Die Berechnung der Rente zu verstehen ist gar nicht so schwer. Wie bei einem Computerspiel geht es darum, Punkte zu sammeln, idealerweise auch noch Bonuspunkte und das Spiel (sprich Arbeitsleben) möglichst lange durchzuhalten. Ansonsten drohen Abschläge. Wir hoffen, dass es mit unseren Metaphern aus der Spielewelt gelingt, das Thema Rentenformel etwas anschaulicher machen. :)
Die Höhe des monatlichen (Brutto-)Rentenanspruchs hängt von vier Faktoren ab:
Rente (monatlich) = EP x ZF x RAF x aRW
– entsprechend der Anfangbuchstaben spricht man auch von der „EZRA-Formel“. Im folgenden erklären wir die vier Faktoren, von denen der erste (Entgeltpunkte) und der letzte (aktueller Rentenwert) am wichtigsten sind. Bei den anderen beiden handelt es sich um Ab- bzw. Zuschläge.
Entgeltpunkte (EP)
Wie gesagt: Ähnlich wie bei einem Computerspiel sammelt man auch bei der Rente Punkte, so genannte Entgeltpunkte. Wenn man ein Jahr lang entsprechend dem Durchschnitt der Bevölkerung verdient (Durchschnittsentgelt) und darauf Rentenbeiträge bezahlt, bekommt man einen Punkt. Wer mehr oder weniger verdient bekommt entsprechend mehr oder weniger als einen Punkt. Deshalb werden die Entgeltpunkte auf vier Stellen hinter dem Komma genau berechnet.
Die Engeltpunkte werden über das gesamte Arbeitsleben summiert. Wer 45 Jahre (zum Beispiel vom 22. bis 67. Geburtstag) genau das Durchschnittsentgelt verdient, geht mit 45 Entgeltpunkten in Rente. Man spricht in diesem Fall vom Eckrentner und der Standardrente. Wer studiert, hat weniger Zeit zum Ansammeln von Entgeltpunkten, verdient dafür aber wahrscheinlich überdurchschnittlich und kann so in kürzerer Zeit mehr Entgeltpunkte sammeln, maximal etwa 2 pro Jahr (vgl. Tabelle).
Jahr | Durchschnitts-entgelt West pro Monat | Beitragssatz | Beitrag für 1 EP (Arbeitgeber und
-nehmer) | Beitrags-bemessungs-grenze West pro Monat | Beitrag max. | Anzahl EP |
2002 | 2.386 € | 19,1% | 456 € | 4.500 € | 860 € | 1,89 |
2007 | 2.496 € | 19,9% | 497 € | 5.250 € | 1.045 € | 2,10 |
2012 | 2.750 € | 19,6% | 539 € | 5.600 € | 1.098 € | 2,04 |
2013 | 2.805 € | 18,9% | 530 € | 5.800 € | 1.096 € | 2,07 |
2014 | 2.876 € | 18,9% | 544 € | 5.950 € | 1.125 € | 2,07 |
2015 | 2.917 € | 18,7% | 545 € | 6.050 € | 1.131 € | 2,07 |
2016 | 3.022 € | 18,7% | 565 € | 6.200 € | 1.159 € | 2,05 |
Wie beim Computerspiel gibt es auch Bonuspunkte, nämlich Engeltpunkte für bestimmte beitragsfreie Zeiten. Allerdings hat man die Anrechnung von zum Beispiel Zeiten der (Hoch-)Schulausbildung in den letzten Jahren immer weiter reduziert und auf diese Weise die Rentenansprüche effektiv gekürzt. Bei Rentenbeginn bis 1991 konnten noch Ausbildungszeiten bis zu 13 Jahren angerechnet werden. Für künftige Rentner mit einem Rentenbeginnn ab 2009 werden Ausbildungszeiten i.d.R. gar nicht mehr angerechnet.
Im Rahmen der jährlichen Renteninformation informiert die Deutsche Rentenversicherung die Versicherten über die ihr bekannten Beitragszeiten und berechnet auf Basis der korrespondierenden Entgeltpunkte Prognosewerte für den späteren Rentenanspruch.
Aktueller Rentenwert (aRW)
Der vierte Faktor (auf den zweiten und dritten kommen wir gleich noch zu sprechen) ist der aktuelle Rentenwert: Mit ihm werden die im Verlauf des Arbeitslebens gesammelten Entgeltpunkte bewertet und so die monatliche Rente errechnet. Es handelt sich also um einen Eurobetrag pro Entgeltpunkt.
Jedes Jahr zum 1. Juli wird der Rentenwert angepasst. Auch das geschieht nach einer Formel, nämlich der Rentenanpassungsformel. Sie entkoppelt durch den Riester- und den Nachhaltigkeitsfaktor die Rentenentwicklung ein Stück weit von der Lohnentwicklung. Eine Schutzklausel sorgt dafür, dass der Rentenwert sich nicht gegenüber dem Vorjahr reduzieren kann.
Der aktuelle Rentenwert (seit 1. Juli 2016) beträgt 30,45 Euro (West) bzw. 28,66 Euro (Ost). Der Eckrentner mit 45 Entgeltpunkten erhält also 1.370,25 Euro Rente in den alten und 1.289,70 Euro in den neuen Bundesländern. Auch hier gilt wieder: Wer mehr Entgeltpunkte angesammelt hat, erhält eine höhere Rente und umgekehrt.
Zeitraum ab 1. Juli ... | Rentenwert West | Standardrente (45 EP) | Rentenwert Ost | Standardrente (45 EP) | Rentenwert Ost / West |
2002 | 25,86 € | 1.163,70 € | 22,70 € | 1.021,50 € | 88% |
2007 | 26,27 € | 1.182,15 € | 23,09 € | 1.039,05 € | 88% |
2012 | 28,07 € | 1.263,15 € | 24,92 € | 1.121,40 € | 89% |
2013 | 28,14 € | 1.266,30 € | 25,74 € | 1.158,30 € | 91% |
2014 | 28,61 € | 1.287,45 € | 26,39 € | 1.187,55 € | 92% |
2015 | 29,21 € | 1.314,45 € | 27,05 € | 1.217,25 € | 93% |
2016 | 30,45 € | 1.370,25 € | 28,66 € | 1.289,70 € | 94% |
Der Rentenwert im Osten liegt aktuell bei 94% des West-Wertes. Die Ost-Rentner sind dadurch aber nicht per se benachteiligt, denn sie mussten aufgrund niedriger Durchschnittsentgelte in den neuen Bundesländern auch geringere Beiträge bezahlen, um einen Entgeltpunkt zu erreichen. Im Rahmen der geplanten vollständigen Angleichung der Rentenwerte ist das ein Streitpunkt.
Zwischenfazit: Lohnen sich die Beiträge?
Natürlich handelt es sich bei der Rente nicht um ein Glücksspiel, aber ähnlich wie beim Spielautomaten ist schon möglich, dass man weniger rausbekommt, als man einzahlt
Anhand der bisherigen Angaben zu Entgeltpunkten und Rentenwert kann man bereits ausrechnen, welche Beiträge zu welchen Leistungen führen. Rechnet man vereinfachend mit den Werten des Jahres 2016, so muss ein Eckrentner (West) - ggf. zusammen mit seinem Arbeitgeber - 45 x 565 = 305.100 Euro Beiträge zahlen, um 45 Entgeltpunkte zu sammeln. Er erhält eine Rente von 1.370 Euro. Das entspricht bei Männern (zuletzt durchschnittlich 17,5 Jahre Rentenbezugsdauer) einem Auszahlungsbetrag von 287.700 Euro, bei Frauen (21,7 Jahre Rentenbezugsdauer) 356.748 Euro.
Frauen profitieren davon, dass sie trotz der unterschiedlichen Lebenserwartung (höheres "Langlebigkeitsrisiko") beitragsmäßig den Männern gleich gestellt sind. Andererseits sind die Einkommen und damit Renten von Frauen im Schnitt immer noch deutlich niedriger. Zu bedenken ist auch, dass es neben der Altersrente noch weitere Leistungsarten gibt, siehe unten.
Zugangsfaktor (ZF)
Wer mit dem für seinen Jahrgang geltenden Regelalter in Rente geht, kann den Zugangsfaktor ignorieren, denn er beträgt dann 1,0. Wer früher in Rente geht und diese somit länger bezieht, muss einen Abschlag von 0,3% pro Monat in Kauf nehmen. Der Renteneintrittsfaktor ist entsprechend kleiner als 1,0. Wer länger arbeitet erhält dagegen einen Zuschlag von 0,5% pro Monat auf die Rente.
Rentenbeginn | Zugangsfaktor | Abschlag (-) / Zuschlag (+) auf Rente |
5 Jahre vorher | 0,820 | -18,0% |
3 Jahre vorher | 0,892 | -10,8% |
2 Jahre vorher | 0,928 | -7,2% |
1 Jahr vorher | 0,964 | -3,6% |
1 Monat vorher | 0,997 | -0,3% |
Mit Regelaltersgrenze | 1,000 | ./. |
1 Monat später | 1,005 | +0,5% |
1 Jahr später | 1,060 | +6,0% |
2 Jahre später | 1,120 | +12,0% |
3 Jahre später | 1,180 | +18,0% |
5 Jahre später | 1,300 | +30,0% |
Der Effekt auf die Rente wird noch dadurch verstärkt, dass man bei früherem Renteneintritt weniger Zeit hat. Wem die Rente nicht reicht, der könnte umgekehrt etwas länger arbeiten, zusätzliche Punkte sammeln und auf diese einen Zuschlag erhalten . Das setzt aber voraus, dass der Arbeitgeber mitspielt. Oft ist es gerade umgekehrt: Arbeitslose werden in die Frühverrentung gedrängt – mit deutlich niedrigeren Renten.
Anhand obiger Tabelle erkennt man sofort, dass die Erhöhung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre einer Rentenkürzung entspricht, denn der Zuschlag von 12% wird quasi „unterschlagen“.
Persönliche Entgeltpunkte: Dieser Begriff bezeichnet das Produkt aus Entgeltpunkten (EP) und dem Zugangsfaktor (ZF).
Rentenartfaktor (RAF)
Für die Altersrente und andere Renten mit „Lohnersatzfunktion“ beträgt der Rentenartfaktor 1,0 und kann ignoriert werden. Bei Rentenarten mit Unterhaltsfunktion (Witwen- und Waisenrenten – als Ausgleich für die nicht mehr zu leistenden Unterhaltszahlungen) liegt er unter 1,0, man erhält also nur einen bestimmten Prozentwert der Altersrente.
Rentenart | Rentenartfaktor (RAF) | Höhe der Rente in % |
Altersrente | 1,0 | 100% |
Rente wegen voller Erwerbsminderung | 1,0 | 100% |
Erziehungsrente | 1,0 | 100% |
Große Witwerrente (z.B. weil minderjähriges Kind oder schon älter) | 0,55 | 55% |
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung | 0,5 | 50% |
Kleine Witwenrente | 0,25 | 25% |
Vollwaisenrente (beide Elternteile verstorben) | 0,2 | 20% |
Halbwaisenrente (ein Elternteil verstorben) | 0,1 | 10% |
Wenn man die Rendite der Deutschen Rentenversicherung berechnet , muss man berücksichtigen, dass sie nicht nur das Langlebigkeitsrisiko versichert in Form der Altersrente. Daneben zahlt sie auch - wie obige Tabelle zeigt - bei verminderter Erwerbsunfähigkeit sowie im Todesfall (Witwen- und Waisenrente). Darüber hinaus bezahlt sie nach dem Grundsatz "Rehabilitation geht vor Rente" auch Reha-Leistungen, also Kuren und Umschulungen.
Auch hier hat es allerdings erhebliche Kürzungen gegeben. Die kleine Witwenrente, die weniger schutzbedürftige Witwen und Witwer (ohne minderjähriges Kind bzw. jünger) erhalten, wird nur noch 24 Moante lang ab dem Todesfall bezahlt. Für bis zum Jahr 2001 verstorbene Ehepartner wird die Rente ohne zeitliche Begrenzung bezahlt.
Fazit: An vielen Stellschrauben gedreht
Wenn man die Rentenformel verstanden hat, erkennt man, an wie vielen Stellschrauben die Politik drehen kann, um Rentenkürzungen durchzuführen. Andererseits muss man Verständnis für die Rentenkürzungen aufbringen: Die Rentenversicherung muss immer länger Altersrente bezahen, weil die Lebenserwartung stark angestiegen ist. Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer betrug 1980 bei Männern noch 11,0 Jahre, 2015 bereits 17,5 Jahre. Bei Frauen hat sie sich von 13,0 auf 21,7 Jahre verlängert (vgl. Beitrag "Renten-1x1: Je länger die Rentenbezugsdauer, um so mehr geraten die Renten unter Druck".
Aus diesem Grund ist die wohl wichtigste Stellschraube das Regelalter, ab dem man die volle Altersrente erhält: Wir werden wohl kaum darum herum kommen, als Gesellschaft etwas länger zu arbeiten, sonst wird entweder das Rentenniveau immer weiter sinken oder die Beiträge ins Unerträgliche steigen. Wir dürfen damit auch nicht zu lange warten, sonst wird die jüngere Generation einseitig belastet.
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