Vor gut zwei Wochen, am 1. April 2017, ist das viel diskutierte „Werkvertragsgesetz“ in Kraft getreten, das im Vorfeld für viel Verunsicherung gesorgt hat. Viele Auftraggeber haben in den letzten Monaten versucht, Selbstständige in Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) zu drängen. Dabei regelt das neue Gesetz auch die ANÜ neu - und zwar sehr viel strenger und bürokratischer als bisher. Die Umwandlung einer selbstständigen Beauftragung in eine ANÜ sehen viele Experten deshalb als Schritt vom Regen in die Traufe.
Bei der Beauftragung von Selbstständigen ändert sich dagegen durch das neue Gesetz gar nicht so viel. Die von uns seit Jahren beklagte Rechtsunsicherheit besteht zwar fort, die von Andrea Nahles geplante Einführung eines Negativkriterienkatalogs konnte jedoch verhindert werden. Die Diskussion über das neue Gesetz hat allerdings die Endkunden verunsichert und sie sind nun auch bei Zwischenschaltung von Vermittlern stärker in der Pflicht, darauf zu achten, dass das selbstständige Auftragsverhältnis auch wirklich als solches gelebt wird.
ADESW verweist auf Klarstellung des Bundestagausschusses und Thüsing-Kommentar
Die ADESW, ein Zusammenschluss führender Vermittler, hat eine Einschätzung der aktuellen rechtlichen Situation veröffentlicht. Er verweist auf die Klarstellung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales, dass das neue Gesetz hochqualifizierten Experten und Beratern nicht schaden soll und die für sie typische Präsenz beim Auftraggeber nicht als Indiz für abhängige Beschäftigung gewertet werden darf.
Der renommierte Arbeitsrechtler Prof. Gregor Thüsing (Universität Bonn) hat diese Klarstellung inzwischen im Rahmen eines Videos kommentiert und als klare „Absage der allzu schnellen Eingemeindung von Selbstständigen in den Arbeitnehmerstatus“ gewertet und dabei erneut auf das sogenannte Todesrad-Urteil des BAG hingewiesen, das auf Selbstständigkeit urteilte - trotz Vorliegens mehrerer von der DRV für Scheinselbstständigkeit verwendeter Kriterien.
Tipps für den Umgang mit Selbstständigen
Die ADESW rät von vorschnellem Aktionismus ab – gemeint ist vermutlich die Umstellung von Aufträgen in ANÜ. Sie sei „meist eher hinderlich und kann sogar weitere Risiken bergen".
Es bleibe vielmehr wichtig, Merkmale der Tätigkeit, die eine Selbstständigkeit belegen, sorgfältig zu dokumentieren und die jeweilige konkrete Beschäftigung in diesem Sinne auch tatsächlich zu leben und auszugestalten. (Diesen Rat haben wir im Rahmen der VGSD-Experten-Telkos mit führenden Anwälten zum Thema Scheinselbstständigkeit ebenfalls immer wieder gegeben und mit konkreten Tipps verbunden.)
Fazit des ADESW: „Durch die neue Rechtslage ändert sich unmittelbar nichts für Freiberufle bzw. Selbstständige.“
Wie geht es politisch weiter?
Trotzdem müsse es Ziel sein, weiterhin für mehr Planungs- und Rechtssicherheit von Freelancern zu kämpfen und den Druck auf die Politik aufrechtzuerhalten, denn es bleibe abzuwarten, inwieweit die Klarstellung des Bundestagsausschusses (siehe oben) in Zukunft auch wirklich von Arbeits- und Sozialgerichten aufgegriffen werde.
Die ADESW fordert eine Modernisierung der Prüfpraxis der DRV hinsichtlich der Kriterien und Prüfdauer und die Einführung gesetzlich definierter Positivkriterien (neben Einkommensschwellen und dem Nachweis einer eigenen Altersvorsorge sieht sie dabei z.B. die Mitgliedschaft in einem Selbstständigenverband als Kriterum).
Und was meint die DRV dazu?
Die Einschätzung, dass sich eigentlich nicht viel geändert hat, teilt übrigens auch die Deutsche Rentenversicherung (DRV). In ihrem vierteljährlich erscheinenden E-Paper „summa summarum“ beschreibt die Sozialversicherung in der neuesten Ausgabe (01/2017) ausführlich die Neuregelungen zur Leiharbeit und geht nur ganz kurz auf die Änderungen zu Dienst- und Werkverträgen in § 611a BGB ein:
„Dieses Vorhaben [aus dem Koalitionsvertrag] wird mit der Einführung des § 611a BGB umgesetzt. Es handelt es sich hierbei um eine Auflistung der wesentlichen höchstrichterlich bestätigten Kriterien zum Begriff des Arbeitnehmers. Weiterhin ist in diesem Kontext eine wertende Gesamtbetrachtung aller Kriterien vorzunehmen. Inhaltlich bringt die Norm daher wenig Neues.“
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