfung zum 1.1.18 macht eine Reform noch dringlicher.


Franz Kampmann: "Bitte mitzeichnen!" - Die aktuelle VGSD-Petition für faire Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.

Frage: Angestellte würden in dieser Situation weniger als 50 Euro - mit Arbeitgeberanteil unter 100 Euro Beiträge pro Monat zahlen. Wie kann es sein, dass Selbstständige mit gleichem Einkommen ein Vielfaches zahlen müssen? Das führt ja auch dazu, dass sie nicht ausreichend fürs Alter vorsorgen können!

Franz Kampmann: Begründet wird der Mindestbeitrag immer wieder mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVG) vom 22. Mai 2001 (I 1879 – 1 BvL 4/96). Demnach ist ist der (in SGB V § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 geregelte) Mindestbeitrag mit dem Grundgesetz vereinbar.

Das BVG weist darauf hin, dass bei Selbstständigen Nettoeinnahmen, d.h. Einnahmen minus Ausgaben, als Maßstab zur Festsetzung der Krankenkassenbeiträge herangezogen werden. Im Unterschied dazu bemessen sich beim Angestellten die Beiträge nach dem Bruttoeinkommen - der Angestellte könne also seine Ausgaben zur Erbringung seiner Arbeitsleistung („Werbungskosten“)  nicht vorher abziehen. Insofern sei es verfassungsgemäß, wenn Selbstständige einen Mindestbeitrag leisten müssen.

Aus meiner Sicht ist das ein völlig untaugliches Argument zur Rechtfertigung des hohen Mindestbeitrags für Selbstständige. Das Bruttoeinkommen des Angestellten ist doch die im Vergleich zum Gewinn niedrigere und damit günstigere Bemessungsgrundlagen, denn hier ist der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung ja bereits abgezogen.

Zum Thema Altersvorsorge: Es stimmt! Wer wenig übrig hat, kann wenig zurücklegen fürs Alter. Ich habe mich auch deshalb von der Rentenversicherung freistellen lassen.

Doch Vorsicht: Man verliert den (früher  als Angestellter erworbenen) Anspruch auf Erwerbsminderungsrente, wenn man in den letzten 60 Monaten weniger als 36 Beitragsmonate in die Rentenversicherung einzahlt. Ich hab das noch rechtzeitig bemerkt und daraufhin bei einem Kunden einen Minijob angenommen, der ein Rentenversicherungsverhältnis erzeugt.

Frage: Es gibt aber noch viele weitere Ärgernisse. Zum Beispiel hast Du darauf hingewiesen, dass betroffene Selbstständige im Fall einer Krankheit das Krankengeld nicht entsprechend ihrer Beitragszahlungen erhalten?

Franz Kampmann: Das stimmt! Geradezu schizophren ist, dass man den hohen Beitrag bezahlt, aber nur nach dem tatsächlichen Einkommen Krankengeld erhält! Das Bundessozialgericht begründet das lapidar mit dem Satz: „Krankengeld kann grundsätzlich nur als Ersatz für  (entgangene)… Einkünfte beansprucht werden…“ (BSG 30.4.2004 B 1 KR 32/2 R).

Aber: Das ist ein Nebenkriegsschauplatz. Wann ist man als Selbstständiger schon mal länger als 42 Tage krank? Und: Würde die ungerechte Mindestbeitragsbemessungsgrenze fallen gelassen, wäre dieser Konflikt geheilt.

Frage: Du wolltest Dich nicht mit dieser Situation abfinden und hast im Laufe der Zeit an verschiedene Politiker, den Petitionsausschuss des Bundestages usw. geschrieben, um sie auf diesen Missstand aufmerksam zu machen. Was waren die Reaktionen? Welches Gefühl haben die Antworten der Politiker bei Dir hinterlassen?

Franz Kampmann: Ich habe beim Patientenbeauftragten der Bundesregierung, beim Petitionsausschuss und in den Gremien der politischen Partei, der ich angehöre (CDU), versucht, Verständnis zu finden. Vergebens! Immer wieder zog man sich auf das BVG-Urteil zurück. Ich bin sehr enttäuscht und fühle mich in meiner Argumentation nicht wahrgenommen.

Frage: Kannst Du die damalige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nachvollziehen? Würde sie heute noch so gefällt?

Franz Kampmann: Nein, nachvollziehen kann ich die nicht. Ob sie heute nochmal so gefällt würde, kann ich nicht sagen. Ich denke, der Missstand muss vom Gesetzgeber beseitigt werden. Die VGSD hat ja vor der Bundestagswahl u.a. zu diesem Thema alle Parteien befragt. Der jetzige Koalitionspartner SPD hat geantwortet, die Beitragsbemessung bei 450,01 EUR monatlich beginnen zu lassen. Das lässt hoffen – und wir müssen die SPD jetzt immer wieder an dieses Versprechen erinnern und es einfordern.

Frage: Beim VGSD gibt es viele, die sich über die KV-Mindestbeiträge ärgern, in unserer Abstimmung über die Anliegen des Verbands landete das Thema auf Platz 1. Du möchtest Dich jetzt mit anderen Mitgliedern vernetzen, die in dieser Sache mit Unterstützung des Verbands etwas unternehmen wollen. Was hast du vor und wie können interessierte Vereins- und Communitymitglieder Kontakt mit Dir aufnehmen?

Franz Kampmann: Der VGSD hat hierzu einen Verteiler eingerichtet (siehe unten). Aus meiner Sicht sollten wir neben Presse- und Informationsarbeit über Parteiversagen berichten, um so den Druck auf die Entscheidungsträger zu erhöhen.

Du willst in der Arbeitsgruppe aktiv engagieren?

Wenn Du Dich in unserer Arbeitsgruppe „Rentenpflicht“ mitarbeiten möchtest, so schreibe bitte an die Arbeitsgruppen-Sprecher: faire-beitraege@vgsd.de. Wir freuen uns darauf, von Dir zu hören! Unterstützung brauchen wir zum Beispiel bei der Ansprache von Multiplikatoren, bei der Betreuung der Aktion "Frag Deinen Abgeordneten", unserer Presseschau usw.

Du hast wenig Zeit und willst auf dem Laufenden bleiben?

Du möchtest, dass wir Dich über unsere Aktionen zum Thema Kranken- und Pflegeversicherung für Selbstständige auf dem Laufenden halten? Auch wenn Du keine Zeit für eine Mitarbeit in unserer Arbeitsgruppe hast, nehmen wir Dich gerne in unseren „erweiterten“ Verteiler auf und informieren Dich in größeren Abständen. Wir suchen hier z.B. immer wieder Betroffene, die bereit sind (ggf. anonym) als Interviewpartner für Medien zur Verfügung zu stehen, die bereit sind, ihren Abgeordnete anzusprechen etc.

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