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Neuer Vorschlag zur EU-Plattformrichtlinie Einigung der Mitgliedstaaten wird wahrscheinlicher

In den festgefahrenen Streit um eine europäische Richtlinie zur Plattformarbeit kommt wieder Bewegung: Schweden hat im Rat einen neuen Vorschlag vorgelegt. Dieser enthält einen umgestalteten Kriterienkatalog – und könnte in eine Einigung münden.

Es kommt wieder Bewegung in die Sache: EU-Fahne vor einem Gebäude

Gerade noch sah es nach einer zähen Hängepartie aus: Im Dezember ließen mehrere EU-Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – eine Einigung der Mitgliedstaaten auf einen Ratsentwurf zur geplanten EU-Richtlinie zur Plattformarbeit platzen. Die Stimmung soll sehr angespannt gewesen sein, als der unter tschechischer Ratspräsidentschaft eingebrachte Entwurf scheiterte, und Beobachter spielten in Gedanken schon mehrere kommende Ratspräsidentschaften durch, unter denen sie keine Einigung erwarteten.

Einigung scheint möglich

Vom Ministerrat der Europäischen Union hängt es derzeit ab, wann es im Gesetzgebungsverfahren zur geplanten Richtlinie zur Plattformarbeit weitergehen kann: Den Gesetzesentwurf der Kommission gibt es seit Dezember 2021. Das Europäische Parlament hat seinen Entwurf Anfang des Jahres beschlossen. Nun braucht es eine Position des Ministerrates, damit die Trilogverhandlungen von Kommission, Parlament und Rat beginnen können. Im Trilog wird dann die endgültige Fassung der Richtlinie gefunden.

Aus Sicht von (Solo-)Selbstständigen ist wichtig, dass die Definitionen und Kriterien nicht so weit gefasst sind, dass auch "echte" Selbstständige Gefahr laufen, als Plattformbeschäftigte zu gelten und als scheinselbstständig eingestuft zu werden. Insbesondere der Parlamentsentwurf für die Richtlinie geht dabei sehr weit. Auch die zur Begründung für die Richtlinie herangezogenen Zahlen, die von möglicherweise bis zu 5,5 Millionen Scheinselbstständigen ausgehen, sind äußerst wacklig. In Deutschland bremst deshalb vor allem die FDP bei dem Richtlinien-Vorhaben im Interesse von Solo-Selbstständigen.

Kritik von beiden Seiten

In der ersten Jahreshälfte 2023 hat Schweden die Präsidentschaft im Ministerrat inne. Bisher galt Schweden als ausgesprochener Gegner der Plattformrichtlinie. Doch nun hat das Land im Ministerrat einen neuen Entwurf eingebracht, der offenbar als sehr konstruktiv wahrgenommen wird. Eine Einigung gegen Ende der schwedischen Ratspräsidentschaft im Juni scheint nun wieder möglich.

Die Schwierigkeit bei der Suche nach dem Kompromiss: Die bisherigen Entwürfe werden von zwei Seiten kritisiert. Die zwei wichtigsten Elemente des Gesetzesvorhabens sind eine Vermutungsregelung, dass Plattformbeschäftigte unter bestimmten Voraussetzungen Angestellte sind, und Vorschriften für die Überwachung von Arbeit mit Hilfe von Algorithmen. Vor allem das erste Element ist hoch umstritten. Während einigen Mitgliedstaaten die bisherigen Vorschläge zu weit gingen, lehnen andere sie ab, weil sie ihnen nicht weit genug gehen.

Deutschland kann keine Position ergreifen

Im Kommissionsentwurf waren in Artikel 4 fünf Kriterien für die abhängige Beschäftigung vorgesehen. Bei zwei erfüllten Kriterien sollte die Beschäftigungsvermutung greifen. Der Vorschlag von Schweden im Ministerrat hat den Kriterienkatalog des Artikels 4 umgestaltet. Ein Kriterium wurde auf drei verschiedene Punkte aufgespalten, so dass ein Katalog von sieben Kriterien entstand. Die Beschäftigungsvermutung soll nun greifen, wenn drei von sieben Kriterien erfüllt sind.

Bei den Beratungen im Ministerrat kann sich Deutschland nicht einbringen – da sich die Ampel uneins ist, gibt es keine Position, die Deutschland vertreten kann. So steht Deutschland neutral zwischen den beiden Lagern. Zu den Ländern, die den Entwurf für zu weit gehend halten, gehören Frankreich, Polen, Ungarn und die baltischen Staaten. Sie kritisieren – eine Befürchtung, die der VGSD teilt – dass die Regelungen auch Selbstständige erfassen könnten, die nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer übermächtigen Plattform stehen, sondern freiwillig und gerne selbstständig tätig sind. In diesem Lager wird befürwortet, die Schwelle von drei auf vier Kriterien anzuheben.

Alternativ-Vorschlag mit weiter gehender Regelung

Auf der anderen Seite stehen Staaten im Ministerrat, die, angeführt von Spanien, auf eine weitergehende Regelung dringen. Diese Gruppe, zu der außer Spanien die Niederlande, Portugal, Belgien, Luxemburg, Rumänien, Malta und Slowenien gehören, hat einen zusätzlichen Vorschlag in den Rat eingebracht. Wichtigster Unterschied zum schwedischen Entwurf ist dabei, dass die Beschäftigungsvermutung nicht ausschließlich über die Kriterien ausgelöst werden soll, sondern auch durch eine allgemeine Klausel im ersten Absatz des Artikels 4. Diese Lösung würde also aus Sicht von Selbstständigen deutlich mehr Rechtsunsicherheit bringen.

Im Juli übergibt Schweden die Ratspräsidentschaft an Spanien - den glühendsten Verfechter einer weit reichenden Regelung. Dies dürfte die Schweden und die anderen Staaten, die an einer zurückhaltenderen Richtlinie interessiert sind, motivieren, bis Juni einen Kompromissvorschlag zu finden. Mit diesem Vorschlag könnten die Trilogverhandlungen dann noch in diesem Jahr beginnen.

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