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Wo sich Union, FDP und Grüne einig sind - und wo nicht / Jetzt mit Video-Zusammenfassung

Was die künftige Regierung betrifft, ist der Wahlabend überraschend klar ausgefallen: Alles läuft auf eine Koalition zwischen CDU/CSU (schwarz), FDP (gelb) und Bündnis 90 Grüne (grün) hinaus.

Daumen nach oben oder nach unten: Wer kann welches Anliegen in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen?

(Zur Wahlanalyse / zum Abgeordneten-Check / zum Prognosen-Check)

Wir haben die Antworten der voraussichtlichen künftigen Regierungsparteien auf unsere Wahlprüfsteine noch einmal genau angeschaut, um Aussagen darüber zu treffen, was Jamaika uns Selbstständigen inhaltlich bringen wird und was daraus für die Arbeit des VGSD folgt.

Chance auf mehr Rechtssicherheit bei Scheinselbstständigkeit - aber kein Selbstläufer

Mit Jamaika besteht die Chance, dass in Hinblick auf das Thema Scheinselbstständigkeit mehr Rechtssicherheit geschaffen wird. Damit wirklich etwas geschieht, braucht es aber weiterhin erheblichen (und eher wieder zunehmenden) Druck von unserer Seite:

Die Union hat das von der großen Koalition zum 1.4.17 eingeführte „Werkvertrags-Gesetz“ („Gesetz zur Änderung der Arbeitnehmerüberlassung“) verteidigt und ebenso das Statusfeststellungsverfahren als „bewährt“ bezeichnet. Das Gesetz war Ergebnis harter und langwieriger Auseinandersetzungen nicht nur zwischen SPD und Union, sondern auch zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften.


In diesem Video hat exali.de die Positionen der wahrscheinlichen künftigen Regierungsparteien zu unseren wichtigsten Anliegen hintereinander montiert. Die Playlist enthält auch die Videos, die wir in den letzten Wochen zu den verschiedenen Politikbereichen gemeinsam produziert haben. Jetzt den YouTube-Kanal des VGSD entdecken und abonnieren!


Das bedeutet nun nicht unbedingt, dass die Union bereitwillig den mühsam gefundenen Kompromiss aufschnüren wird. Immerhin rang sich die Union aber vor der Wahl zu der Aussage durch, sie wolle das Statusfeststellungsverfahren „schneller und bürokratieärmer machen“.

Die Grünen haben das Statusfeststellungsverfahren ebenfalls als „bewährt“ bezeichnet, aber auch auf Kritik und Verbesserungsbedarfs hingewiesen. Sie haben eine eindeutige und praxistaugliche Regelung gefordert, ohne allerdings konkret zu werden.

Wir setzen unsere Hoffnungen hier insbesondere auf die FDP, die die vorhandenen Abgrenzungskriterien als „aus der Zeit gefallen“ bezeichnet hat und klare Positivkriterien gefordert hat.

Was die Parteien im Einzelnen geantwortet haben

Altersvorsorgepflicht kaum noch abzuwenden - aber die Parteien haben seit 2013 dazu gelernt

Union und FDP sind für die Einführung einer Altersvorsorgepflicht mit der Wahlmöglichkeit zwischen Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) und privaten Formen der Altersvorsorge. Details möchte die Union auf eine Rentenkommission delegieren, die bis Ende 2019 Vorschläge erarbeiten soll.

Konkreter wurde die FDP: Sie möchte zusätzlich auch Fondsanlagen, Immobilien und Rückstellungen im Betriebsvermögen als Altersvorsorge anerkannt wissen. Von der Höhe her müsste „nur“ eine Vorsorge in Höhe der Grundsicherung im Alter nachgewiesen werden.

Vorteile bringen könnte die Regelung bisher rentenversicherungspflichtigen Selbstständigen wie Handwerkern und Lehrern. Sie hätten – wenn es nach der FDP geht – künftig ebenfalls die Wahl, privat vorzusorgen.

Die Grüne werden sich mit ihrem Wunsch, eine Rentenversicherungspflicht einzuführen unter dieser Konstellation wohl nicht durchsetzen. Auch die Idee, Auftraggeber nach dem Vorbild der KSK an den Sozialversicherungsbeiträgen zu beteiligen, dürfte damit vom Tisch sein.

Alle Parteien haben sich erfreulicherweise dazu bekannt, dass es großzügige Übergangsregelungen und Kulanzzeiten für Gründer geben müsse. Außerdem dürften die Zahlungen die Selbstständigen nicht überfordern.

Eine Altersvorsorgepflicht dürfte also nur noch schwer abzuwenden sein, allerdings wird sie nicht wie vor fünf Jahren von Schwarz-gelb zunächst geplant (und von uns erfolgreich bekämpft) als hoher fixer Betrag kommen, sondern einkommensabhängig und nach oben gedeckelt gestaltet sein. Zudem dürfte den Beteiligten im Laufe der letzten Legislaturperiode klar geworden sein, dass eine Einführung nur möglich ist, wenn man zuvor die Belastung der Selbstständigen mit geringem und mittlerem Einkommen in der gesetzlichen Krankenversicherung reduziert.

Was die Parteien im Einzelnen geantwortet haben

Faire Krankenkassenbeiträge: Noch viel Druck erforderlich

Grundsätzlich haben alle Parteien das Problem der hohen Mindestbeiträge erkannt – auch die CDU/CSU, wenn man ihren Antworten auf unseren entsprechenden Wahlprüfstein Glauben schenkt. Trotzdem lehnt die Union offiziell noch immer jede Form von Absenkung ab. Das Thema soll erst im Rahmen eines „Masterplans Selbstständigkeit“ beraten werden. Dabei werden sich die bestehenden Probleme durch eine Gesetzesänderung schon zum 1.1.18 weiter verschärfen.

Die Grünen wollen die Mindestbemessungsgrenzen auf 991 Euro absenken, was der Situation bei anderen freiwillig Versicherter entsprechen würde. Die FDP möchte einkommensabhängige Beiträge, was wir als Forderung nach einer Absenkung auf 450 Euro interpretieren.

Mit unserer Petition und weiteren Maßnahmen müssen wir in Hinblick auf den Koalitionsvertrag und die Zeit danach weiter dringend Druck aufbauen, um eine Entscheidung zu beschleunigen und eine möglichst weitgehende Gleichbehandlung zu erreichen.

Was die Parteien im Einzelnen geantwortet haben

Große Reform der privaten Krankenversicherung statt Einführung der Bürgerversicherung

Die FDP will eine große Reform der privaten Krankenversicherung (PKV)erreichen: Die PKV muss dann jedes Mitglied im Basistarif aufnehmen und die privat Versicherten sollen ein Rückkehrrecht in die GKV erhalten. Die Altersrückstellungen sollen individuell berechnet werden und bei einem Wechsel zu einer anderen PKV mitgenommen werden können. Das würde mehr Wettbewerb im PKV-Markt schaffen, weil dadurch für bestehende Versicherte ein Wechsel erstmals wirtschaftlich sinnvoll möglich wäre.

Die CDU möchte einfach nur an der PKV festhalten und extreme Beitragserhöhungen verhindern.

Die Grüne werden sich mit ihrer Vorstellung einer Bürgerversicherung, in die alle einkommensabhängige Beiträge zahlen, wohl nicht durchsetzen.

Was die Parteien im Einzelnen geantwortet haben

Arbeitslosenversicherung für Selbstständige: Die Grünen würden gerne reformieren

CDU und FDP wollen nichts ändern. Sie erkennen in der aktuellen Regelung keine Probleme, obwohl die Arbeitslosenversicherung für Selbstständige offensichtlich unattraktiv ist: Ein Großteil der Selbstständigen hat sie bereits verlassen bzw. verlässt sie nach der Gründungsphase.

Intensiv beschäftigt haben sich mit dem Thema vor allem die Grünen (namentlich die arbeitsmarktpolitische Sprecherin Brigitte Pothmer). Sie will Selbstständigen die Wahl zwischen vollen und halben Beiträgen einräumen. Das Problem mit diesen Wahltarifen: Der volle Beitrag ist für viele zu teuer, der halbe Beitrag lohnt sich vom resultierenden Arbeitslosengeld-Anspruch nicht richtig, weil man dann ja unter Umständen auch gleich Hartz IV beantragen kann (wenn man über keine nennenswerten Erspartnisse verfügt). Die Ausweitung des Arbeitslosengeld-Anspruchs auch auf Studenten und andere Gruppen, die vorher nicht in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, könnte problematische Anreize setzen.

Wir würden uns wünschen, dass die Bundesagentur für Arbeit nachrechnet, was die Selbstständigen an Beiträgen einzahlen und was für sie an Arbeitslosengeld I ausgegeben wird. Dazu hat sie bis zum heutigen Tag keine Zahlen veröffentlicht. Vielleicht sind die Risiken bei Selbstständigen ja niedriger als bei Angestellten und man könnte niedrigere Beiträge erheben? Vielleicht gibt es auch andere Formen der Ausgestaltung, die stärker von der tatsächlichen Bedarfslage der Selbstständigen ausgehen und sich zum Beispiel auf die Unsicherheit in der Gründungsphase konzentrieren.

Was die Parteien im Einzelnen geantwortet haben

Kammerpflicht: Nur die Grünen wollen eine Reform

Die CDU ist für den Erhalt der Pflichtmitgliedschaft, auch wenn sie die Kammern zu mehr Transparenz mahnt, an die Verpflichtung gegenüber dem Gesamtinteresse der Mitglieder erinnert und fordert, die Kammern müssten ihren Mitgliedern einen spürbaren Mehrwert bieten. Den sieht sie in der Bildungsarbeit der Kammern und möchte die Dienstleisterfunktion eher noch ausbauen.

Die FDP ist zwar grundsätzlich für Freiwilligkeit. Mit der Begründung, dass sie staatliche Aufgaben wahrnehmen, sieht sie aber bei Kammern die Pflichtmitgliedschaft als gerechtfertigt an. Letztlich möchte man sich nicht einmischen... Um Reformen zu erreichen, müssen die Mitglieder also weiterhin selbst Druck machen.

Die Grünen sind am kammerkritischsten, fordern eine umfassende Reform und haben dazu detaillierte Vorschläge gemacht. Sie sind auch die einzige Partei, die die Kammerpflicht in Frage stellt – für den Fall, dass die von ihnen vorgeschlagenen Reformen nicht gelingen.

Was die Parteien im Einzelnen geantwortet haben

Minijobs: Möglicherweise bald 530,40-Euro-Jobs?

CDU und FDP wollen die Minijobs erhalten, die FDP möchte die Betragsgrenze sogar auf 530,40 Euro erhöhen und dynamisieren (auf das 60-fache des Mindestlohns). Beide Parteien wollen die Aufzeichnungsregeln vereinfachen. Die Grünen haben sich gegen eine Vereinfachung der Aufzeichnungspflichten geäußert.

Was die Parteien im Einzelnen geantwortet haben

Fahrverbote oder Nachrüstung - die Frage wird wieder aktueller

Union und FDP lehnen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge ab, die FDP bezeichnet sie als Enteignung der Käufer. Die Union verweist auf ihr Ziel, die Elektromobilität voran zu treiben durch Aufbau einer Ladeinfrastruktur, Kaufanreize u.U. auch für Gewerbetreibende und Umrüstung des ÖPNV und öffentlichen Fuhrparks. Auch die Grünen drücken sich vorsichtig aus: Die Autos müssten auch im Echtbetrieb die Grenzwerte einhalten, ein Fahrverbot sei aber nicht Ziel grüner Umweltpolitik. Nachrüstungen dürften nicht zu Lasten der Pkw-Halter gehen.

Was die Parteien im Einzelnen geantwortet haben

Gründungsförderung: Viele Ideen, womöglich noch Jahre bis zu einem klaren Konzept

Die Union möchte mehr Gründer(kultur) in Deutschland, sich dafür aber Zeit lassen bis 2019, dann soll ihr “Masterplan Selbstständigkeit” fertig sein. Sie zählt Maßnahmen wie Beratung, Förderung, Bürokratieabbau und Wagniskapital auf. Obwohl sie schon seit 12 Jahren an der Macht ist, erkennt sie ein Defizit. Immerhin! Es wäre aber schön, wenn wir - nach dieser späten Erkenntnis auf entsprechende Maßnahmen nicht bis 2020 warten müssten!

Auch die Grünen wollen eine neue Gründerzeit. Im Mittelpunkt steht dabei ein zinsloses Darlehen von 25.000 Euro für Gründungswillige, also quasi ein Gründer-Bafög. Das würde dann womöglich den nicht rückzahlbaren Gründungszuschuss ersetzen. Daneben sprechen sich die Grünen für Entbürokratisierung und den “One-stop-shop” für Gründer aus.

Die FDP hat eine Vielzahl von Ideen entwickelt, das Gründungsgeschehen in Deutschland wieder anzukurbeln. Alle von den anderen Parteien genannten Ansätze plus eigene Ideen sind hier aufgelistet.

Bezüglich des Gründungszuschusses will die FDP eine erneute Evaluation durchführen und ggf. wieder eine Ausweitung beschließen. Sie drückt sich hier aber recht vorsichtig aus. Die Wiedereinführung eines Rechtsanspruchs ist nicht geplant.

Was die Parteien im Einzelnen geantwortet haben

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