Täglich rechnen wir mit dem Bekanntwerden des Gesetzesentwurfs "gegen den Missbrauch von Werkverträgen", mit dem Arbeitsministerin Nahles strengere Regeln gegen Scheinselbstständigkeit einführen möchte. Anlass für den VGSD, gemeinsam mit unserem europäischen Dachverband EFIP am Dienstag im Münchener PresseClub Vertreter von Selbstständigen-Verbänden aus neun EU-Staaten einzuladen.
Die neun Präsentationen zur Situation in den Mitgliedsländern (Folien) und die anschließende Podiumsdiskussion zeigte: In fast allen Staaten und auch auf EU-Ebene fordern Gewerkschaften strengere Gesetze gegen eine angeblich wachsende Zahl unfreiwillig Selbstständiger.
Die bestehenden Kriterien für Scheinselbstständigkeit sind dabei oft so unscharf, dass weder die Selbstständigen noch ihre Auftraggeber sicher sein können, ob eine rechtssichere Beauftragung vorliegt oder diese nicht doch nachträglich in Frage gestellt wird. Die Unsicherheit wird dadurch verschärft, dass die mit einer Beschäftigung von Scheinselbstständigen verbundenen Strafen extrem hoch sind und häufig existenzbedrohend wirken.
Statt einen besseren sozialen Schutz für die Selbstständigen zu erreichen, wird durch sie in der Praxis die Beauftragung von Selbstständigen stark erschwert, deren Situation also effektiv verschlechtert.
Kreative Lösungen in den Niederlanden, in Irland, Italien, Frankreich und Schweden
Eine pragmatische Lösung hat die niederländische Regierung gefunden. Fünf Prozent der Selbstständigen in den Niederlanden sind schätzungsweise scheinselbstständig, konzentriert auf wenige Branchen. Ab 1.4.2016 sind Selbstständige und ihre Auftraggeber vor Verfolgung sicher, wenn sie bestimmte staatlich geprüfte Musterverträge nutzen. Denis Maessen vom Verband PZO-ZZP berichtet über die Gespräche mit der Regierung: „Den Durchbruch erzielten wir, als wir begannen, auch über die 95 Prozent echten Selbstständigen zu sprechen und wie man sie absichern könnte und nicht mehr nur über die 5 Prozent Scheinselbstständigen.“
In Irland bahnt sich eine andere, aber ebenfalls pragmatische Lösung an: Echte Selbstständige können ihren Status in Form eines Dokuments erklären, das sie mithilfe ihres Steuerberaters erarbeiten. Sie erklären darin, dass sie bestimmte überprüfbare Voraussetzungen erfüllen, sich über alle Konsequenzen ihrer Selbstständigkeit im Klaren sind und selbst für die Versteuerung ihrer Einkünfte und ihre soziale Absicherung aufkommen. Dieses von den Behörden anerkannte Dokument vereinfacht dann in der Folge die Akquise bei großen Auftraggebern erheblich.
Viel Bewegung herrscht auch in Italien. Ab einem bestimmten existenzsichernden Jahreseinkommen oder bei Vorliegen bestimmter höherer Qualifikationen (etwa bei freien Berufen) sind Selbstständige dort künftig vor einer Verfolgung als Scheinselbstständige sicher, was ihre Akquise erheblich vereinfachen wird.
In Frankreich und Schweden wiederum bietet der Gesetzgeber den Selbstständigen verschiedene Regelungsrahmen an, innerhalb derer sie sich ohne Verfolgung und Sorge vor hohen nachträglichen Zahlungen betätigen können.
Der internationale Vergleich zeigt, dass es pragmatische Lösungen gibt, mit denen es gelingen kann, der großen Mehrheit der echten Selbstständigen Rechtssicherheit zu geben und zugleich einen Missbrauch zu verhindern.
Der Schlüssel zu solchen kreativen Lösungen ist, so zeigte sich in der Diskussion, dass der politische Dialog nicht nur mit den Gewerkschaften stattfindet, die die Interessen unfreiwillig Selbstständiger vertreten, sondern auch Gespräche mit Sprechern der echten Selbstständigen. Beide Gruppen haben berechtigte Interessen. Nur wenn diese gleichermaßen berücksichtigt werden, kann eine dauerhaft tragfähige Lösung entstehen.
Fotos: Thomas Dreier, www.t3-foto.de
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