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Scheinselbstständigkeit Strengere Auslegung von Regeln gefährdet IT-Selbstständige (Kommentar)

Eigentlich sollen die Regeln gegen Scheinselbstständigkeit Selbstständige schützen und dafür sorgen, dass sie ausreichend sozialversichert sind. In der Praxis richten sich die Gesetze jedoch zunehmend gegen die Selbstständigen und sorgen bei ihnen, aber auch den Auftraggeber für große Unsicherheit. Das zeigt das Beispiel SAP, wo zum 1. März eine neue "External Workforce Policy" eingeführt wurde.

Die Computerwoche schreibt dazu: "Was viele Freiberufler, die bei SAP im Einsatz sind, in den letzten Wochen nicht glauben und wahrhaben wollten, wird nun Realität."

Per Ende März sollen alle externen IT-Freelancer gekündigt werden und sich neu bewerben. Es seien keine Einzel- und Direktverträge mehr erlaubt, alles muss künftig über zwischengeschaltete Agenturen laufen, die SAP gegenüber verantwortlich sind, dass keine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Das aber führt zu geringeren Honoraren für die Freiberufler (oder zu höheren Kosten für den Auftraggeber). Außerdem erhöht dies den bürokratischen Aufwand im Falle von vertraglichen Änderungen.

Zudem sei eine Beauftragung nur noch für 120 Tage pro Jahr möglich. Eine solche Regelung mag Sicherheit in Hinblick auf arbeitsgesetzliche Regelungen bringen. - Wie IT-Projekte auf diese Weise funktionieren sollen, ist mir aber ein Rätsel. Mit zunehmender Projektzugehörigkeit sammeln die Mitarbeiter ein hohes Maß an spezifischem Know-how. Nicht selten haben bestimmte freie Mitarbeiter viel tieferes Wissen über ein Softwaresystem als die Angestellten.

In der Anweisung steht offensichtlich - in Einklang mit den Regeln gegen Scheinselbstständigkeit - auch, dass die Mitarbeiter "nicht in die Arbeitsorganisation eingegliedert werden" dürfen und weisungsunabhängig arbeiten müssen. Aber: Wie soll unter diesen Umständen die Zusammenarbeit in Projekten funktionieren?

Der Trend geht seit Jahren in Richtung "Agile Softwareentwicklung". Bei Vertragsabschluss gibt es oft noch keine klaren inhaltlichen Vorgaben im Sinne eines Pflichtenhefts, da die Anforderungen erst während des Projekts entwickelt werden. Detaillierte vertragliche Vereinbarungen werden durch ein iteratives Vorgehen ersetzt, in der Auftraggeber und Entwickler in vergleichsweise kurzen zeitlichen Abständen die Fortschritte überprüfen und die Anforderungen neu priorisieren.

Wenn große Auftraggeber wie SAP Schritte unternehmen, die viele Mitarbeiter als Gefährdung kritischer Abläufe und Projekte werten, muss die die Befürchtung groß sein, dass der Gesetzgeber bestehende Regeln gegen Scheinselbstständigkeit plötzlich sehr viel strenger anwendet.

Fazit: Statt verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen, sorgt die Regierung für Rechtsunsicherheit und gefährdet dadurch nicht nur zahllose betroffene Freiberufler, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit innovativer und erfolgreicher Unternehmen. Statt die Regeln gegen Scheinselbstständigkeit weiter zu verschärfen, sollten sie auf den Prüfstand: Wie können die damit verfolgten Ziele erreicht werden, ohne für so viel Unsicherheit, Kosten und Verwerfungen zu führen?

Zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitplätze sind übrigens laut Computerwoche von SAP bisher nicht ausgeschrieben worden.

Die Rechtsunsicherheit durch die Regeln gegen Scheinselbstständigkeit, ist eines der wichtigsten Anliegen der VGSD-Mitglieder. Sie haben das Thema in unserem Ranking politischer Forderungen auf den 7. Platz gewählt. Viele Selbstständige sind dabei nicht nur als Auftragnehmer betroffen, sondern auch weil sie ja selbst freier Mitarbeiter beschäftigen und Nachzahlungen fürchten.

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