(Update 09.11.20) Vor gut zwei Wochen, am 22.10.20 war erneut die Klage gegen eine Betriebsschließungs-Versicherung erfolgreich. Die Versicherung muss gut 427.000 Euro für die Corona-bedingte Schließung einer größeren Münchener Gaststätte im März/April bezahlen (Aktenzeichen 12 O 5868/20).
Heute hat uns die Rechtsanwaltsaktiengesellschaft Nieding + Barth aus Frankfurt (Main) angeschrieben, die beiden Fälle (siehe auch unten) beschrieben und darauf hingewiesen, dass sie Versicherungsnehmer gegen Betriebsschließungs-Versicherer vertritt und über Kontakte zu einem internationalen Prozesskostenfinanzierer verfügt, der im Einzelfall die Finanzierung von Prozessen gegen solche Versicherer finanziert.
Leider wissen wir nicht, welche Kanzlei die Münchener Gastwirte vertreten hat, hier lohnt sich vielleicht das Nachfragen bei den erfolgreichen Klägern (siehe unten). Wir vermuten, dass es zahlreiche Rechtsanwälte gibt, die in diesem Bereich über Erfahrung verfügen und helfen können. Möglicherweise sind einzelne Versicherungen - entgegen früherer Festlegungen - nach den beiden Münchener Urteile auch ohne Klage bereit, für die versicherten Betriebsschließungen zu leisten.
Richtungsweisendes Urteil: Betriebsschließungs-Versicherung muss für Corona-Ausfall zahlen
(Beitrag vom 01.10.20) Unternehmen mit hohen laufenden Kosten sichern sich häufig mit einer Versicherung gegen Betriebsschließungen ab. Darunter sind viele Gastronomen, bei denen im Fall einer Schließung hohe Mieten, Kreditraten usw. weiterlaufen. Vereinbart wird ein von der Höhe der Kosten abhängiger Satz, der maximal 30 Tage bezahlt wird.
Doch ganz wie es einem verbreiteten Vorurteil über Versicherungen entspricht, wollten viele von ihnen in der Corona-Krise nicht zahlen. Begründung: Corona sei in den Versicherungsbedingungen nicht aufgelistet. Auch hätten nicht die Gesundheitsämter die Schließungen nach Infektionsschutzgesetz wegen Erkrankungen im Betrieb veranlasst, sondern die Landesregierungen als flächendeckende Vorsichtsmaßnahme.
Wirt erhält mehr als eine Million Euro für erste 30 Tage des Lockdown
Das Landgericht München I, bei dem alleine schon mehr als 80 Klagen gegen Versicherungen laufen, hat nun ein richtungsweisendes Urteil gefällt und – wie die Süddeutsche Zeitung berichtet – dem Wirt des "Augustiner-Kellers" mehr als eine Million Euro zugesprochen. (Aktenzeichen 12 O 5895/20).
Dem Versicherungsnehmer sei nicht zuzumuten, sich ständig über die von der Versicherung abgesicherten Krankheiten zu informieren. Auch dürfe nicht auf staatliche Sofort- und Überbrückungshilfen sowie Kurzarbeitergeld verwiesen und die Versicherungssumme entsprechend gekürzt werden.
Statt dem versicherten Schaden leisteten Versicherungen "freiwilligen Beitrag"
In Bayern hatten die Versicherungen ihren Kunden vorgerechnet, dass sich durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen wie Sofort- und Überbrückungshilfe sowie ersparte Material- und andere Kosten der wirtschaftliche Schaden um rund 70 Prozent reduziere und sich deshalb nur bereit erklärt, in Hinblick auf die verbleibenden 30 Prozent des Schadens "einen freiwilligen Beitrag zu leisten". In ihrer Not stimmten viele Gastwirte diesem in Bayern u.a. von Landesregierung und Gaststättenverband DEHOGA ausgehandelten Angebot zu.
Wer auf sein Rechtsgefühl vertraute und klagte, was freilich ausreichende finanzielle Reserven voraussetzte, darf sich nun freuen. Es ist davon auszugehen, dass das Urteil des Landgerichts auch auf viele andere Versicherungsnehmer Anwendung findet.
Für die Versicherungen dürfte das Urteil mit hohen Folgekosten verbunden sein. Möglicherweise werden sie dagegen rechtlich vorgehen. Im konkreten Fall ist eine Berufung beim Oberlandesgericht möglich.
Ob das Urteil auch Auswirkungen in Hinblick auf staatliche Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz hat, ist noch offen.
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