Wer als Auftraggeber oder Auftragnehmer zu Beginn einer Tätigkeit eine Statusfeststellung beantragt, ist vor Nachforderungen von Sozialbeiträgen geschützt – wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Aber welche genau sind das?
Wenn die Deutsche Rentenversicherung (DRV) ein Auftragsverhältnis prüft und dabei eine abhängige Beschäftigung feststellt, kommen auf den Auftraggeber hohe Nachzahlungen zu. In der Regel. Es gibt aber eine Ausnahme: Wenn Auftraggeber oder -nehmer zu Beginn der Tätigkeit selbst ein Statusfeststellungsverfahren in die Wege leiten, werden Beiträge erst ab dem Bescheid und nicht rückwirkend erhoben. Hierfür gelten bestimmte Bedingungen – man sollte genau aufpassen, damit man sie auch wirklich erfüllt.
Regelung in § 7a SGB IV
Das Ganze ist geregelt in § 7a des vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB IV). Dessen fünfter Absatz lautet:
"Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte
- zustimmt und
- er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht."
Beiträge werden nicht rückwirkend erhoben
Klar ist, dass der Antrag innerhalb von einem Monat nach Beginn der Tätigkeit gestellt werden muss. Sinn und Zweck der Regelung ist, dass es um einen möglichst frühzeitigen Antrag geht. Seit zwei Jahren ist es im Rahmen des Prognoseverfahrens auch möglich, den Antrag schon zu stellen, bevor das Auftragsverhältnis aufgenommen wird. Wenn du überlegst, ein Prognoseverfahren zu beantragen, sieh dir unbedingt unseren Talk zur Reform des Statusfeststellungsverfahrens mit vielen guten Tipps an.
Wenn dann bei einem solchen frühzeitigen Antrag ein Beschäftigungsverhältnis statt einer Selbstständigkeit festgestellt wird, werden keine Beiträge rückwirkend erhoben: Es wird so getan, als habe die Tätigkeit erst an dem Tag begonnen, an dem die Beteiligten von der Entscheidung der DRV erfahren. Dafür nennt § 7a Abs. 5 SGB IV aber weitere Bedingungen.
Nützliches Rechtsportal der DRV
Abgesehen davon, dass der Beschäftigte zustimmen muss, gilt, dass er oder sie "eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge" vorgenommen haben muss, die "der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht". Was genau ist damit gemeint?
Die DRV hat im Internet ein frei zugängliches Rechtsportal, auf dem sie umfangreiche Materialien zur Verfügung stellt: Urteile, Vorschriften, Gesetze – samt Erläuterungen zu den relevanten Paragrafen. Dort ist auch § 7a SGB IV ausführlich erläutert. Hier finden sich im Abschnitt 3.3 Erklärungen, wie die im Paragrafen genannten Voraussetzungen zur Absicherung zu verstehen sind.
Was ist "ausreichender sozialer Schutz"?
Die Absicherung muss schon bestehen, wenn die Tätigkeit aufgenommen wird. Sie müsse nicht mit den Leistungen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung deckungsgleich sein, es genüge "ein ausreichender sozialer Schutz".
Für die Krankenversicherung gilt:
- Freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung
oder - Private Krankheitskostenversicherung
Die Leistungen der privaten Versicherung müssen "im Krankheitsfall der Art nach denen der gesetzlichen Krankenversicherung" entsprechen. Das ist der Fall, wenn mindestens die Leistungen in dem von § 193 Abs. 3 S. 1 Versicherungsvertragsgesetz verlangten Umfang vorgesehen sind. Dazu gehören:
- Krankenbehandlung (ärztliche/zahnärztliche Behandlung, Zahnersatz, Versorgung mit Arznei- und Heilmitteln)
- Krankenhausbehandlung
- Absicherung von Angehörigen
Mit "Absicherung von Angehörigen" ist gemeint: Wer in der gesetzlichen Krankenversicherung das Recht auf die beitragsfreie Familienversicherung hätte, muss ebenfalls in den privaten Krankenversicherungsschutz einbezogen sein.
Die Anforderungen an den Leistungsumfang sind jedoch begrenzt:
- Anspruch auf Krankengeld ist nicht notwendig (das war lange umstritten).
- Die Erstattung kann auf Teil- und Höchstbeträge beschränkt sein.
Für die Beiträge, die gezahlt werden, gibt es keine Mindesthöhe (keine "Mindestprämie").
Pflegeversicherung:
Obwohl es nicht explizit im Gesetz steht, muss auch entsprechende Pflegeversicherung vorliegen. Anders als bei der Krankenversicherung gibt es bei der Pflegeversicherung keine Wahlmöglichkeiten bezüglich des Umfangs.
Für die Altersvorsorge gilt:
Auch für die Altersvorsorge gilt, dass "der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung" entsprechen muss. Die mögliche Absicherung ist deshalb:
- Private Lebens- oder Rentenversicherung
oder - Gesetzliche Rentenversicherung
Für den Umfang der Absicherung gilt:
- Das Sicherungsniveau der privaten Altersvorsorge ist unbeachtlich – die Höhe der Altersvorsorge muss nicht zum Leben ausreichen.
- Ausreichender sozialer Schutz wird angenommen, wenn Prämien in Höhe des Mindestbeitrages zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt werden. Das bedeutet aktuell: 100,07 Euro pro Monat. Das berechnet sich aus dem Produkt der Geringfügigkeitsgrenze von 538 Euro und dem Rentenversicherungsbeitrag (18,6 Prozent sofern du Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil trägst).
Die Altersvorsorge muss nicht in Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit stehen. Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, die du bereits aufgrund einer anderen, nicht-selbstständigen Tätigkeit oder einer anderen versicherungspflichtigen selbstständigen Tätigkeit bezahlst, reichen ebenso aus wie freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Arbeitslosenversicherung
Nicht erforderlich sind eine Invaliditätssicherung, ebenso nicht eine Hinterbliebenensicherung. Auch eine Arbeitslosenversicherung wird nicht erwähnt, ebenso ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht nötig.
Die Regelung ist deshalb so wichtig, weil zwischen dem Antrag und der Entscheidung im oft viele Monate vergehen, ein Dreivierteljahr ist keine Seltenheit. Durch das Erfüllen der Bedingungen kannst du dir unter Umständen Nachzahlungen in Höhe eines fünfstelligen Eurobetrags ersparen. Angesichts der meist langen Bearbeitungszeiten kann die Regelung ein Mittel sein, um eine Tätigkeit aufzunehmen und dabei vor Scheinselbstständigkeit geschützt zu sein. Anwaltliche Beratung sollte dabei jedoch in Anspruch genommen werden.
Der Beitrag spiegelt unser Verständnis der "Gemeinsamen Rechtlichen Anweisungen der DRV" wider und versteht sich ohne Gewähr. Insbesondere, wenn du zum ersten Mal ein Statusfeststellungsverfahren beantragst, empfehlen wir dringend die Beratung durch eine/n entsprechend spezialisierten Anwalt oder Anwältin oder Rentenberater/in.
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