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Vier Forderungen für mehr Rechtssicherheit

Wer hätte gedacht, dass wir Kriterienkatalog und Vermutungsregelung verhindern können? Mit deren Wegfall haben wir ein wichtiges Etappenziel erreicht.

Eine weitere Verschlimmerung ist damit verhindert. Für unser eigentliches Ziel - nämlich mehr Rechtssicherheit – müssen wir weiterkämpfen.

Der Kampf für mehr Rechtssicherheit geht weiter – Das sind unsere Forderungen:

  1. Klares politisches Bekenntnis zur Förderung und rechtssicheren Betätigung Selbstständiger, da diese einen wichtigen Beitrag zur Flexibilität und Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft leisten.
  2. Stärkung der Rechtsstaatlichkeit durch transparente, schnelle und

    nachvollziehbare Prozesse und Verfahren bei den zuständigen Behörden (insbesondere der Deutschen Rentenversicherung), sowie effektive Rechtsbehelfs- und Schlichtungsmechanismen. Die faktische Beweislastumkehr durchunbelegte Behauptungen und Vorwürfe muss beendet werden.

  3. Auftraggeber und Auftragnehmer müssen Rechtssicherheit behalten: Haftungsrisiken und Strafbarkeit müssen angesichts unklarer gesetzlicher Regelungen eingegrenzt werden, zum Beispiel durch Beibehalten der Arbeitnehmer-Überlassungsgenehmigung.
  4. Einen Positivkriterienkatalog, der auch juristischen Laien bereits bei Vertragsschluss die Einordnung und Unterscheidung zwischen Festanstellung und Selbstständigkeit ermöglicht. Wer gut und fair bezahlt wird und für sein Alter vorsorgt ist nicht schutzbedürftig!

Erläuterung:

Wir haben die obigen Forderungen eng mit den Verbänden und Organisationen abgestimmt, mit denen wir im Rahmen der Kampagne Experten-Arbeit-retten zusammenarbeiten. Hinter jeder einzelnen Forderung steht eine Vielzahl von Überlegungen, die wir im Folgenden erläutern.

Zu 1) Wir wollen erreichen, dass ein solches oder ähnliches Bekenntnis in die Begründung des „Werkvertragsgesetzes“ aufgenommen wird. Die Gesetzesbegründung und damit Intention des Gesetzgebers spielt bei der Interpretation von Gesetzen durch Gerichte eine wichtige Rolle.

Wichtig wäre, dass stärker auf den Parteiwillen, also die Absichten von Auftraggeber und -nehmer abgestellt wird, sofern nicht eine Seite besonders schutzbedürftig ist (z.B. aufgrund finanzieller Abhängigkeit oder wegen sprachlicher Verständigungsprobleme).

Solo-Selbstständige dürfen nicht aufgrund des Fehlens eines eigenen Büros, von Mitarbeitern, Maschinen, Lager etc. ("fehlende betriebliche Organisation") ein Indiz für Scheinselbstständigkeit erfüllen.

Unterbunden werden sollte auch, dass die DRV Experten, denen man als Auftraggeber aufgrund ihres Wissensvorsprungs eigentlich gar keine fachlichen Weisungen geben kann, mit Verweis auf das Konstrukt der "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" in Weisungsempfänger umdeutet. Dieses Konstrukt beruht auf einem Urteil aus dem Jahr 1962, bei dem des um die Tätigkeit eines selbstständigen Predigers in den Jahren 1945 bis 1953 ging.

Schlüssel zur Verbesserung sind Änderungen bei der DRV

Zu 2) Der Schlüssel zu einer Verbesserung ist eine Veränderung des Verhaltens der Deutschen Rentenversicherung bei Statusfeststellungsverfahren. Der Anteil der auf „abhängig beschäftigt“ entschiedenen Verfahren hat innerhalb der letzten Jahre bei unveränderter Gesetzeslage von unter 20 auf fast 50 Prozent zugenommen.

Wo immer die Sachbearbeiter irgendwelche Ansatzpunkte für eine abhängige Beschäftigung sehen – egal wie klein und im Verhältnis zu anderen Sachverhalten nachrangig – machen sie daraus ein Indiz für eine Scheinselbstständigkeit. Sie verwenden dazu Textbausteine. Ab einer gewissen Zahl von Indizien entscheiden sie dann auf eine abhängige Beschäftigung. Eine Gewichtung und die vom BAG vorgeschriebene „Gesamtbetrachtung aller Umstände“ findet nicht statt. Anwälte nennen diese Vorgehensweise „Rosinenpicken“: Statt den Kuchen als Ganzes anzuschauen, zählt man die herausgepickten Rosinen.

De facto findet auf diese Weise eine Beweislastumkehr statt. Gegen die „zusammengezimmerten“ Bescheide müssen sich Auftraggeber und –nehmer mühsam in teuren und meist langjährigen Verfahren verteidigen. Die Widerspruchsstellen der DRV versagen als Kontrollinstanz. Sie entscheiden nach Aussagen von erfahrenen Prozessanwälten in fast allen Fällen im Sinne der Behörde (zu den Zahlen gibt die DRV keine Auskunft).

Hat man dann – oft nach längerer Wartezeit – den ablehnenden Bescheid über den Widerspruch bleibt nur die Klage beim Sozialgericht. Schon in der ersten und zweiten Instanz kann das viele Jahre dauern und die Kosten sind erheblich, die man aufwenden muss um seine Rechte zu verteidigen.

Vorschläge für Verbesserungen bei der DRV im Einzelnen

Deshalb haben wir zu dieser Forderung eine ganze Reihe einzelner Maßnahmenideen entwickelt, an denen die Politik ansetzen könnte. Bereits in unserem Positionspapier (S. 5) hatten wir einen Großteil dieser Maßnahmen vorgeschlagen:

  • Wir wünschen uns Signale der Politik an die DRV, dass sie mit ihrer Vorgehensweise überzieht und rechtsstaatliche Prinzipien verletzt. Die Verwendung von Textbausteinen, die planmäßige Erhöhung der Ablehnungsquote, die Vielzahl von Prozessen gegen Selbstständige und ihre Auftraggeber, das systematische Vorgehen gegen eine Branche nach der anderen und die geradezu industrielle Produktion von Scheinselbstständigen muss aufhören. Maßstab dafür ist der Prozentsatz der freiwillig beantragten Statusfeststellungsverfahren, die auf abhängige Beschäftigung entschieden werden.
  • Wir wünschen uns von der DRV, dass sie Transparenz herstellt bezüglich ihrer Statusfeststellungs-, Widerspruchs- und Gerichtsverfahren: Wie häufig wird bei der freiwilligen Statusfeststellung auf abhängige Beschäftigung entschieden? Wie häufig werden im Widerspruchsverfahren Bescheide der eigenen Behörde einfach durchgewunken? Wie viele Prozesse führt die DRV über die Ergebnisse von Statusfeststellungsverfahren? Wie viele gewinnt bzw. verliert sie? Wie verhält sich das nach Branchen? Und natürlich: Welche Kriterien für bzw. gegen Selbstständigkeit verwendet die Behörde? Mehr Transparenz ist die Voraussetzung für eine bessere Kontrolle der Behörde durch Bürger und Politiker. Auch haben Auftraggeber und -nehmer, die gutgläubig ein Statusfeststellungsverfahren einleiten, einen Anspruch darauf, die Kriterien und Erfolgsaussichten eines solchen Verfahrens vorab zu erfahren. Dazu erfordert es ein Umdenken in der DRV. Bisher müssen wir um jede einzelne Zahl kämpfen und nur mithilfe von Bundestagsabgeordneten war es möglich, einzelne Angaben von der DRV zu erhalten. Dabei waren wiederholte Anfragen nötig und die Existenz von Zahlen wurde zunächst geleugnet.
  • Das Statusfeststellungsverfahren muss entschlackt und beschleunigt werden, am besten durch einen online durchzuführenden Schnelltest ersetzt werden. Momentan besteht es aus einem siebenseitgen Fragebogen mit Fragen, deren Bedeutung und Intention sich juristischen Laien nicht erschließt. Nach Beantwortung des Fragebogens werden weitere Fragen geschickt und dann in eiem dritten Schritt Unterlagen eingefordert. Auch in einfachen Fällen dauert eine Statusfesttellung viele Monate. Zudem ist sie für jedes einzelne Auftragsverhältnis getrennt durchzuführen und bietet nur sehr eingeschräkte Rechtssicherheit für die Zukunft.
  • Die Widerspruchsstellen der DRV müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und dürfen die Entscheidungen der eigenen Behörde nicht einfach „durchwinken“. Maßstab dafür ist der Anteil erfolgreicher Widersprüche.
  • Ergänzend halten wir es für sinnvoll, dass im Falle eines gescheiterten Widerspruchs die Möglichkeit zum Anrufen eines Schlichters oder einer Ombudsstelle ermöglicht wird. Bei anderen (privaten) Versicherungen besteht diese Möglichkeit, um eine schnellere Lösung zu finden und die Gerichte zu entlasten. Eine solche Stelle müsste allerdings auch personell ausreichend ausgestattet sein.
  • Die faktische Beweislastumkehr durch das „Fabrizieren“ von Ablehnungen verletzt rechtsstaatliche Prinzipien und sollte unseres Erachtens unterbunden werden durch eine Klarstellung im Sozialgesetzbuch, dass die DRV die Beweislast für das Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit trägt und nachvollziehbare Begründungen und Belege für ihre Entscheidungen vorlegen muss.
  • Ein weiteres Ziel ist eine verbesserte, über den Tag hinausghende Rechtssicherheit, wenn in Statusfeststellungsverfahren oder bei Betriebsprüfungen Auftragsverhältnisse als selbstständig beschieden wurden.
  • Der systematische Interessenkonflikte durch die organisatorische Eingliederung und Unterstellung der Clearingstellen für Statusfeststellungsverfahren in die DRV könnten auch dadurch abgestellt werden, dass die Clearingstellen einer anderen Behörde unterstellt werden, zum Beispel der Bafin, die ja Aufsichtsbehörde der DRV ist.

Vorschläge zur Reduzierung von Haftungsrisiken im Einzelnen

Zu 3) Angesichts der großen Rechtsunsicherheit und schweren Vorhersehbarkeit von Entscheidungen der DRV sind die Sanktionen für Auftraggeber völlig unverhältnismäßig und auch einseitig verteilt.

  • Auch der neue, entschärfte Gesetzesentwurf enthält den Wegfall der (Vorrats-) Arbeitnehmer-Überlassungsgenehmigung. Diese bot eine Fallback-Lösung für den Fall, dass eine selbstständige Tätigkeit von der DRV überraschend nicht anerkannt wurde. Bei Vorliegen einer ANÜ-Genehmigung konnte in einem solchen Fall die selbstständige Tätigkeit in eine Arbeitnehmeüberlassung umgewandelt werden. Das gab dem Auftraggeber zusätzliche Sicherheit und erhöhte damit die Bereitschaft zur Beauftragung von Selbstständigen.
  • Angesichts der großen Unklarheiten in Bezug auf die Statusfeststellung sollten die Sanktionen reduziert werden, zum Beispiel durch einen verkürzte Verjährungsfrist oder den vollständigen Verzicht auf Nachzahlungen. In unserem Positionspapier haben wir die Verkürzung der Verjährung auf sechs Monate vorgeschlagen bis Rechtssicherheit hergestellt wurde.
  • In jedem Fall sollte für die Zeit zwischen freiwilliger Beantragung einer Statusfeststellung und Bescheid ein Verzicht auf Nachzahlungen gelten. Eine solche Befreiung gibt es, die für sie geltenden Bedingungen sind jedoch wenig transparent und in der Praxis nur schwer erfüllbar.

Zu 4) Ein Positivkatalog, der auch juristischen Laien bereits bei Vertragsabschluss die Einordnung ermöglicht: Hierzu haben wir in unserem Positionspapier (Seite 4 f.) konkrete Vorschläge gemacht, die von zahlreichen Verbänden und Organisationen positiv aufgenommen und teils weiterentwickelt wurden.

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