Ein Gesetzentwurf gefährdet die Bezahlbarkeit von Bildungsangeboten und bedroht Selbstständige. Mit 34 weiteren Verbänden setzt sich der VGSD für eine Überarbeitung ein. Engagierte VGSD- und BAGSV-Mitglieder haben die Initiative entscheidend vorangebracht.
35 Verbände haben das gemeinsame Positionspapier "Bildung umfassend fördern statt verteuern und bürokratisieren" mitgezeichnet. Entwickelt wurde es von BAGSV-Mitglied Hans-Jürgen Werner, Justiziar des Deutschen Berufsverbands für Tanzpädagogik, und VGSD-Community-Mitglied Joachim Wenzel in enger Absprache mit unserem Leiter Politik Jörn Freynick. Die Initiative zeigt beispielhaft, wie sich einzelne Mitglieder in BAGSV und VGSD mit ihrem Engagement einbringen.
Worum geht es? – Seit vielen Jahren gibt die EU vor, dass Bildung in allen Mitgliedsstaaten durch die Befreiung von der Umsatzsteuer gefördert werden soll. Denn Bildung wird in der Regel von Privatpersonen in Anspruch genommen und bezahlt, so dass die Erhebung von Umsatzsteuer Bildungsangebote um 19 Prozent verteuern würde.
Referentenentwurf liegt vor
Mit dieser umfassenden Befreiung hat sich der deutsche Gesetzgeber in der Vergangenheit schwergetan und wurde mehrfach, zuletzt im Februar 2024, von der EU-Kommission gerügt. Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2024 muss er deshalb § 4 Nr. 21 UStG an EU-Recht, konkret an Artikel 132 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (mit dem schönen Kürzel "MwStSystRL"), anpassen.
Nun liegt ein Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2024 vor. Diesem zufolge soll das bisherige Bescheinigungsverfahren zur Befreiung von der Umsatzsteuer wegfallen und die Entscheidung darüber, ob ein Angebot eine "Bildungsleistung" (umsatzsteuerbefreit) oder eine "Freizeitbeschäftigung" (umsatzsteuerpflichtig) ist, den Finanzämtern obliegen. Im Bereich der Fortbildung setzt die Steuerbefreiung voraus, dass der Bildungsanbieter keine systematische Gewinnerzielung anstrebt.
Ruin durch Nachforderungen droht
Die Umsetzung soll also abermals nur halbherzig geschehen, so dass die schon jetzt im Bildungsbereich bestehende Rechtsunsicherheit, ob nun eine Umsatzsteuerbefreiung gilt oder nicht, weiter zunehmen könnte.
Was sind die praktischen Auswirkungen dieser Unsicherheit? – Bildungsanbietern, aber auch für diese Anbieter tätigen Honorarlehrkräften, die sich auf die Befreiung verlassen, könnte es passieren, dass Jahre später das Finanzamt kommt und die – den Kunden gar nicht in Rechnung gestellte – Umsatzsteuer von ihnen erstattet bekommen möchte. Es geht dabei um 19 Prozent, also fast ein Fünftel des in diesen Jahren erzielten Umsatzes. Die Honorare der Lehrenden ebenso wie die Margen der Bildungsanbieter sind aber meist niedrig. Bildungsanbieter könnten solche Nachforderungen den Gewinn mehrerer Jahre kosten und sie in den Ruin stürzen, Lehrende könnten sie in die Verschuldung treiben.
Vorteil für B2B-Bildungsanbieter
Anders verhält es sich bei Unternehmen, die zumeist selbst umsatzsteuerpflichtig sind und deshalb die in Mitarbeiter-Trainings enthaltene Umsatzsteuer vom Finanzamt erstattet bekommen. Für Bildungsanbieter, die sich auf solche umsatzsteuerpflichtigen Firmenkunden konzentrieren, ist das Erheben von Umsatzsteuer sogar von Vorteil, denn für ihre Kunden ist die Umsatzsteuer durchlaufender Posten, sie selbst können auf Ausgaben wie den Bau von Schulungsräumen bezahlte Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückholen. Der Vorteil der einen ist der Nachteil der anderen.
Hätte der deutsche Gesetzgeber es alleine in der Hand, würde er vielleicht ein Wahlrecht einrichten: Grundsätzlich gälte eine Umsatzsteuerbefreiung, aber B2B-Anbieter könnten zur Umsatzsteuer optieren. Genau dies erlaubt die EU aber nicht. Ihre Umsatzsteuerbefreiung ist bindend und muss in nationales Recht umgesetzt werden.
Regierung widerspricht eigener "Wachstumsinitiative"
Das EU-Recht ist eindeutig: Es möchte Bildung umfassend von der Umsatzsteuer befreien, "Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul-und Hochschulunterricht, Aus-und Fortbildung sowie berufliche Umschulung", wie es in der Richtlinie heißt.
Statt dies 1:1 umzusetzen, verkompliziert die Bundesregierung die Regelung durch neue Ausnahmen und schafft damit zusätzliche Bürokratie und Rechtsunsicherheit. Damit widerspricht sie der im Juli gerade erst von ihr beschlossenen "Wachstumsinitiative". In ihr heißt es, dass "die Bundesregierung ab sofort EU-Richtlinien 1:1 in nationales Recht umsetzen und bestehende überschießende Umsetzungen identifizieren und reduzieren" wird.
Gewinn ist nicht verwerflich, sondern lebensnotwendig
Für Fortbildung – in der EU-Richtlinie ausdrücklich miterwähnt – sollen in Deutschland andere Regeln gelten als für Ausbildung. Eine Steuerbefreiung soll hier nur gelten, wenn bei deren Anbietern keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Doch Aus- und Fortbildung geschehen oft in ein- und denselben Kursen, der Unterschied besteht lediglich in den Motiven der Teilnehmenden. Was für die einen Fortbildung ist, ist für die anderen Ausbildung.
Zudem ist Gewinn nichts moralisch Verwerfliches, sondern das, wovon Einzelunternehmer/innen und GbR-Gesellschafter/innen ihre private Miete, Lebenshaltungskosten und soziale Sicherung bezahlen. Sämtliche Lehrende und Weiterbildungsanbieter, die (auch) in Ausbildungsangeboten involviert sind, müssten unter dem Damoklesschwert leben, dass die Umsatzsteuerbefreiung nicht greift.
Keine Sonderregelung für Ausbildung!
Nicht besser wird es dadurch, dass in anderen Bereichen, vielleicht bei denselben Teilnehmer/innen die Umsatzbefreiung greift: Je nach Motiv der Teilnahme müsste von einigen Teilnehmern der Kurspreis ohne, von anderen mit Umsatzsteuer erhoben werden. Sowohl Anbieter als auch Lehrende müssten zwei Gewinnermittlungen erstellen – was eine Verdopplung ihrer Steuerberatungskosten bedeutet. Diese Nachteile überwiegen die Vorteile der B2B-Bildungsanbieter, zudem ist das EU-Recht eindeutig. Deshalb fordern wir eine europarechtskonforme Umsetzung: Keine Sonderregelung für Ausbildung.
Eine zweite geplante Änderung ist die Abkehr vom Bescheinigungsverfahren, das sich über viele Jahre bewährt hat: Bildung ist Ländersache und bisher müssen Bildungsanbieter bei einer zuständigen Landesbehörde die Umsatzsteuerbefreiung beantragen. Den entsprechenden Bescheid legen sie ihren selbstständigen Lehrkräften vor, die Befreiung gilt dann auch für diese. Bisher ...
Bescheinigungsverfahren sollte verbindlicher gemacht werden
Die Regierung möchte die Entscheidung nun auf die Finanzbehörden verlagern. Doch diesen fehlt bildungsspezifisches Know-how. Zudem ist es schwer bis unmöglich, von einer Finanzbehörde vorab eine Einschätzung zur Umsatzsteuerbefreiung zu erhalten. Es besteht die Gefahr, dass die Ämter Jahre später zu einer von der Einschätzung des eigenen Steuerberaters abweichenden Einschätzung kommen und dann existenzgefährdende Nachzahlungen fällig werden. Stattdessen sollte das Bescheinigungsverfahren unseres Erachtens verbindlicher gemacht werden, indem der Entscheid der zuständigen Landesbehörde als Grundlagenbescheid nach Abgabenordnung anerkannt wird.
Schließlich verwendet der Gesetzgeber in der Neuregelung nur den Begriff des "Privatlehrers". Erst in der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass auch "selbstständige Lehrer" mitgemeint sind. Um Fehlauslegungen zu vermeiden, ist es nötig, beide Begriffe im Gesetz gleichberechtigt nebeneinander zu verwenden.
Netzwerkgedanke prägt die Arbeit
Unsere zunächst sehr juristisch klingenden Forderungen haben für die betroffenen Bildungsanbieter und selbstständig Lehrenden existenzielle Bedeutung. Deshalb freuen wir uns, dass wir so viele Verbände dafür gewinnen konnten, das Positionspapier zu unterstützen. Der VGSD sieht sich als Teil eines Netzwerks, in dem jeder seine Stärken einbringt. Unsere politische Arbeit wird im Verbund noch stärker.
Wir haben das Positionspapier vergangene Woche an die Geschäftsstelle der Kultusministerkonferenz, Vertreter des Finanzministeriums und die Berichterstatter im Finanzausschuss versendet und rechnen damit, dass wir mit ihnen in den nächsten Wochen eine Vielzahl intensiver Gespräche führen werden. Außerdem versenden wir zeitgleich mit der Veröffentlichung dieses Beitrags eine Pressemitteilung, um die Diskussion so in die (Fach-)Medien zu tragen.
Erfreuliche Zusammenarbeit
Wir hoffen, dass es uns gelingt, eine europarechtskonforme und damit für kleinere Bildungsanbieter und Lehrende rechtssichere Umsetzung zu erreichen. Neben der Rechtssicherheit für die Anbieter geht es darum, dass Aus-, Fort-und Weiterbildung, aber auch Angebote wie Musik-und Tanzunterricht in Deutschland erschwinglich bleiben.
Wir danken Hans-Jürgen Werner und Joachim Wenzel für die intensive Zusammenarbeit an dem Positionspapier: Hans-Jürgen hat sein umfassendes juristisches Wissen und vielfältige Kontakte zu Bildungsverbänden eingebracht, Joachim Wenzel sein Praxis-Know-how als Hochschul-Lehrender und selbstständiger Anbieter in der Coaching-Ausbildung, um eine knappe und gut verständliche Formulierung sicherzustellen. Gerne werden wir auch bei anderen Anliegen mit Experten wie Joachim und Hans-Jürgen zusammenarbeiten, um solche Positionspapiere zu entwickeln!
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