Petition, Positionspapier und das Engagement vieler Verbände und Einzelpersonen haben gewirkt: Das Jahressteuergesetz 2024 kommt nicht in der zunächst geplanten Form. Bildungsanbieter und selbstständige Lehrer können aufatmen. Im Bereich Musik und Tanz wollen wir noch mehr erreichen.
Zusammen bewirkt man mehr als allein: Am 18. Oktober wurde vom Deutschen Bundestag das Jahressteuergesetz 2024 verabschiedet – und zwar in einer Fassung, die die Forderungen zweier Positionspapiere von insgesamt 38 Verbänden und einer Petition mit 105.010 Unterstützenden weitgehend umsetzt. Damit wurde die Umsetzung des Regierungsentwurfs zu § 4 Nr. 21 Umsatzsteuergesetz (UstG) aus dem Bundesfinanzministerium (BMF) vom Juni abgewendet. Dieser hätte die Umsatzsteuerfreiheit und damit die Bezahlbarkeit von Bildungsangeboten gefährdet und zum Verlust vieler Aufträge für Selbstständige geführt.
Die entscheidenden Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf sind:
• Das Bescheinigungsverfahren bleibt erhalten. Landesbehörden erteilen weiterhin vorab die Steuerbefreiung.
• Die geplante bürokratische Unterscheidung von Ausbildung versus Fortbildung ist gestrichen.
• Damit bleibt eine Gewinnerzielungsabsicht zulässig.
• Die selbstständigen Lehrenden (Honorarkräfte) bleiben wie bisher ausdrücklich durch den Gesetzeswortlaut befreit.
• Damit verteuert sich Weiterbildung ab 2025 nicht.
Namen werden im Bundestag genannt
Damit wurden die wichtigsten Änderungen, die der VGSD zusammen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) in einem Positionspapier gefordert hatte, umgesetzt. An dem Positionspapier hatten VGSD-Mitglied Joachim Wenzel und BAGSV-Mitglied Hans-Jürgen Werner entscheidenden Anteil. Die Musikerin Saskia Saegeler hatte gegen den geplanten Entwurf eine Petition gestartet, die mehr als 100.000 Unterschriften sammelte und die unser politischer Leiter Jörn Freynick Anfang Oktober in Berlin an die beiden Bundestagsabgeordneten Tim Klüssendorf (SPD) und Markus Herbrand (FDP) (mit-)übergeben durfte.
Der konstruktive Protest kam bei den politischen Entscheidungsträgern an – und wurde in der Bundestagssitzung von Klüssendorf sogar namentlich gewürdigt. Klüssendorf sagte in seinem Redebeitrag in der Plenarsitzung:
„Besonders bedanken möchte ich mich in dem Zusammenhang auch für das Engagement, das hinter dieser Petition steckt. Und auch hinter den vielen Eingaben, die wir in den letzten Wochen und Monaten bekommen haben. Ganz besonders in aller vorderster Linie waren das Frau Saegeler, Herr Werner, Herr Wenzel, die mit uns gemeinsam über viele Stunden und Tage diskutiert haben, die uns auch gute Vorschläge unterbreitet haben, wie man vielleicht auch zukünftig das Gesetz noch besser machen kann."
Weitere geforderte Änderungen aufgenommen
Die vom Bundestag beschlossene Fassung des Jahressteuergesetzes nahm weitere geforderte Änderungen auf:
• Der Text der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 UStG: a) bb) wird inhaltlich ausgeweitet und damit rechtssicherer. Bisher hieß es: „wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten“. Ab 01.01.2025 soll es heißen, „wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen“.
• Damit werden ab 2025 bundesweit auch Fortbildungen von der Umsatzsteuer befreit, wodurch Weiterbildung weitergehender als bisher von der Umsatzsteuer befreit wird.
• Privatlehrer/innen werden erstmals auch als befreit genannt (Forderung der EU-Kommission), worauf sich Coaches und Supervisor/innen unter bestimmten Voraussetzungen berufen können. Damit verringert sich in diesen Fällen die anzurechnende Summe des Gesamtumsatzes bei Kleinunternehmen, da nach § 19 Abs. 3 UstG die Umsätze nach § 4 Nr. 21 UstG auszunehmen sind. Bislang war das nicht möglich, da man sich bei der Befreiung für Coaching/Supervision bis einschließlich 2024 nur unmittelbar auf die EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie berufen konnte.
Allen, die sich mit Briefen, Mails oder persönlich an Abgeordnete, Landesregierungen oder Ministerien gewendet haben oder die Petition „Qualifizierter Musikunterricht muss umsatzsteuerfrei bleiben!“ unterstützt haben, sei hiermit herzlich gedankt!
Rechtssicherheit im Bereich Musik- und Tanzunterricht fehlt
Die beschlossenen Änderungen lösen die Probleme in vielen Feldern der beruflichen Weiterbildung. Im Bereich von Musik- und Tanzunterricht ist die Rechtslage jedoch komplexer: Hier ist die Anerkennung als Bildungsleistung nicht automatisch sichergestellt. Teilweise stufen Finanzämter Musik- und Tanzunterricht als Freizeitgestaltung ein. Eine Klarstellung könnte möglicherweise durch ein Einführungsschreiben des BMF erfolgen, um Musik- und Tanzunterricht auch in der tatsächlichen Praxis rechtlich abzusichern. Dies hat der Bundesrat gefordert.
Der Deutsche Musikrat ist deshalb mit der beschlossenen Fassung des Gesetzes nicht ganz zufrieden. Er schreibt in einer Stellungnahme vom 22. Oktober: „Der Deutsche Musikrat fordert den Bundesrat auf, die bestehenden Rechtsunsicherheiten im Entwurf für das Jahressteuergesetz zu eliminieren. Wir begrüßen es zwar durchaus, dass laut § 4 Nummer 21 das Bescheinigungsverfahren für private Musiklehrende nun doch bestehen bleibt. In diesem Zusammenhang fordern wir Bestandsschutz für die bereits ausgestellten Bescheinigungen. Dennoch ist die Umsatzsteuerbefreiung für viele Musiklehrende weiterhin nicht sichergestellt, da es bisher den Finanzämtern überlassen war, die Bescheinigungen anzuerkennen.“
Einladung zu weiterer Mitwirkung
Die Arbeit für eine Umsatzsteuerbefreiung im Bildungsbereich ist also noch nicht abgeschlossen. Dies sieht auch MdB Klüssendorf. Er sagte in seinem Redebeitrag im Bundestag weiter:
"Ich glaube mit diesem minimalinvasiven Eingriff, den wir heute jetzt machen, ist natürlich die Debatte nicht beendet. Wir müssen uns weiter darum kümmern, dass die Umsatzsteuer für Bildungsleistungen wirklich rechtssicher gestaltet wird. Das wird sicherlich in weiteren Gesetzesverfahren auch immer wieder eine Rolle spielen.“
Wir sehen diese Aussage als Einladung und Ermutigung, uns weiterhin konstruktiv einzubringen und für mehr Rechtssicherheit zu kämpfen. Wir freuen uns, dass wir als VGSD engagierte Menschen zusammenbringen und mit unseren Ressourcen dazu beitragen, politische Erfolge zu erzielen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit der Petentin Saskia Saegeler, die mit ihrer Petition am Beispiel Musikunterricht auf die fatalen Folgen des geplanten Regierungsentwurfs öffentlichkeitswirksam aufmerksam machte.
Engagierte Einzelne noch erfolgreicher machen
Bei dem Erreichten darf es nun nicht bleiben. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für berufliche Weiterbildung sind auch in anderen Bereichen problematisch geworden. Als Stichwort sei hier das Thema „Scheinselbstständigkeit“ genannt. Das berüchtigte "Herrenberg-Urteil" zeigt seine Wirkung. Auch hier bringen wir uns konstruktiv in die politische Arbeit ein, arbeiten erfolgreich mit anderen Verbänden zusammen und bieten die Infrastruktur, um engagierte Einzelne noch erfolgreicher zu machen.
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