Im schleswig-holsteinischen Landtag wird heute über die Ausweitung der Tourismusabgabe abgestimmt. Der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD e.V.) kritisiert die Pläne scharf. Denn die Erfahrung aus anderen Städten zeigt: Die Abgabe, die nach der Gesetzesänderung alle Orte mit „ausgeprägter touristischer Infrastruktur“ erheben können sollen, trifft vor allem auch Selbstständige und kleine Unternehmen, die mit Tourismus nichts zu tun haben.
So wirkt die Tourismusabgabe als „zweite Gewerbesteuer“. Die vielerorts seit Jahrzehnten vorhandene Infrastruktur zur Förderung des Tourismus – organisiert durch Vereine und Initiativen – wird durch ein aufgeblähtes, teures und bürokratisches System ersetzt.
Am Freitag, 27. September wird im schleswig-holsteinischen Landtag in Kiel in erster Lesung über die Ausweitung der Tourismusabgabe in Schleswig-Holstein abgestimmt. Während bis dato nur den 185 anerkannten Kur- und Erholungsorten das Recht zugebilligt wurde, eine solche Abgabe zu erheben, soll laut Gesetzentwurf die Tourismusabgabe nun auch in Städten und Gemeinden „mit einer ausgeprägten touristischen Infrastruktur und zahlreichen auswärtigen Gästen“ erhoben werden können. „Wer die Abgabe einführen will, muss nur vom Wirtschaftsminister als Tourismusort anerkannt werden“, erklärt Gerwin Müller, Mitglied der Regionalgruppe Nord im VGSD. „Nach welchen Kriterien das geschieht, ist jedoch nicht definiert.“
Neue Abgabe entsteht von der keineswegs nur Tourismusbetriebe betroffen sind
Anders als etwa bei der bekannten Kurtaxe sollen nicht Urlaubsgäste die Abgabe zahlen, sondern alle Betriebe, die – direkt oder indirekt – vom Urlaubsgeschäft profitieren. „Auf den ersten Blick scheint das gerecht“, führt Gerwin Müller aus. „Der vorliegende Entwurf ist jedoch so unpräzise gehalten, dass nahezu jeder zur Abgabe verpflichtet werden kann“. Denn laut Gesetzentwurf gehören zum Kreis der Beitragspflichtigen alle Personen und Personenvereinigungen, „denen ein wirtschaftlicher Vorteil dadurch entsteht, dass eine ausgeübte berufliche oder gewerbliche Tätigkeit durch den örtlichen Tourismus eine erhöhte Verdienst- oder Gewinnmöglichkeit erhält“.
Ergo: Nicht nur das Strandcafé oder der Andenkenladen müssen zahlen. Auch der Klempner, Rechtsanwalt oder der Webdesigner sind betroffen, selbst wenn sie keine Kunden am Ort haben. „Als Webdesigner konkurriere ich mit Agenturen in ganz Deutschland“, erzählt Gerwin Müller, „ob ich in einem touristischen Ort wohne, spielt für meine Auftragslage praktische keine Rolle.“
Auch ist strittig, ob die eingenommenen Mittel überhaupt dem Tourismus zu Gute kommen. Im Gesetz wird zwar die Tourismuswerbung genannt, weiterhin heißt es aber nur, dass die Tourismusabgabe „(...) zur Deckung von Aufwendungen für die Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung der zu kulturellen und touristischen Zwecken bereitgestellten öffentlichen Einrichtungen“ in Tourismusorten erhoben werden kann. „Im Prinzip könnte somit also auch jeder kleine Radweg finanziert werden“, warnt Gerwin Müller vor der Gefahr der Zweckentfremdung der Gelder. Denn an sich brauchen die Gemeinden und Kommunen nur den touristischen Zweck als Argument anführen, schon sind sie von ihren finanziellen Pflichten befreit.
Beispiel Heikendorf: Seit 50 Jahren bestehender Tourismusverein steht vor der Auflösung
Nicht zuletzt verursacht das Gesetz mehr Bürokratie und treibt die Kosten in die Höhe. In Heikendorf etwa kümmert sich seit 50 Jahren der „Fremdenverkehrsverein Ostseebad Heikendorf“ in größtenteils ehrenamtlicher Tätigkeit mit kleinen Zuschüssen der Gemeinde um Werbung, Zimmervermittlung, die Touristen-Information und weitere touristische Belange. Ein Verein, gegründet und finanziert von den Vermietern, ortsansässigen Betrieben, Einzelhändlern und Unternehmen.
Mit Blick auf die Tourismusabgabe und weil „es sonst keine Zuschüsse gibt“ stellte die Gemeinde inzwischen eine Fachkraft aus der Touristikbranche ein; zukünftig sollen diese Aufgaben von einem Zweckverband der Amtsgemeinden übernommen werden. Mit weiteren Angestellten in Tarifen des öffentlichen Dienstes ist daher zu rechnen. Der Verein steht jetzt vor der möglichen Auflösung. Die Kosten haben sich jetzt schon vervielfacht und werden wohl noch weiter steigen. Gerwin Müller: „Verbessert wird damit nichts – und zahlen müssen die Selbstständigen.“
Der VGSD e.V. sieht sich als Sprachrohr der Gründer und Selbstständigen ohne oder mit bis zu neun Mitarbeitern. Aufgrund ihrer Arbeitsbelastung sind diese Unternehmer in Politik und Verbänden kaum vertreten. Ziel ist, dass bei politischen Entscheidungen künftig die berechtigten Anliegen der Kleinstunternehmen stärker bedacht werden. Dieses Ziel verfolgt der Verband durch Stellungnahmen, Wahlprüfsteine, Petitionen, Briefe an Abgeordnete und zahlreiche weitere Maßnahmen. Die Mitglieder bestimmen auf der Website www.vgsd.de selbst die Ziele und Vorgehensweise des Verbands.
Ansprechpartner:
Gerwin Müller, Sprecher Arbeitskreis Tourismusabgabe im VGSD e.V.
Tel. 0431 2379896, E-Mail: gm@praesenzmanufaktur.de
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