(Update vom 28.03.17) Nach einem Bericht des Spiegel hat die Pilotenvereinigung Cockpit die Deutsche Rentenversicherung (DRV) aufgefordert, die Ryanair-Piloten als Scheinselbstständige zu klassifizieren. Am 30. März 2017 werden sich Vertreter von DRV und Cockpit mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles treffen.
Sollte die DRV Ryanair-Piloten als scheinselbstständig einstufen, hat Cockpit angekündigt, Anzeige bei der Agentur für Arbeit zu stellen, denn diese muss den Einsatz von Leiharbeitern stoppen, wenn er nicht rechtmäßig ist.
Der erste Konflikt, bei dem auf das neue "Werkvertragsgesetz" verwiesen wird
Es handelt sich um den ersten Konflikt, bei dem man sich auf das neue "Werkvertragsgesetz" beruft, das am 1. April, also Samstag dieser Woche, in Kraft tritt. Wenn die Vorwürfe in der ARD-Reportage über Ryanair stimmen (siehe unten), bestehen in diesem Fall berechtigte Zweifel, dass es sich bei den Piloten nach deutschem Recht um Selbstständige handelt. Der Spiegel zitiert Professor Gregor Thüsing von der Universität Bonn wie folgt: "Viele Merkmale ihrer Beschäftigung deuten darauf hin, dass sie de facto wie Arbeitnehmer eingesetzt werden."
Unklar ist uns, inwiefern die DRV bei einem Treffen mit der Ministerin unmittelbar eine Aussage zur Selbstständigkeit der Piloten machen kann, da einer solchen Feststellung normalerweise eine Betriebsprüfung oder eine längere, von Auftraggeber oder -nehmer angestoßene Statusfeststellung vorausgeht. Möglicherweise wurden solche Verfahren aber in der Vergangenheit bereits durchlaufen.
Ryanair steht kurz davon, sein Flugangebot in Deutschland auszubauen. Heute morgen startete der erste Flug von Deutschlands größtem Flughafen Rhein/Main. Den Umsatz in Deutschland möchte Ryanair verdreifachen. Momentan beträgt der Marktanteil in Deutschland rund 10 Prozent.
Reportage über angeblich scheinselbstständige Piloten bei Ryanair
Ryanair ist nach Passagierzahlen inzwischen größer als Lufthansa, Airfrance oder British Airways. Durch Verzicht auf Luxus, schnelle Umlaufzeiten und zusätzlichen Einnahmequellen kann der Billigfliger geringere Preise anbieten und setzt die Wettbewerber unter Druck, es ihm gleich zu tun.
Anteil an den günstigen Preisen hätten auch kreative Beschäftigungsmodelle, die zwar laut Ryanair nach irischem Recht legal sind, aber mit hunderten von Pilotenfirmen und europäischen Betriebsstätten einhergehen. Das macht die WDR-Reportage „Story im Ersten: Profit. Auf Kosten aller?“ dem irischen Unternehmen zum Vorwurf. (ARD am Montag, 20.03.17, 22:45 Uhr bzw. ARD-Mediathek)
Staatsanwaltschaft hat Ryanair-Basen durchsucht, ermittelt wird aber gegen Piloten und Vermittler
Im vergangenen Juli hat die deutsche Staatsanwaltschaft dazu Ryanair-Basen an mehreren deutschen Flughäfen durchsucht. Auch in Italien, Frankreich und Großbritannien sei Ryanair „im Visier“. Die Ermittlungen richteten sich jedoch nicht gegen die Fluggesellschaft selbst, sondern gegen Personaldienstleister und die selbstständigen Piloten, die wiederum - laut Reportage - relativ arglos auf von Ryanair vorgegebene Strukturen und steuerliche Gestaltungen vertraut haben.
Der - anhand zahlreicher Belege vorgebrachte - Vorwurf ist hier also Scheinselbstständigkeit. Die These ist, dass die selbstständigen Piloten aufgrund ihrer Unsicherheit auch im Krankheitsfall arbeiten und dadurch nicht nur sich selbst gefährnden, sondern auch ein Risiko für die Flugsicherheit darstellen. Politik und Behörden würden nicht genug gegen die Scheinselbstständigkeit tun.
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