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Arbeitgeber fordern Reform der Künstlersozialkasse wegen hoher Bürokratiekosten

184.000 Künstler und Publizisten sind über die Künstlersozialkasse (KSK) sozialversichert. Für sie ist die Versicherung ein Segen:

Im Vergleich zu anderen Selbstständigen profitieren sie in zweierlei Hinsicht. Für sie gelten keine hohen Mindestbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, außerdem übernehmen Staat und Verwerter die Hälfte der Beiträge, also quasi den Arbeitgeberanteil.

Volker Fassbender, der Hauptgeschäftsführer der hessischen Unternehmerverbände fordert, dass mindestens in Rechnungen auf die KSA-Pflicht hingewiesen wird.

Verwerter sind Unternehmen und kulturelle Institutionen, aber auch ganz normale Selbstständige, die Künstler und Publizisten für mehr als 450 Euro/Jahr beauftragen. Sie sind verpflichtet auf diese Honorare 5,2% (ab 1.1.17 4,8%) Künstlersozialabgabe (KSA) zu leisten. Seit 2015 wird dies sehr viel strenger geprüft, was das Verhältnis von Auftraggebern und –nehmern belastet.

250 Millionen Euro Abgaben – und fast noch einmal so viel Bürokratiekosten?

Die Bürokratiekosten für die Erhebung der KSA stehe dabei in keinem Verhältnis zu den Einnahmen, kritisiert jetzt die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (vhu) in einem Positionspapier. 260 Millionen Euro an Abgaben habe die KSK 2014 eingenommen. Für das Ermitteln und Abführen der Abgaben fielen laut vhu fast noch einmal so viele Kosten in den Unternehmen an. Der vhu verweist als Beleg auf eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) Köln aus dem Jahr 2008, die 2009 bereits den BDA zu einem Positionspapier gegen die KSA veranlasst hatte. Es kam zum Ergebnis, dass auf jeden Euro Abgabe, der eingenommen wurde, 78 Cent Bürokratiekosten anfallen.

Ist das plausibel? - Multipliziert man die auf der Seite der KSK zuletzt für 2013 angegebene Summe gemeldeter Honorare (4.120 Mio. Euro) mit dem damals geltenden Abgabesatz von 4,1 Prozent kommt man auf Abgaben von 169 Mio. Euro. Im Schnitt meldete also jeder der 167.600 Verwerter in diesem Jahr 24.600 Euro abgabepflichtige Honorare und eine KSA von 1.008 Euro. 78 Prozent davon wären 785 Euro. Ist mit der Auflistung der im Vorjahr beauftragten Künstler und Publizisten und ihrer Honorare wirklich ein solcher Aufwand verbunden? Mit mehreren Stunden Zusatzaufwand, Rückfragen beim Steuerberater und den anteiligen Kosten einer Betriebsprüfung kann man schnell auf einige hundert Euro Kosten kommen, vor allem wenn die Meldung erstmals erfolgt. In Folgejahren wird der Aufwand aber wahrscheinlich niedriger liegen.

Bei "kleinen" Selbstständigen sind die 78% Bürokratiekosten dagegen auf jeden Fall realistisch - wahrscheinlich sogar untertrieben: Bei ihnen dürfte die Honorarsumme von Künstlern und Publizisten entweder unter der Bagatellgrenze liegen oder aber bei 500 bis 1.000 Euro. Das entspricht einer Einnahme der KSK von 0 Euro bzw. 26 bis 52 Euro. Der Aufwand für die Ermittlung der Höhe der Abgabe, die Klärung von Fragen mit KSK oder Steuerberater (insb. welche Leistungen abgabepflichtig sind), der Briefverkehr mit der KSK und die Betreuung einer eventuellen Betriebsprüfung sind mit Zeitaufwand und ggf. auch Kosten für den Steuerberater verbunden, die weit über 26 bis 52 Euro liegen dürften - insbesondere bei der ersten Meldung.

Durch die Ausweitung der Prüfungen kommen immer mehr dieser "kleinen" Verwerter hinzu, bei denen der bürokratische Aufwand in keinem Verhältnis zur Höhe der Abgabe steht. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Bagatellgrenze von 450 Euro pro Jahr unseres Erachtens deutlich zu niedrig gewählt. Das Paretoprinzip wurde hier offenbar ignoriert.

Hinzu kommen die Bürokratiekosten bei der DRV

Hinzu kommen noch die Bürokratiekosten bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV): Diese hatte 2014 verschärfte Prüfungen zunächst als unwirtschaftlich abgelehnt. Der Bürokratieaufwand für geschätzte Mehreinnahmen in Höhe von 32 Millionen Euro läge nach eigener Schätzung bei 50 Millionen Euro. Nach langem Streit mit dem Arbeitsministerium budgetierte die DRV im Rahmen eines politischen Kompromisses zusätzliche Bürokratiekosten von 12,3 Millionen Euro (was noch immer fast 40% der prognostizierten zusätzlichen Einnahmen entspricht) und erklärte sich zu der verschärften Prüfpraxis bereit.

Arbeitgeber beklagen Rechtsunsicherheit und fordern Hinweis auf Abgabepflicht in Rechnung

Der Hauptgeschäftsführer der hessischen Unternehmerverbände Volker Fasbender fordert jetzt gegenüber der FAZ eine Reform des Systems: „Die deutsche Künstlersozialversicherung ist ein weltweit einmaliger Sonderweg, der die Unternehmen mit unerträglichen Bürokratiekosten und höchster Rechtsunsicherheit belastet“.

Fasbender schlägt vor, die Versicherten sollten verpflichtet werden, in der Rechnung auf die Abgabepflicht hinzuweisen und die zusätzlich eingenommenen Honorare dann selbst an die KSK abzuführen. Die Alternative sei laut Fasender das Privileg abzuschaffen. Künstler und Publizisten seien aus seiner Sicht nicht schutzbedürftiger als andere Selbständige.

(Anmerkung zur Rechnungsstellung: Momentan sind künstlerische und publizistische Leistungen auch von Nicht-KSK-Versicherten abgabepflichtig. Außerdem ist die Frage, ob durch Ausweisen des Aufschlags tatsächlich höhere Honorare realisiert werden könnten.)

Laut Fasbender gebe es inzwischen Hunderte von Gerichtsurteilen dazu, wer künstlerisch oder publizistisch tätig sei. Unzählige Verfahren „verstopften die Sozialgerichte“. Dies zeige, wie groß die Rechtsunsicherheit sei und wie schwer es für die Unternehmen ist, die Abgabepflicht richtig einzuschätzen.

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall unterstützt die Forderungen von Fasbender. Vorstandsmitglied Petra Credé sagte gegenüber der FAZ, es gehe nicht darum, dass die Unternehmen weniger Abgaben bezahlten: „Vielmehr muss der unverhältnismäßige, durch die Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung noch weiter verschärfte Verwaltungsaufwand mit einer grundlegenden Reform des Verfahrens erheblich reduziert werden.“

Große Auftraggeber nutzen Sonderregelungen

Gesamtmetall hat eine Ausgleichsvereinigung gegründet, die für die Arbeitgeber in dieser Branche die Abrechnung gegenüber der KSK übernimmt. Es gebe aber auch dort große bürokratische Schwierigkeiten, sie seien nur eine Notlösung. Die Ausgleichsvereinigungen entrichten mit befreiender Wirkung die Künstlersozialabgabe und die Vorauszahlungen.

Die Vereinigungen vereinbaren mit der KSK Abgaben, deren Höhe in gewissen zeitlichen Abständen überprüft werden und sich an den Abgabepflichten der einzelnen Unternehmen orientieren. Die KSK behält das Recht zu stichprobenweisen Prüfungen. Ziel der KSK ist dabei, die Abgabengerechtigkeit zu wahren, aber den bürokratischen Aufwand für die Unternehmen zu reduzieren. (Es scheint also Einigkeit darüber zu bestehen, dass der bürokratische Aufwand tatsächlich erheblich ist.)

Die Berechnungsgrundlage für die Abgaben kann innerhalb einer Ausgleichsvereinbarung abweichend vom Gesetz auf der Grundlage anderer Berechnungsgrößen ermittelt werden. Die Vereinbarung muss durch das Bundesversicherungsamt genehmigt werden. Abgabepflichtige Selbstständige und kleine Unternehmen können von solchen Regelungen nicht profitieren.

Insgesamt gibt es rund 64 solcher Ausgleichsvereinigungen, in denen teils hunderte von Verwertern organisiert sind. Von ihnen werden nach unseren Schätzungen rund 100 Millionen Euro an Abgaben bezahlt. Das entspricht rund 40% der vereinnahmten Künstlersozialabgabe. Die Bürokratiekosten sollten hier deutlich unter denen des Durchschnittsvermittlers liegen, denn Sinn der Vereinigungen ist ja gerade die Senkung dieser Kosten.

Zahl der Kontrollen von 70.000 auf 400.000 erhöht

Die Künsterlsozialversicherung wurde 1983 eingeführt. Seitdem ist die Zahl der Versicherten immer weiter gestiegen, in den letzten 20 Jahren (von 1995 bis 2015) hat sie sich von 82.000 auf 184.000 mehr als verdoppelt. Mittlerweile fallen gut 100 Berufe unter den Oberbegriff „Künstler und Publizist“. Die Versicherten zahlten im Jahr 2014 460 Millionen an Beiträgen, die Kunden wie bereits erwähnt 260 Millionen und der Bund noch einmal 185 Millionen Euro.

Auf einen Gesetzesentwurf von Andrea Nahles hin hatte die Bundesregierung 2014 beschlossen, die Finanzierung der KSK durch schärfere Kontrollen bei den abgabepflichtigen Unternehmen zu sichern. Geplant waren dabei laut taz rund 400.000 statt bisher 70.000 Kontrollen pro Jahr.

Bisher hatten sich viele kleine Unternehmen ihrer Abgabepflicht entzogen (bzw. gar nichts von ihr gewusst). Die Reform sorgt nach Meinung von Ministerin Nahles künftig für Abgabegerechtigkeit: „Mit dem neuen Prüfmodell machen wir die soziale Sicherung von Künstlern und Publizisten zukunftsfest und vermeiden gleichzeitig unnötige Bürokratie für kleine Unternehmen“, sagte die Ministerin damals. Mit der Reform der KSK war 2014 auch die Bagatellgrenze von 450 Euro eingeführt worden. In der vorherigen Legislaturperiode war die schon lange angestrebte Reform am Widerstand der FDP gescheitert.

Die Kontrollen erfolgen im Rahmen der alle vier Jahre stattfindenden Arbeitgeberprüfungen durch die DRV, bei denen eine KSA-Meldung für die letzten vier Jahre vorzulegen ist. Zudem erhielt die KSA durch das Gesetz ein eigenes Prüfrecht, mit dem bei einem konkreten Verdacht (etwas aufgrund von Kontrollmitteilungen aus Prüfungen von Künstlern und Publizisten) selbst Auftraggeber prüfen kann.

Fazit: Mehr als nur das übliche Sommertheater

Die Notwendigkeit einer KSK-Reform wurde in den vergagenen Jahren immer wieder thematisiert und sorgt vor allem in der Sommerpause für heftige Diskussionen in beiden Lagern. Neu ist aber die verschärfte Prüfpraxis der DRV - durch sie dürfte sich der seit Jahren schwelende Konflikt erheblich verschärfen.

Was haltet ihr von dem Vorschlag, in Rechnungen auf die Abgabepflicht hinzuweisen und die Abgabepflicht auf Leistungen derjenigen zu beschränken,  die tatsächlich von der KSK profitieren? Wäre ein Abführen der KSA direkt durch die Auftragnehmer praktikabel? Wir sind gespannt auf Eure Kommentare!

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