Auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Selbstständige in der SPD (AGS) durfte ich (Andreas Lutz) wie bereits angekündigt gestern abend mit Jürgen Enninger (Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft der LH München), Claudia Schlebach (IHK München und Oberbayern) und Michael Busch (Bayerischer Journalisten-Verband) diskutieren. Moderiert wurde das Podium von der Kommunikations-Expertin Kathrin Schirmer und der Innenarchitektin Renate Kürzdörfer.
Die Veranstaltung mit dem Titel “Selbständige Kreative: Reicht’s Dir?” richtete sich vor allem an Künstler und Publizisten, weshalb das erste von fünf Diskussionsthemen (und zugleich SPD-Forderungen) „Sozialversicherung für alle“ bei den Statements keine große Rolle spielten. Viele Teilnehmer sind in der Künstlersozialkasse zu besonders günstigen Konditionen pflichtversichert.
Lebendige Diskussion über Mindesthonorare
Für sehr viel mehr Diskussion sorgte die Forderung „Mindesthonorare von 25 Euro“. Die meisten in der Runde lehnten einen solchen Vorschlag ab, Michael Busch dagegen von der Gewerkschaft BJV wünschte sich angesichts extrem niedriger Honorare bei Lokalzeitungen durchaus solche Mindestsätze.
Die von mir vertretene Position: Wer in München angesichts hoher Mieten halbwegs ordentlich leben möchte, sollte auf Dauer mindestens 25 Euro/Stunde erzielen und der Staat könnte hier bei der Beschäftigung von Selbstständigen mit gutem Beispiel voran gehen, statt z.B. selbstständige Lehrkräfte mit 22 Euro pro bezahlen – inklusive Unterrichtsvorbereitung.
Trotzdem sehe ich ein branchenübergreifendes Mindesthonorar in dieser Höhe kritisch. Wer ist denn bereit, für eine Putzfrau 25 Euro zu bezahlen, zumal wenn wir nicht mehr nur über München reden? Und ist eine selbstständige Tätigkeit für 20 Euro wirklich schlechter als eine in Anstellung für 8,50 Euro? Als Selbstständiger müsste man nach der Einführung einer solchen Regelung umfangreiche Nachweise über Arbeitszeiten und Honorare führen. Werkverträge, erfolgsabhängige Preise und Preise pro Stück wären nicht mehr möglich. Ich selbst hätte wahrscheinlich nie mein erstes Buch schreiben können, weil angesichts der vielen investierten Zeit sich kein Verlag meine Arbeitszeit hätte leisten können. Es gibt also eine Vielzahl praktischer Probleme bei der Einführung.
Höhere Honorare durch Honorartransparenz, Gründer-Qualifizierung und Fachorganisationen?
Auch diese Forderungen stießen auf dem Podium überwiegend auf Ablehnung mit Ausnahme von Michael Busch vom BJV, der sich durchaus transparente Mindesthonorare für freie Journalisten wünschte, analog zu Tarifverträgen. Er wies allerdings selbst auf die Probleme hin, die sich diesbezüglich aus dem EU-Kartellrecht ergeben.
Die von mir vertretene Position: In einem kleinen Unternehmen mit wenigen Auftragnehmern könnte eine vollständige Honorartransparenz zu Neid und Unfrieden führen, von daher sollte eine solche Regelung mit Augenmaß und nur für größere Unternehmen vorgeschrieben werden, ohne Möglichkeit auf einen einzelnen zurückzuschließen. So sei das aber auch gemeint gewesen, sagten die Moderatoren daraufhin.
Bezüglich einer besseren Qualifizierung der Selbstständigen in Bezug auf die Honorarkalkulation wies ich darauf hin, dass ein eintägiges Seminar dafür nicht ausreichend ist, sondern eine individuelle Beratung oder preisgünstige Seminare nötig sind. Die Regierung aber hat das Gründercoaching Deutschland abgeschafft und auch die BAFA-Seminarförderung, die die Veranstaltung von Gründerseminaren zu einem niedrigen Tagespreis von i.d.R. deutlich unter 100 Euro ermöglicht hat.
Auch die vorgeschlagene Qualitätssicherung durch Fachorganisationen, die – ein wenig wie früher die Handwerkszünfte – ihren Mitgliedern mehr Exklusivität verschaffen und Mindesthonorare durchsetzen sollen, fand bei den Diskutanten keinen eifrigen Verfechter.
Wenn, dann auf Problembranchen beschränkt
Insgesamt zeigte sich in der Diskussion, dass vieles, was gut gemeint ist, nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Mit Hinweis auf die geplanten Regelungen zur Scheinselbstständigkeit schlug ich vor, dass – wenn man zweischneidige Maßnahmen plant wie die hier erwähnten – diese bitte auf einzelne betroffene Branchen beschänkt und dort ausprobiert. Sonst verursacht man unabhsehbare Auswirkungen in anderen, bisher gut funktionierenden Branchen – zum Schaden einer großen Zahl von Selbstständigen.
Wir hatten unsere Münchener Mitglieder angemailt und zu der Veranstaltung eingeladen. Es waren deshalb zahlreiche VGSD-Mitglieder anwesend. Vielen Dank für Eure Unterstützung und die interessanten Gespräche nach der Veranstaltung!
Weitere Fotos findet ihr in der Galerie unten. Vielen Dank an VGSD-Mitglied Thomas Dreier für die tollen Fotos!
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