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Längere Fristen und Verwaltungsvereinfachung geplant Gründungszuschuss und Arbeitslosenversicherung für Selbstständige soll attraktiver werden

Arbeitslose sollen mehr Zeit bekommen, den Gründungszuschuss zu beantragen und nach der Gründung der freiwilligen Arbeitslosenversicherung beizutreten. Der Antrag auf die Verlängerung des Gründungszuschusses soll entfallen. Geplant hatte die Regierung mehr.

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Als Selbstständige/r wirst du vielleicht gelegentlich gefragt: Wie funktioniert das mit der Gründung? Welche Hilfen gibt es? Und was passiert, wenn die Selbstständigkeit kein Erfolg ist? Deine eigene Gründung ist wahrscheinlich schon eine Weile her, ebenso wie die Verschlechterungen für Gründende in den Jahren 2010 bis 2012, die zur Gründung des VGSD geführt haben. Aber: Seitdem hat sich bei der Förderung von Gründern auf Bundesebene nur wenig geändert. Erstmals steht jetzt eine, wenn auch sehr überschaubare, Verbesserung an.

Drei Änderungen geplant

Das geplante SGB-III-Modernisierungsgesetz, mit vollem Namen "Gesetz zur Modernisierung der Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung", sieht zwei Veränderungen beim Gründungszuschuss und eine bei der Arbeitslosenversicherung für Selbstständige vor:

  • Für Arbeitslosengeld-I-Bezieher sollen künftig bei Antragstellung 90 Tage Restanspruch statt bisher 150 Tage ausreichen, um Gründungszuschuss zu beantragen. Das heißt: sie können ihn bis zu drei Monate vor Auslaufen des Arbeitslosengelds stellen.
  • Der Gründungszuschuss besteht aus zwei Phasen: In den ersten sechs Monaten erhalten die Gründer/innen weiterhin das Arbeitslosengeld I ausgezahlt, müssen sich aber selbst sozialversichern, dafür erhalten sie eine monatliche Pauschale von 300 Euro. Die zweite Phase dauert neun Monate, in ihr erhalten sie nur noch die 300 Euro monatlich. Bisher muss die zweite Phase separat beantragt werden. Nicht wenige Gründer versäumen dies vor lauter Arbeit. Künftig soll der Verlängerungsantrag entfallen, die zweite Phase beginnt dann automatisch zu laufen. Der Gesetzgeber spricht von einer "Zusammenlegung der Förderphasen". Diese ist zunächst auf zwei Jahre befristet.
  • Nach ihrer Gründung sollen Selbstständige (die zuvor angestellt waren bzw. Arbeitslosengeld I bezogen haben) sechs statt drei Monate Zeit haben, um über den Eintritt in die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige zu entscheiden, mit der sie ihren nach dem Bezug von Gründungszuschuss verbleibenden Anspruch auf Arbeitslosengeld I vor einer Verjährung schützen bzw. einen neuen Anspruch aufbauen können, wenn er durch den Bezug des Gründungszuschusses aufgebraucht wurde. (Der Bezug von Gründungszuschuss wird auf den ALG-I-Anspruch angerechnet.)

Was bedeuten diese Änderungen praktisch für den Gründungszuschuss?

Die meisten Arbeitslosen haben Anspruch auf zwölf Monate Arbeitslosengeld. Wer selbst gekündigt oder einem Aufhebungsvertrag zugestimmt hat, erhält eine Sperrzeit von drei Monaten, während der er keine Leistungen erhält. Danach hat er nur noch neun Monate Restanspruch auf ALG I. Will er bisher Gründungszuschuss beantragen, müssen zum Gründungszeitpunkt noch fünf Monate (150 Tage) übrig sein. Er muss sich dann innerhalb der ersten vier Monate ALG-I-Bezug entscheiden. Künftig hätte er in diesem Fall sechs Monate Zeit.

Wenn man als Arbeitsloser die Frist voll ausschöpft, kann man dem ALG-I-Bezug um bis zu drei Monate verlängern. Drei Monate Restanspruch sind zum Gründungszeitpunkt nötig, dafür erhält man sechs Monate Gründungszuschuss in gleicher Höhe.

Besteht die Gefahr eines Missbrauchs? Theoretisch ja. Andererseits: So hoch ist das Arbeitslosengeld nicht im Vergleich zu dem, was man verdienen könnte. Im Lebenslauf macht es sich auch nicht gut. Bei den meisten Menschen ist deshalb der Anreiz hoch, schnell wieder erwerbstätig zu werden. Das Überbrückungsgeld, Vorgänger des Gründungszuschuss, wurde neun Monate lang in Höhe des Gründungszuschusses bezahlt und überhaupt nicht mit dem Arbeitslosengeld I verrechnet. Man hätte theoretisch 12 + 9 = 21 Monate Arbeitslosengeld I bzw. Gründungszuschuss beziehen können. Der Missbrauch hielt sich trotzdem in engen Grenzen. Vielmehr gab der bei Gründung verbleibende, nicht genutzte Restanspruch ein Gefühl von Sicherheit: Wenn es mit der Gründung nicht klappt, dann habe ich ja noch Anspruch auf Arbeitslosengeld und kann mir mit dieser Rückendeckung eine neue Anstellung suchen!

Eine Versicherung voller Webfehler

Mit der Einführung des Gründungszuschusses im Jahr 2006 und der Verrechnung des Restanspruchs fiel dieses Auffangnetz weg, an seiner Stelle wurde die freiwillige Arbeitslosenversicherung eingeführt, die den Aufbau eines neuen Arbeitslosengeldanspruchs ermöglicht. Anfangs war sie so populär, dass nicht nur Gründer, sondern auch Selbstständige Schlange standen, um aufgenommen zu werden. Über Nacht wurden dann die bereits Selbstständigen ausgesperrt, Gründer müssen seitdem innerhalb von drei Monaten über den Eintritt entscheiden. Eine kurze Zeit in einer Phase, in der man so viel anderes zu tun hat! Trotzdem nutzten anfangs viele Gründer diese Absicherungsmöglichkeit.

Dann aber wurde der Arbeitslosenversicherungs-Beitrag für Selbstständige in zwei Schritten vervierfacht. Bis heute erhalten formal weniger qualifizierte Selbstständige bei gleicher Beitragshöhe weniger Arbeitslosengeld als solche mit höherem Abschluss. Der Unterschied zum Arbeitslosengeld II ist dadurch für sie so gering, dass sich die Beiträge oft kaum lohnen. Eine offensichtliche Ungerechtigkeit, die seit mehr als 16 Jahren besteht. Es ist unverständlich, dass sie mit der jetzigen Gesetzesänderung nicht beseitigt wird.

Das ist aber nicht die einzige Schlechterbehandlung von Selbstständigen. Sie zahlen gleich hohe Beiträge wie Angestellte und deren Arbeitgeber zusammen, erhalten aber anders als diese im Fall einer Krise kein Kurzarbeitergeld. Angestellte dürfen sich beliebig oft arbeitslos melden, Selbstständige fliegen aus der freiwilligen Arbeitslosenversicherung, wenn sie das zwei Mal tun, egal wie kurz.

In der Coronakrise zeigte sich der Reformbedarf deutlich

In der Coronakrise wurde noch ein weiterer Webfehler deutlich, obwohl bei diesem Selbstständige und Angestellte auf den ersten Blick gleich behandelt werden: Wer während der Arbeitslosigkeit 15 Stunden oder mehr arbeitet, erhält kein Arbeitslosengeld I mehr und ist auch für das Arbeitslosengeld II gesperrt. Der Unterschied liegt hier in der Erwerbssituation: Angestellte erhalten ab der ersten Arbeitsstunde ein Gehalt. Selbstständige mussten in der Krise arbeiten, um ihren Verlust möglichst gering zu halten und nicht alles zu verlieren, was sie aufgebaut hatten. Auch wenn sie damit keinen Gewinn erzielten, sondern nur die Verluste gering halten wollten, flogen sie dann aus dem ALG-I-Bezug. Und waren übrigens gleich noch für das Arbeitslosengeld II gesperrt. Andere Umstände, gleiche Regeln: auch das kann ungerecht sein.

Das hatte sich die Ampel zur Arbeitslosenversicherung für Selbstständige eigentlich vorgenommen

Man sieht: Der Gesetzgeber hätte eigentlich eine Menge Gründe für eine größere Reform gehabt. Als vor drei Jahren der Koalitionsvertrag geschlossen wurde, hatte man dementsprechend noch ganz andere Pläne:

"Durch einen erleichterten Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung unterstützen wir auch Selbstständige sowie Gründerinnen und Gründer. Wir prüfen dabei, ob und wie ein Zugang ohne Vorversicherungszeit möglich ist. Wer als Geschäftsführerin oder Geschäftsführer in einer GmbH (etc.) tätig war und dafür Beiträge entrichtet hat, sollte Anspruch auf Arbeitslosengeld haben." (2269 ff.)

Der zweite und dritte Satz des Koalitionsvertrags wird vom aktuellen Gesetzesentwurf ignoriert. Satz 2 war als Lehre aus der Corona-Krise in den Koalitionsvertrag gekommen, weil insbesondere die SPD der Meinung war, dass Selbstständige mit einer Arbeitslosenversicherung in dieser Krise besser abgesichert gewesen wären. Tatsächlich geholfen hat die Arbeitslosenversicherung den Versicherten damals wegen der oben beschriebenen Webfehler wenig, weshalb man unbedingt auch diese hätte beseitigen müssen. Statt dessen sieht das Gesetz nur eine minimale Verbesserung vor.

Zum Thema Gründungsförderung hieß es im Koalitionsvertrag:

"Wir stärken die Start-up- und Gründerförderung. Wir werden Gründungen aus allen Lebenslagen und eine Kultur der zweiten Chance unterstützen und dafür ein neues Förderinstrument schaffen, das auch für Unternehmensnachfolgen offensteht. Wir verabschieden eine umfassende Start-up-Strategie."

Die Start-up-Strategie wurde tatsächlich verabschiedet und vor einem Monat zwölf Milliarden Euro für die Start-up-Finanzierung bis 2030 im Rahmen der WIN-Initiative beschlossen.

Für eine neue bundesweite Gründungsförderung, die über den bisherigen Gründungszuschuss hinausgeht und nicht nur bei Arbeitslosigkeit, sondern in allen Lebenslagen zugänglich ist, gibt es nach drei Jahren Ampel-Regierung noch nicht einmal ein Konzept (dabei fragen wir regelmäßig nach…). Von einer Kultur der zweiten Chance wurde viel gesprochen – auch als Lehre aus der Corona-Krise, die viele unverschuldet ihre Existenz und Altersvorsorge gekostet hat. Auch hier gibt es kein Konzept.

Übrigens: Als ich mich vor gut 21 Jahren selbstständig gemacht habe, betrug die Pauschale beim Gründungszuschuss auch schon 300 Euro. Meine Kranken- und Pflegeversicherung kostete damals aber weniger als die Hälfte. Man hätte so viel mehr tun können…

1.600 geförderte Gründungen zusätzlich pro Jahr erwartet

Wird die Zahl der Gründungen durch die geplante Gesetzesänderung zunehmen? Die Autoren des Gesetzesantrags gehen von einem Anstieg der Förderanträge um 10 Prozent aus. Bei 16.000 geförderten Gründungen bedeutet das eine Zunahme um 1.600 pro Jahr. Zum Vergleich: Vor 20 Jahren im Jahr 2005 wurden noch 240.000 Gründungen mit dem Zuschuss gefördert. Um wieder auf diese Größenordnung zu kommen, bräuchte es weitere 139 Gesetzesänderungen, die in jeweils 1.600 zusätzlichen Gründungen pro Jahr resultieren…

Für die Prüfung der Anträge und zugehörigen Businesspläne werden übrigens 1,5 Stunden Arbeitszeit geschätzt (für das Schreiben „mindestens zehn“, was eine krasse Unterschätzung sein dürfte). Die Arbeitsersparnis durch den Verzicht auf eine Prüfung der zweiten Förderphase (geschätzt mit je 45 Minuten) ist aufgrund der höhere Fallzahl weitaus höher, unter dem Strich bleibt also eine Zeitersparnis.

Auch wenn das Gesetz also weit hinter dem eigentlich Notwendigen und auch dem eigenen Anspruch der Ampel zurückbleibt, so ist es doch zumindest eine kleine Verbesserung, für deren Umsetzung wir uns einsetzen (und es gibt durchaus Kräfte, die auch diese kleine Veränderung verhindern wollen). Ein Wahlkampfhit, um im anstehenden Bundestagswahlkampf Stimmen von Gründern und Selbständigen zu gewinnen wird die Änderung allerdings vermutlich nicht werden. Was meinst du?

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