Die von VGSD-Mitglied Vera Dietrich im Frühjahr 2018 initiierte Bundestagspetition gegen Abmahnmissbrauch führte dazu, dass das Justizministerium an einem „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ arbeitet.
Vera engagierte sich, weil sie selbst mit einer Klage zu kämpfen hat: Sie ist nebenberuflich selbstständig und verkaufte Textilien über DaWanda, dem früheren Online-Marktplatz für Handgemachtes. Dabei wurde sie Opfer des Abmahnvereins IDO, gegen den sie jetzt einen Prozess führen muss. Wir haben sie zum aktuellen Status von Klage und Gesetz befragt:
Durch deine Petition letztes Jahr kam es zu einem Gesetzgebungsverfahren, dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs. Wie ist der Status, es war länger nichts darüber in der Presse zu lesen, oder?
Grundsätzlich gibt's seit Oktober nichts Neues. Zur Zeit hängt die Sache bei den Berichterstattern der Fraktionen, die die Ergebnisse der Beratungen des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz und entsprechende Änderungen im Gesetzentwurf verhandeln.
Nach der Sitzung des Rechtsausschusses im Oktober hatte ich Pressemitteilungen an einen größeren Verteiler verschickt und dabei auch auf eine aktuelle change.org-Petition einer Berliner Händlerin aufmerksam gemacht. Daraufhin haben sich Süddeutsche Zeitung (SZ) und Bonner Generalanzeiger gemeldet und Beiträge veröffentlicht: Hier ist der vom Generalanzeiger, hier von der SZ. Das war meines Wissens nach die letzte Presseberichterstattung zum Thema.
Du bist ja selbst Betroffene und hast dich vor Gericht mit dem Abmahnverein IDO auseinandergesetzt. Wurde das zu deinen Gunsten entschieden?
Der Verband IDO zerrt mich nun wegen eines Bagatellverstoßes im sogenannten Hauptsacheverfahren erneut vor Gericht, nachdem er das Eilverfahren in der zweiten Instanz vor dem Oberlandesgericht Köln verloren hat. Es hatte sich gezeigt, dass die vorgelegten Mitgliederlisten des Verbandes nicht wahrheitsgemäß waren. Dies hat Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln wegen Falschaussage an Eides statt und Betrug nach sich gezogen, die noch andauern. Auch hierüber hat der Bonner Generalanzeiger berichtet.
Du hast zwei Stellungnahmen zu dem Gesetzesentwurf geschrieben, die vom VGSD und befreundeten Berufsverbänden mitgezeichnet wurden. Welche Forderungen liegen dir dabei besonders am Herzen?
- Eliminierung der finanziellen Anreize für missbräuchliche Abmahnungen durch ein Notice-and-Take-down Verfahren für Bagatellverstöße, bei dem die erste Abmahnung bei einem Verstoß nicht mit Abmahngebühren und einer Vertragsstrafen-Verpflichtung verbunden sein darf, wenn der Verstoß innerhalb einer kurzen Frist abgestellt wird. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die meisten Verstöße unbeabsichtigt sind und bei einem entsprechenden Hinweis von dem Unternehmen sofort abgestellt werden, ohne dass dafür Rechtsanwälte und Gerichte bemüht werden müssen.
- Einführung eines Online-Melderegisters für Abmahnungen beim Bundesamt für Justiz, bei dem mit einem zeitlichen Aufwand von rund 5 Minuten Abmahnungen gemeldet werden. Dies wäre ein wichtiges staatliches Kontrollinstrument, um Akteure, die Abmahnungen als Geschäftsmodell betreiben, zu identifizieren und zu sanktionieren. Leider hat der Staat in der Vergangenheit und auch aktuell aufgrund der im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen absolut keine Informationen über das Abmahngeschehen. Die mit einem Online-Melderegister verbundene Transparenz würde erhebliche Anreize zu rechtskonformen Verhalten setzen und die Unternehmen und Gerichte von tausenden missbräuchlicher Abmahnungen jährlich entlasten.
- Verstöße gegen die DSGVO sollten nicht wettbewerbsrechtlich abmahnfähig sein, sondern auf der Grundlage der entsprechenden Regelungen der DSGVO geahndet werden.
Spiegeln sich diese Forderungen im Gesetzesentwurf wieder? Welche Partei unterstützt welche Forderungen?
Das Notice-and-Take-down Verfahren wurde im Regierungsentwurf für Abmahnungen von Mitbewerbern bei Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten eingeführt, sowie für DSGVO-Verstöße von Kleinunternehmen und Vereinen.
Verbände bzw. Abmahnvereine dürfen diese Verstöße, auf die der überwiegende Anteil missbräuchlicher Abmahnungen entfällt, jedoch weiterhin massenhaft abmahnen. Gleichzeitig greifen die im Gesetzentwurf vorgesehene Maßnahmen zur Kontrolle der Verbände zu kurz, weil diese lediglich auf Selbstauskünften der Verbände beruhen. Es liegt auf der Hand, dass Selbstauskünfte kein wirksames Kontrollinstrument für Verbände sein können, die die Staatsanwaltschaften wegen Falschaussage an Eides statt bzw. Betrug beschäftigen.
Daher fordern wir ein Online-Melderegister für Abmahnungen, dieser Forderung haben sich die Grünen angeschlossen. Der Vorschlag eines Notice-and-Take-down Verfahrens für alle Abmahnungen wird von der FDP-Fraktion propagiert, allerdings sollen hier bei der ersten Abmahnung Vertragsstrafenforderungen vereinbart werden können unter der Voraussetzung, dass eine absolute Kongruenz zwischen Abmahntatbestand und Unterlassungserklärung hergestellt wird.
Gibt es zum Thema Positionspapiere von anderen Verbänden oder Institutionen? Wie unterscheiden sich diese?
Es existieren eine Vielzahl von Positionspapieren und Stellungnahmen. Allein zum Referentenentwurf wurden nach meinen Informationen um die hundert Stellungnahmen eingereicht. Auch die Argumentationen gehen dabei recht weit auseinander, dies ist häufig auch durch die unterschiedlichen finanziellen Interessen bedingt. Unseren Forderungen haben sich etwa zwei Dutzend Wirtschafts- und Berufsverbände angeschlossen. Unserem Vorschlag, ein Online-Melderegister einzuführen, hat sich gerade letzte Woche mit dem Bundesverband der Mittelständischen Wirtschaft (BMVW) ein großer und einflussreicher Verband angeschlossen. Auch der renommierte Wettbewerbsrechtler Prof. Köhler hat in der Anhörung vor dem Rechtsausschuss im November 2019 diesen Vorschlag ausdrücklich unterstützt.
Wie siehst du die Chancen, dass es 2020 ein wirksames Gesetz gibt? Was kann man tun, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen?
Nach der Anhörung im Ausschuss für Recht- und Verbraucherschutz im November 2019 soll das Gesetz nun erneut überarbeitet werden. Es ist davon auszugehen, dass das Gesetz in diesem Jahr kommt - ob es den Missbrauch wirksam bekämpft und verhindert, wird von der finalen Ausgestaltung abhängen. Das kann ich im Moment noch nicht abschließend sagen.
Um den politischen Handlungsdruck sichtbar zu machen, wäre es sinnvoll, wenn Unternehmer*innen den lokalen Bundestagsabgeordneten ihres Wahlkreises eine E-Mail schreiben (die Abgeordneten können nach Postleitzahl auf der Website des Bundestages recherchiert werden) und sich unseren Forderungen anschließen. Da Politiker häufig sehr weit von der Lebenswirklichkeit eines Unternehmers entfernt sind, ist es auch wichtig, die teilweise existenzielle Bedrohung, die von Abmahnungen ausgeht, deutlich zu machen – möglicherweise durch eine kurze (!) Schilderung eigener Erfahrungen mit einer Abmahnung.
Danke, Vera, für dieses detaillierte Update, und viel Erfolg für dein Engagement!
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