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Rentenkonzept der IG Metall Renteneintrittsalter gleich halten - auf Kosten von Selbstständigen, Steuerzahlern und jüngeren Beitragszahlern

Die IG Metall hat gestern unter dem Motto „Mehr Rente – Mehr Zukunft“ ihr Rentenkonzept vorgestellt – der Auftakt für eine millionenschwere Anzeigen- und Plakatkampagne.

Rentenkonzept der IG Metall, Screenshot von Titelseite

An der Kommunikation wurde nicht gespart: Auf der gestrigen Pressekonferenz wurde eine eigene Kampagnenseite gelauncht, ein 22-seitiges Rentenkonzept (PDF) vorgelegt, eine 20-seitige bei TNS-Infratest beauftragte Studie vorgestellt, eine Präsentation, vier Broschüren, vier Musterbiographien, fünf Flyer, acht Infografiken bereitgestellt.

Es gibt sogar ein Kampagnen-Newsletter, man hat einen eigenen Glossar erarbeitet und die Facebook-Seite der Kampagne hat einen Tag nach dem Start 7.700 Likes (wobei man hier eine bestehende Kampagnenseite umbenannt hat).

David gegen Goliath

Wenn man diesen Aufwand sieht, fühlt man sich als VGSD mit aktuell 1.750 Vereinsmitgliedern schon als David, der einem Goliath gegenübersteht. Die IG Metall ist mit 2,3 Millionen Mitgliedern die größte deutsche Einzelgewerkschaft und die größte Arbeitnehmervertretung weltweit. Insgesamt hat der DGB 6,1 Millionen Mitglieder.

Immerhin: Als IG-Metall-Chef Jörg Hofmann gestern die Renten-Kampagne in der Tagesschau vorstellte, durften wir, der kleine VGSD, darauf antworten und Gegenargumente benennen. Unsere Schleuder, das sind die besseren Argumente, weil auf Fakten beruhend. Dafür, dass wir mit Ihnen durchdringen, brauchen wir möglichst viel Unterstützung.

Alter Verkäufertrick: Erst mal Zustimmung einholen

Kampagnenmotiv mit IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, Screenshot von Kampagnen-Facebook-Seite (Bitte anklicken zum Vergrößern)

Es erinnert mich an einen alten, aber immer noch funktionierenden Verkäufertrick, sich zu Statements Zustimmung einzuholen, denen jeder vernünftige Mensch zustimmen muss. So lässt sich IG-Metall-Chef mit dem eingeblendeten Statement abbilden: „Die IG Metall lehnt es ab, dass Beschäftigte im Rentenalter arbeiten müssen, um ihren Lebensstandard zu halten. Notwendig ist, dass Beschäftigte gesund das Rentenalter erreichen und ihnen gesicherte Übergänge zur Verfügung stehen.“

Das ist auch die Strategie des Konzepts: Es beginnt mit einer ausführlichen Problembeschreibung, die in großen Teilen richtig ist. Leider gilt das aber nicht für die vorgeschlagenen Lösungen, auch wenn die kritischen Punkte so geschmeidig verpackt sind, dass sie einen oft erst auf den zweiten Blick auffallen.

Von Wirtschaftswissenschaftlern empfohlene Lösungsansätze wie die schrittweise Anpassung des Renteneintrittsalters in Abhängigkeit von der Lebenserwartung werden von vorn herein verworfen mit dem Spruch „Erst die Menschen – dann die Mathematik“. Gezielte Zuwanderung und Integration wird in dem Konzept überhaupt nicht angesprochen.

Einbeziehung der Beamten wird gefordert – theoretisch

Im Folgenden wollen wir das Rentenkonzept der IG Metall unter die Lupe nehmen. Doch das ist gar nicht so einfach, denn das Konzept ist hinsichtlich der Forderungen wenig konkret. So wird zwar gefordert, dass die Selbstständigen einbezogen werden, aber es bleibt offen, ab welchem Alter und in welcher Höhe Beiträge bezahlt werden sollen. Auch eine Einbeziehung der Beamten wird gefordert, aber nicht erklärt, wie das funktionieren soll. In früheren Konzepten wurde der DGB konkreter und hat eingeräumt, dass dies mit vielerlei Schwierigkeiten und Widerständen verbunden ist und allenfalls sehr langfristig vorstellbar ist.

Das frühere Rentenniveau soll schrittweise wieder hergestellt werden

2000 hat ein Durchschnittsrentner (West) noch 53% seines früheren Gehalts als Rente erhalten (1.530 Euro in Preisen von heute). Aktuell liegen die Leistungen bei 47,5% (1.370 Euro) ggf. zuzüglich Riester-Rente, 2030 betrage das Rentenniveau dann nur noch 43 Prozent (1.240 Euro) zuzüglich Riester-Rente.

Die Riester-Rente sieht man als gescheitert an, weil sie angesichts der aktuellen Zinssituation das entstehende Delta nicht vollständig ausgleicht. Dorn im Auge ist dabei auch, dass die Beiträge zur Riester-Rente vom Arbeitnehmer alleine zu bezahlen sind.

Die Gewerkschaften wollen wieder das frühere Rentenniveau herstellen, so dass die Rente auch ohne private Vorsorge das Niveau von 53 Prozent (1.530 Euro) erreicht.

Dazu sollen keine 45 Beitragsjahre mehr nötig sein, sondern durch eine Aufwertung oder Entgeltpunkte soll diese Rente bereits nach 43 Jahren erreicht werden, was einer zusätzlichen Rentenerhöhung entspricht.

In drei Phasen zurück zum alten Rentenniveau – ohne Veränderung des Renteneintrittsalters

Drei Phasen zur Erhöhung des Rentenniveaus, Screenshot aus Präsentation der IG Metall (Pressekonferenz)

Dies soll in drei Phasen geschehen: Zunächst soll das Rentenniveau in den nächsten fünf Jahren stabilisiert werden – es soll also in den Koalitionsvertrag geschrieben werden, dass es zu keinen weiteren Absenkungen des Rentenniveaus kommt. Das ist sogar ohne Beitragserhöhungen möglich, wenn die Selbstständigen als zusätzliche Beitragszahler hinzukommen und ihre Beiträge an die heutigen Rentner umverteilt werden.

Im nächsten Schritt wollen die Gewerkschaften dann Hand an die Rentenformel legen. Diese enthält einen Dämpfungsfaktor. Er soll eigentlich disziplinierende Wirkung auf die Politik haben: Wenn das Renteneintrittsalter nicht an die Lebenserwartung angepasst wird, sorgt er über ein niedrigeres Rentenniveau für einen Ausgleich der Finanzierung und zugleich für Druck auf die Politik. Dieser Dämpfungsfaktor soll schrittweise aus der Rentenformel entfernt werden! Wie die dann ausufernden Kosten gedeckt werden sollen, dazu gleich noch mehr.

Im nächsten Schritt soll das Rentenniveau dann erhöht werden – ob auf die früheren 53 Prozent oder weniger, soll politisch ausgehandelt werden.

Langer Forderungskatalog

Doch damit ist der Forderungskatalog noch lange nicht zu Ende. Mit den zusätzlichen Mitteln, die u.a. durch die Einbeziehung der Selbstständigen in die Kasse kommen, sollen weitere Wohltaten finanziert werden:

Das Äquivalenzprinzip (höhere Rentenbeiträge führen zu höheren Rentenleistungen) soll „ergänzt“ werden durch eine Stärkung des „Solidarprinzips“. Aus den Rentenbeiträgen wird damit aber eine zusätzliche Steuer.

  • Für Arbeitslosigkeit, Kindererziehung, Pflege und Ausbildung soll es auch künftig deutlich höhere Anwartschaften, also Rentenansprüche geben. Beiträge von z.B. Minijobbern, die sehr geringe Rentenbeiträge bezahlen, sollen nach dem Vorbild der „Rente nach Mindestentgeltpunkten“ aufgewertet werden.
  • Auch die Grundsicherung im Alter soll angehoben werden und es soll (den folgenden Punkt finden wir grundsätzlich unterstützenswert) höhere Freibeträge für Grundsicherungsbezieher gaben, die sich eigene Rentenansprüche erarbeitet haben.
  • Außerdem sollen die Renten in den neuen Bundesländern auf Westniveau angehoben werden (aus Steuermitteln), der abschlagsfreie Rentenzugang mit 63 für langjährig Versicherte soll beibehalten und die Erwerbminderungsrente erhöht werden.
  • Die Betriebliche Altersvorsorge soll (durch verstärkte Förderung?) gestärkt werden, insbesondere auch bei anteiliger oder alleiniger Beitragszahlungen durch den Arbeitgeber.

Diese Forderungen dürften sich zu vielen, vielen Milliarden Euro aufaddieren, denn sie haben ja über viele Jahrzehnte kostensteigernde Auswirkungen.

Wie sollen diese Wohltaten finanziert werden?

Von einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist an keiner Stelle zu lesen. Das Arbeiten nach Erreichen des Renteneintrittsalters soll zwar nicht verboten werden, es dürfe aber nicht zu einem Massenphänomen werden.

Auch eine Stärkung der privaten Altersvorsorge sei keine Lösung, denn diese erfolge ja alleine, ohne Arbeitgeberbeteiligung – und auf den Kapitalmarkt sei kein Verlass.

Die Gelder sollen aus drei Quellen kommen:

  • Pflichtweise Einbeziehung der Selbstständigen
  • Höhere Beiträge
  • Höhere Steuern
TNS-Infratest-Befragung

Erhöhungen der Rentenbeiträge auf über 22 Prozent sollen mittelfristig kein Tabu mehr sein. Diese Grenze sei „willkürlich gesetzt“. Ein wichtiges Ziel der Gewerkschaftskampagne ist, die Bereitschaft unter Jüngeren dafür zu erhöhen. Dafür sieht man gute Chancen, weil 23 Prozent der befragten 18- bis 34-Jährigen auf die Frage „Für eine höhere gesetzliche Rente, die meinen Lebensstandard im Alter annähernd sichert, wäre ich grundsätzlich auch mit höheren Rentenbeiträgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer einverstanden“ geantwortet haben, sie würden „voll und ganz“ zustimmen. Weitere 49 Prozent stimmten „eher zu“. Allerdings war bei der Befragung keine Rede von „Beitragssätzen über 22 Prozent“.

Die höheren Beiträge alleine reichen aber noch nicht einmal. Der Bundeszuschuss aus Steuermitteln soll mindestens proportional wachsen, besser noch überproportional. Schon jetzt macht der Bundeszuschuss ein Drittel der Rentenausgaben aus. Der Steuerzahler bezahlt also über die verschiedenen Steuern noch einmal so viel Rentenbeiträge wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer – auch wenn er gar kein Arbeitnehmer ist, sondern zum Beispiel Selbstständiger.

Keine Aussagen über langfristige Auswirkungen auf Selbstständige und künftige Rentnergenerationen

Kein Wort findet sich im Rentenkonzept wohlweislich darüber, was die langfristigen Auswirkungen des Rentenkonzepts sind. Die zusätzlichen Beiträge, die die Selbstständigen über Jahrzehnte in die Rentenversicherung einzahlen, werden an die jetzigen Rentner umverteilt, um soziale Wohltaten zu finanzieren. Wenn die Selbstständigen dann selbst in Rente gehen, ist der einmalige Effekt verpufft, es wurden keine Rücklagen gebildet und es treten genau die Szenarien ein, die heute schon prognostiziert sind. Jochen Pimpertz vom Institut der Deutschen Wirtschaft hat es so formuliert: „Wer also hofft [durch die Einbeziehung von Selbstständigen] zusätzliche Finanzierungsspielräume für eine großzügige Rentenpolitik erschließen zu können, der tut dies unweigerlich auf Kosten nachfolgender Generationen.”

Unsere Arbeitsgruppe Rentenpflicht verfolgt laufend (u.a. in einer eigenen tagesaktuellen Presseschau) die Diskussion zum Thema Rentenpflicht. Parallel arbeiten wir an einem Positionspapier und weiteren Maßnahmen. Bitte unterstütze und durch Deine Mitgliedschaft im VGSD und/oder der Arbeitsgruppe.

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