Schon im Sommer letztes Jahres haben Staatsanwaltschaften begonnen, in großer Zahl Ermittlungsverfahren gegen Soforthilfeempfänger in ganz Deutschland zu starten, oft aus kaum nachvollziehbaren Gründen. Wir berichteten über den Fall von Sebastian Groschopp aus Leipzig, woraufhin sich viele Betroffene bei uns meldeten (ausführlicher Bericht über die Strafverfolgung mit weiteren Beispielen).
Erst jüngst erhielten mehrere unserer Berliner Vereinsmitglieder Schreiben der dortigen Polizei, weil sie ihre Soforthilfe innerhalb weniger Wochen zurückgezahlt haben, nachdem ihnen klar geworden war, dass sie die Hilfe nicht für ihre Lebenshaltung verwenden dürfen. Die schnelle Rückzahlung interpretierte die Berliner Polizei absurderweise als Eingeständnis eines Betrugsversuchs.
Viele Soforthilfe-Empfänger sind besorgt
Aufgrund dieser rational kaum noch nachvollziehbaren Verfolgung, bei der die Verantwortlichen es ganz offensichtlich an Sorgfalt fehlen lassen, stellen sich viele, die im Frühjahr letzten Jahres Soforthilfe erhalten haben, die Frage, ob auch ihnen womöglich noch ein Schreiben der Staatsanwaltschaft ins Haus flattern könnte und in der Folge eine Vorladung zur Polizei.
Regelmäßig empfiehlt es sich in solchen Fällen, den Rat eines Anwalts in Anspruch zu nehmen, der zunächst Akteneinsicht verlangen und so herausfinden kann, was genau einen vorgeworfen wird, so dass man auf die Vorwürfe zielgenau reagieren kann. Anwälte sind aber nicht ganz billig und die in solchen Fällen Betroffenen von der Corona-Krise ohnehin finanziell gebeutelt.
Deshalb erreicht uns beim VGSD immer wieder die Frage, wie man sich in solchen Fällen absichern kann, insbesondere ob eine bestehende Rechtsschutzversicherung die Anwalts- sowie eventuelle Gerichtskosten übernimmt und ab wann dieser Schutz greift, wenn man jetzt erst die Rechtsschutzversicherung abschließt.
Auf "Spezial-Straf-Rechtsschutz mit (offener) Rückwärtsdeckung" achten
Wir haben unser Mitglied Sven Kesberger um Rat gefragt. Seine Antwort:
Ja, diese Absicherung gibt es über eine Rechtschutzversicherung und zwar in Form des 'Spezial-Straf-Rechtsschutz'. Diese Leistungserweiterung kann zu bzw. mit einem 'normalen' Rechtschutz gebucht werden.
Die Kosten für eine Rechtsschutzversicherung mit diesem Zusatzmodul beginnen typischerweise bei 250 bis 300 Euro pro Jahr.
Hier gibt es keine Wartezeiten, somit besteht Versicherungsschutz für die Verteidigung (unberechtigter) Vorwürfe ab dem Tag des Versicherungsbeginns.
Wichtig dabei ist, dass bei dem Vertrag eine '(offene) Rückwärtsdeckung' besteht. Mit "offen" (oft wird auch von "unbegrenzt" gesprochen) ist dabei gemeint, dass es keine zeitliche Begrenzung gibt.
Dann darf die angebliche strafbare Handlung vor Beginn des Versicherungsvertrags begangen worden sein, also z.B. bei der Beantragung von Soforthilfe im Frühjahr letzten Jahres.
Bei Abschluss der Versicherung darf das Ermittlungsverfahren noch nicht eingeleitet sein
Das Ermittlungsverfahren selbst darf aber zum Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherung noch nicht eingeleitet worden sein. Es reicht also nicht, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch kein Schreiben der Polizei eingetroffen ist – es darf auch noch nicht abgesendet worden sein.
Die Versicherung übernimmt typischerweise die Kosten von Anwalt und Gericht, nicht aber Geldstrafen oder gar die Rückzahlung der Soforthilfe. Bei einer tatsächlichen Verurteilung wegen Vorsatz müssen bereits geleistete Zahlungen zudem zurückerstattet werden.
Versicherungen, die einen Spezial-Straf-Rechtsschutz mit Rückwärtsdeckung anbieten, sind nach Svens Recherchen beispielsweise die ARAG und die Itzehoher (ehemalige "Rechtsschutz Union").
Sven Kesberger (Branchenprofil) ist Finanzcoach und -berater aus München sowie Dozent und war bereits häufig Experte bei VGSD-Talks zum Thema Versicherungen und Altersvorsorge.
Du möchtest Kommentare bearbeiten, voten und über Antworten benachrichtigt werden?
Jetzt kostenlos Community-Mitglied werden