Im Oktober 2014 berichteten wir unter dem Titel „Regeln gegen die Scheinselbstständigkeit: So schwammig, dass nicht einmal der Bundestag es schafft, seine eigenen Gesetze einzuhalten“ über mehrere Verfahren gegen die Bundestagsverwaltung wegen Beschäftigung von Scheinselbstständigen.
Wer sich dafür interessiert, wie die Sache ins Rollen kam, sollte die jetzt von der Bonhoff-Stiftung veröffentlichte Fallstudie über Daniel Moucha lesen. Die Stiftung untersucht Fälle von extrem bürokratischem Verhalten und beschreibt die Vorgänge auf sachlich-neutrale Art und Weise.
Bundestagsverwaltung hatte Umsatzsteuerpflicht falsch eingeschätzt und freie Mitarbeiter dann im Stich gelassen
So viel sei verraten: Anlass der für die Bundestagsverwaltung außerordentlich peinlichen Entwicklung war nicht die Unzufriedenheit der Mitarbeiter mit der offenbar vorhandenen starken Eingliederung in die Organisation des Auftraggebers (die später auch im Rahmen eines internen Prüfungsberichts bestätigt wurde) und auch nicht der Wunsch, eine Anstellung zu erhalten. Auslöser war vielmehr ein ganz anderer Sachverhalt: Die Bundestagsverwaltung hatte die 170 freien Mitarbeiter bei einem Thema im Stich gelassen , bei dem wie bei der Scheinselbstständigkeit große Rechtsunsicherheit in Verbindung mit hohen potenziellen Nachzahlungen besteht.
Die Rechnungsstellung der freien Mitarbeiter erfolgte derart, dass der Bundestag ein Rechnungsformular vorgab, auf der keine Position „Umsatzsteuer“ aufgeführt war, weil die Verwaltung und in der Folge auch die Mitarbeiter davon ausgingen, dass es sich um eine umsatzsteuerfreie Lehr- und Dozententätigkeit handelte. Als dann das Finanzamt kam und von Moucha und zahlreichen seiner Kollegen über Jahre hinweg die nachträgliche Entrichtung der enthaltenen Umsatzsteuer verlangte, lies die Bundestagsverwaltung - trotz nicht gerade üppiger Honorare - ihre freien Mitarbeiter alleine. Auf dem Rechnungsformular stand schließlich auch, dass sie für die Versteuerung ihrer Einnahmen alleine verantwortlich seien.
Moucha wendete sich mit dem Problem an den Ältestenrat des Bundestags, der ihm den Rat gab, ein Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung zu beantragen, womit die Lawine ins Rollen kam. Gleichzeitig wurde Daniel Moucha mitgeteilt, dass seine Dienste im Bundestag nicht weiter benötigt wurden...
Wir meinen: Wer sich als Auftraggeber Mitarbeitern gegenüber so verhält, muss sich nicht wundern, wenn diese dann ihrerseits unkooperativ sind.
Rechtsunsicherheit schadet sowohl Selbstständigen als auch "echten" Scheinselbstständigen
Ein Happy-end gibt es bei dieser Geschichte keines: Ähnlich wie die Deutsche Rentenversicherung (DRV) verfügt auch der Bundestag über tiefe Taschen, wenn es darum geht, langwierige Sozialgerichtsverfahren zu führen. Angesichts der großen Rechtsunsicherheit kann man gegenüber solchen Institutionen eigentlich nur verlieren.
Das ist der Grund, warum sich Daniel Moucha seit deren Gründung im Februar in unserer Arbeitsgruppe Scheinselbstständigkeit für mehr Rechtssicherheit beim Thema Scheinselbstständigkeit engagiert.
Die Bonhoff-Stiftung kommt in ihrer Fallstudie übrigens zu dem folgenden Fazit: „Angesichts der Tatsache, dass die Bundestagsverwaltung im Gegensatz zu tausenden kleinen und mittelständischen Unternehmen alle erforderlichen Mittel, Sachverständigen sowie die nötige Zeit und Erfahrung hat und dennoch die Scheinselbstständigkeit nicht klar vermeiden konnte, stellt sich die Frage: Wie aber sollen die kleinen Unternehmen es denn können? Hier besteht dringender Handlungsbedarf um die praktischen Rechtsunsicherheiten zu beseitigen.“
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