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Zweiter IHK Selbstständigentag Aiwanger rechtfertigt Soforthilfechaos – Lutz fordert Altersvorsorgedepot

Von einem "politischen Massaker an Selbstständigen" war die Rede, von einem Gang "auf dünnem Eis" - aber auch von zunehmender Zuversicht. Über einen Tag, an dem Tacheles geredet wurde. Auch vom VGSD. 

Andreas Lutz richtet sich an MdL Stephanie Schuhknecht und Matthias Henze

Selbstständige, seid selbstbewusst! Das war der Tenor auf dem Selbstständigentag der IHK München und Oberbayern. Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl betonte in seiner Eröffnungsrede: "Sechs von zehn IHK-Mitgliedern sind Solo-Selbstständige. Anders gesagt: Selbstständige sind die Mehrheit."

Gößl klang stellenweise fast feierlich, zum Beispiel als er die Pandemie endgültig für beendet erklärte, gleichzeitig aber warnte: "Wir bewegen uns nach wie vor auf dünnem Eis." Ähnlich auch die Rede von Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Der bayerische Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident blickte zurück auf die Corona-Krise, in der "die Politik ein Massaker an Selbstständigen" begangen hätte; er verteidigte die mit heißer Nadel gestrickten Hilfsprogramme und freute sich, dass die "Endzeitstimmung" aus dem Herbst 2022 überstanden sei. "Hurra, wir leben noch", fasste Aiwanger die Lage der Selbstständigen aus seiner Sicht zusammen. 

"Pistole im Rücken"

Überraschend ausführlich und offen ging Aiwanger auf die Corona-Soforthilfen ein, die - entgegen anderer Zusagen - in Bayern seit Dezember zurückgefordert werden: Er rechtfertigte die Entscheidung mit Druck aus der Bundesregierung, sprach von der buchstäblichen "Pistole im Rücken". Dennoch nahm Aiwanger auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Schutz, der wiederum auf Druck des Bundesrechnungshofes handeln würde. Er ging auch auf Nordrhein-Westfalen ein, wo aufgrund missverständlicher Formulierungen in den Antragsformularen Rückforderungen von den Gerichten verworfen wurden und das Land nun finanziell gegenüber dem Bund einspringen muss. Wäre es in Bayern so gelaufen wie dort, wäre er seinen Job losgewesen, sagte Aiwanger. Was er nicht sagte: Dass die tatsächliche Verantwortung für das Soforthilfechaos bei den Regierenden aus dem Jahr 2020 liegt, besonders beim damaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und dem damaligen Finanzminister Olaf Scholz (SPD). 

Minister Aiwanger will aber nicht, dass die Rückzahlungen Betroffene zur Geschäftsaufgabe zwingen: Wer als Selbstständiger in Bayern gerade aufgefordert wird, Corona-Hilfen zurückzuzahlen, könne die Rückzahlung zumindest auf zwei Jahre stückeln oder stunden. Betroffene sollten dafür den Austausch mit der zuständigen Behörde suchen, riet Aiwanger. 

Selbstständige springen für Angestellte in die Bresche

Das Wortspiel "selbst und ständig" kam natürlich auch an diesem Tag zur Sprache. Ein Anliegen von Aiwanger in diesem Zusammenhang: Flexiblere Arbeitszeiten. Es könne nicht sein, dass Selbstständige immer häufiger für Angestellte in die Bresche springen müssten, weil deren Arbeitszeit so unflexibel geregelt sei. Vor allem angesichts des sich verschärfenden Fachkräftemangels sei das ein Unding. Selbstständigkeit, betonte Aiwanger, stehe für ihn für Flexibilität und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. 

VGSD auf dem Panel vertreten

Bevor sich die Veranstaltung in mehrere parallele Vortragsevents aufteilte, darunter auch ein Vortrag von VGSD-Mitglied Karsten Klepper zum Thema "Personal Branding", trafen sich zur Diskussion VGSD-Vorstand Andreas Lutz, die Landtagsabgeordnete Stephanie Schuhknecht (Grüne) und Matthias Henze, Gründer von Jimdo. Andreas nutzte die Gelegenheit, um deutlich zu machen, wie Selbstständige wahrgenommen werden wollen: "Die meisten Selbstständigen sind freiwillig und gerne selbstständig", sagte er, "sie wünschen sich aber mehr Respekt für ihren Beitrag für Wirtschaft und Gesellschaft."

Auf das Angebot von Schuhknecht "ein bürokratiearmes erstes Jahr" für Selbstständige zu schaffen, wie es schon vor Jahren von der FDP vorgeschlagen wurde, entgegnete Andreas: "Nicht nur für das erste Jahr sind Vereinfachungen dringend nötig – sondern auch darüber hinaus." Für die wiederholte Forderung des VGSD ein Altersvorsorgedepot für Selbstständige einzuführen, wie es auch kürzlich von Finanzminister Christian Lindner (FDP) ins Spiel gebracht wurde, gab es im Saal viel Applaus: "Unser Wunsch ist die Einführung eines Altersvorsorge-Depots nach US-Vorbild, das unsere Ersparnisse in Krisenzeiten schützt und auch kostengünstiger und damit rentabler als bestehende Angebote ist", sagte Andreas.  

Am Ende der Veranstaltung gingen viele Teilnehmer mit einem guten Gefühl nach Hause. So manch einer auch selbstbewusster als zu Beginn. 

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