Das Datum unseres VGSD-Diskussionsabends, der 24.4.2024, klingt schwer nach Weihnachten, dem Fest, an dem Wünsche in Erfüllung gehen. Und wohl kaum etwas wünschen Selbständige sich so sehr wie ein pralles und gleichmäßig gefülltes Auftragsbuch. In der Realität aber stapeln sich die Anfragen für denselben Termin, der sämtliche Kund:innen magisch anzuziehen scheint. Oder eine Flut von Aufträgen für denselben Monat droht dich zu überrollen, während sich dazwischen gähnende Löcher in deinem Terminkalender auftun.
In der Vorstellungsrunde stießen die 17 Teilnehmer, darunter Autor:innen, ein Dozent, ein Regisseur, Dolmetscherinnen, Trainer und Coaches, schnell auf einen entscheidenden Unterschied: Je nach Leistungsart können einige von uns dem Kunden die Termine für ihr Seminar oder die Projekterledigung selbst vorgeben. Aufträge können also gezielt besser über das Jahr verteilt werden. Andere hingegen hängen z.B. bei großen Events komplett von den Terminvorgaben ihrer Kund:innen ab. Bei mehreren Anfragen für denselben Tag oder Zeitraum können sie ihre Leistung natürlich nur einmal verkaufen. Und folglich entgeht ihnen hier auch ein wirtschaftlicher Gewinn.
Wie lässt sich dieses Dilemma lösen? Der branchenübergreifende Austausch in drei Breakout-Sessions zu den folgenden Fragen brachte Licht ins Dunkel und Ergebnisse, die wir hier gerne mit dir teilen:
Wie gehst du mit Terminüberschneidungen um?
- First come, first serve: In offener und ehrlicher Kommunikation wird Kunde Nr. 2, der warten muss, ein Alternativtermin angeboten.
- In Absprache mit der Kundin das Projekt auf das Sommerloch verschieben.
- Einfach mehr arbeiten und Wochenenden, Ferien und Privatleben opfern. In manchen Zeiten unumgänglich, aber kein Dauerzustand.
- Lieber in ehrlicher Kommunikation mit der Kundin eine Verlängerung der Deadline vereinbaren, als die Gesundheit zu ruinieren.
- Das Netzwerk einbinden und Aufträge an Kolleg:innen weitervergeben. Entweder per Untervergabe, um den Kundenkontakt selbst zu halten, oder per Weitergabe des Kundenkontakts an die Kollegin gegen Honorar als Win-Win-Situation für beide Seiten.
- Die im Netzwerk weitergegebenen und erhaltenen Aufträge dokumentieren, um über die Zeit eine gerechte Verteilung zu ermöglichen. So profitieren alle davon.
- Stark nachgefragte Tage teurer anbieten.
Wie steuerst du Auslastungsschwankungen entgegen?
- Fortlaufende Kaltakquise, um Bedarfe beim Kunden zu ermitteln und zu füllen.
- Kontakte zu Bestandskunden systematisch pflegen und neue Leistungen vorstellen.
- Neue Kundenstämme aufziehen, die saisonal antizyklisch arbeiten.
- Im Netzwerk arbeiten, ohne zu kannibalisieren. Dabei das Partnernetzwerk aktiv anfragen, wenn man selbst gerade freie Kapazitäten hat, anstatt passiv abzuwarten.
- Sommer/Winter-Specials anbieten wie z.B. die Webseite aktualisieren, Geschäftsprozesse optimieren etc.
- Digitale Produkte entwickeln, die zu allen Zeiten angeboten werden können.
- Leistungen für bestimmte Zeiträume vergünstigt anbieten.
- Um Auftragsspitzen abzufedern, Prozesse digitalisieren oder an KI outsourcen (E-Maileingang, Recherche etc.)
- Das Leistungsangebot diversifizieren und Produkte/Leistungen mit unterschiedlichen Nachfragezyklen anbieten.
Wie gehst du organisatorisch und mental mit Auftragsschwankungen um?
- Gezieltes Selbstmanagement: Feste Zeiten am Tag/in der Woche, im Jahr für Akquise einplanen; z.B. täglich eine Stunde.
- Ruhige Zeiten für Fortbildung und Optimierung betrieblicher Prozesse nutzen.
- Langzeitprojekte umsetzen.
- Auf Basis der Vorjahre Prognose für eine gezielte Jahresplanung erstellen.
- Urlaub in auftragsschwächeren Zeiten machen oder gerade dann keinen Urlaub machen, wenn alle Mitbewerber:innen am Strand liegen, um zu den wenigen verfügbaren Anbieter:innen zu gehören. Dann eventuell sogar zu einem höheren Honorar.
- Freie Zeit als Raum für Kreativität begreifen, in dem neue Ideen entstehen.
- Bewusstsein dafür stärken, dass Arbeitszeit Lebenszeit ist und Prioritäten setzen.
- Selbstreflektion betreiben: Was tue ich wann, wie und wo?
- Den Austausch mit Kolleg:innen pflegen - z.B. im VGSD - und das Gelernte dokumentieren.
Gut zusammengefasst hat die Ergebnisse unser Mitglied Markus Lempa aus Köln:
„Viele Selbständige agieren aus meiner Sicht primär als Einzelkämpfer. Dabei wäre es gerade in der heutigen Zeit wichtig, Erfolgsteams bzw. „Beutegemeinschaften“ zu bilden, um sich auch im Wettbewerb mit großen Konkurrenten zu behaupten. Gerade das systematische Weiterempfehlen, Cross-Selling und das „Öffnen von Türen“ zu Entscheidern über unser Netzwerk ist etwas, was wir alle verbessern können. Außerdem helfen solche verlängerten Wertschöpfungsketten, wenn kurzfristig Unterstützungsbedarf besteht. Nicht alles kann man an eine KI delegieren.“
Text: Ina Breuing
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