Die große Mehrheit der Sozialrechts-Expert/innen, die in ihrer täglichen Arbeit mit Statusfeststellungsverfahren zu tun haben, halten die Deutsche Rentenversicherung (DRV) in ihren Entscheidungen für nicht unabhängig. Fast zwei Drittel geben an, dass sie öffentliche und private Auftraggeber ungleich behandelt.
Der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e. V. (VGSD) hat in Vorbereitung zu einer großen Online-Konferenz Sozialrechtsanwälte, Rentenberater, Compliance-Mitarbeiter großer Auftraggeber sowie Vertreter von Berufsverbänden zu ihren Erfahrungen mit dem Statusfeststellungsverfahren befragt. 75 Experten haben einen 31 Fragen umfassenden Fragebogen ausgefüllt. Die Teilnehmer haben in den vergangenen zwei Jahren zusammen mehr als 5.000 Statusfeststellungsverfahren betreut. Im Schnitt prüft die Deutsche Rentenversicherung (DRV) rund 20.000 Statusfeststellungsverfahren pro Jahr.
Im Statusfeststellungsverfahren entscheidet die DRV darüber, ob eine Tätigkeit als abhängige Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit eingestuft wird. Wenn die Betroffenen rechtlich gegen die Entscheidungen vorgehen, werden diese den Experten zufolge von der DRV in jedem sechsten Fall (16 Prozent) korrigiert, von Gerichten sogar in rund der Hälfte der Fälle (48 Prozent). Dabei kommt es trotz gleicher Ausgangslage oft zu widersprüchlichen Entscheidungen und in den letzten Jahren wurden immer mehr bisher zweifelsfrei Selbstständige nicht mehr als solche anerkannt, was bei den Auftraggebern zu hohen Nachzahlungen bis hin zu strafrechtlicher Verfolgung der Geschäftsführer und Vorstände führen kann. Diese Sanktionen können, insbesondere bei kleinen Auftraggebern, existenzbedrohend wirken.
Selbstständige werden in Leiharbeit gedrängt
Das Statusfeststellungsverfahren führt deshalb zu Rechtsunsicherheit bei den Selbstständigen, vor allem aber bei ihren Kunden. Als Konsequenz vergeben diese immer häufiger keine Aufträge mehr an Solo-Selbstständige, sondern stattdessen an größere Unternehmen, sie verlagern innovative Projekte ins Ausland oder versuchen die Selbstständigen in Leiharbeit zu drängen. Darunter leidet die Wettbewerbsfähigkeit der Selbstständigen: Unter Freelancern besteht inzwischen Auftragsmangel bei gleichzeitigem Fachkräftemangel. Aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der Auftraggeber leidet massiv, weil sie für eine erfolgreiche Digitalisierung und Transformation auf selbstständige Experten angewiesen sind, die das nötige Fachwissen in die Unternehmen bringen. Was nicht erreicht wird, ist dagegen eine steigende Anzahl von unbefristeten Festanstellungen!
Das Statusfeststellungsverfahren wurde im April 2022 reformiert. Eine offizielle Evaluation der Reform ist erst Ende 2025 vorgesehen. Schon jetzt ist aber offensichtlich, dass die Reform nicht die erhofften Verbesserungen gebracht hat. Im Gegenteil, wie die Befragung des VGSD zeigt. Deshalb richtet der Verband in enger Zusammenarbeit mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) am Montag, 24. Juni, eine große Online-Konferenz aus. Auf dieser stellt er die Ergebnisse der Experten-Befragung, darunter auch viele konkrete Lösungsvorschläge, vor und diskutiert sie mit rund 20 Experten, darunter die zuständigen Fachpolitiker/innen verschiedener Parteien und der Präsident des Bundessozialgerichts a. D., Professor Rainer Schlegel.
Über den Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) e. V.:
Der VGSD e. V. vertritt die Interessen von Solo- und Kleinstunternehmern, Gründern sowie Teilzeit-Selbstständigen in Deutschland. Der 2012 gegründete Verband zählt aktuell rund 5.700 Vereins- und 14.000 Communitymitglieder. Der VGSD setzt sich für Rechtssicherheit ein (in Bezug auf Scheinselbstständigkeit), für faire Sozialversicherungsbeiträge, eine sinnvolle Ausgestaltung der geplanten Altersvorsorge-Pflicht, für weniger vermeidbare Bürokratie und eine sinnvolle Gründungsförderung. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Lutz ist zugleich Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV).
Über die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV):
In der BAGSV haben sich 36 Selbstständigenverbände zusammengeschlossen. Sie sprechen gemeinsam für mehr als 100.000 Mitglieder, vor allem Solo-Selbstständige und Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitenden. Die BAGSV-Verbände stimmen sich laufend über ihre politischen Positionen und Forderungen ab und haben sich so zu einem zentralen Ansprechpartner für die Politik entwickelt, wenn es um die Interessen von Solo- und Kleinstunternehmer/innen geht.
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