Die Ampel-Fraktionen hatten die Regierung im November letzten Jahres um die Entwicklung eines kostenloses Tools zum Anzeigen und Erstellen von E-Rechnungen gebeten. Dann geschah erst mal lange nichts. Gestern hat das BMF die Bitte offiziell abgelehnt.
Genau rechtzeitig zu unserer großen Online-Konferenz zur E-Rechnungspflicht am 11. September hat die Bundesregierung ihre Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU veröffentlicht (Bundestags-Drucksache 20/12742). Die Union ist besorgt, weil die E-Rechnung in dreieinhalb Monaten in Kraft tritt und viele Unternehmen und Selbstständige noch nicht ausreichend vorbereitet sind. Außerdem hat man sich auf EU-Ebene noch immer nicht auf ein einheitliches (Melde-)System geeinigt, also auf den Schritt, der auf die Einführung der E-Rechnung folgen soll. Die spannendste Antwort auf die 18 Unions-Fragen war die nach dem von der Regierung bereitzustellenden kostenlosen E-Rechnungs-Tool. Tipp: Für das Verständnis der Regierungsantworten ist es hilfreich, unsere Antworten auf die häufigsten Fragen zur E-Rechnung zu kennen.
SPD, Grüne und FDP haben vor einem Jahr um kostenloses Tool gebeten
Laut einem Bericht des Finanzausschusses vom 16. November 2023 (Drucksache 20/9396) hatten SPD, Grüne und FDP die Bundesregierung „gebeten, zu gegebener Zeit über die (technische) Vorbereitung der Einführung und Definition klarer Meilensteine zu informieren, damit die Wirtschaft genügend Zeit habe, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen. Die Bundesregierung werde weiterhin gebeten, bis zum 31.12.2024 ein kostenloses Angebot zur Rechnungserstellung sowie zum Ansehen von elektronischen Rechnungen zur Verfügung zu stellen.“
Die gestrige Antwort des Bundesfinanzministeriums (BMF): „Da der Staat nur unter bestimmten Voraussetzungen ein konkurrierendes Angebot zur Privatwirtschaft anbieten darf, hat das Bundesministerium der Finanzen intensiv geprüft, auf welcher rechtlichen Grundlage und ggf. in welcher Form die Bundesregierung ein entsprechendes kostenfreies Serviceangebot bereitstellen kann. Hierbei ist die Bundesregierung zu der Entscheidung gelangt, dass kein solches Tool zur Verfügung gestellt werden kann. Derartige Angebote sind bereits jetzt – z.T. auch kostenlos – von privaten Anbietern verfügbar. Gleiches gilt für Tools zum Empfang, Versand und Aufbewahrung von E-Rechnungen.“
Tatsächlich gibt es bereits kostenlose Tools, nur reichen diese nicht
Schön, dass wir das jetzt erfahren. Viele Selbstständige hatten auf ein solches Angebot gehofft und deshalb mit ihrer Umstellung noch gewartet. Wir hätten uns gewünscht, dass die Entscheidung früher kommuniziert wird. Nun aber besteht Klarheit... Grundsätzlich finden wir richtig, dass der Staat privaten Anbietern keine Konkurrenz macht. Allerdings scheint dieser Grundsatz in anderen Bereichen wie etwa der Bildung nicht ganz so streng genommen zu werden wie hier...
Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe kostenloser Tools zum Visualisieren und auch Generieren von E-Rechnungen und auch die integrierten Faktura- und Buchhaltungsprogramme, mit denen man die elektronischen Daten dann ohne Medienbruch weiterverarbeiten kann, bieten zumeist kostenlose Einstiegsversionen an (vgl. große Anbieter-Vergleichstabelle). Spätestens bei der revisionssicheren Archivierung, die allen Selbstständigen für digital eintreffende Dokumente vorgeschrieben ist, endet allerdings in der Regel die Kostenfreiheit, ein Problem vor allem für Selbstständige, die nur wenige Rechnungen schreiben und empfangen.
Regierung kündigt finales Rundschreiben und FAQ an
Die CDU/CSU stellte auch die Frage, wie sichergestellt würde, dass Unternehmen den rechtlichen Rahmen vollständig verstehen und die E-Rechnung reibungslos einführen könnten. Die Regierung antwortete, dass es sich um eine gesetzliche Verpflichtung handle und sie „keine speziellen Informationskampagnen oder Workshops“ plane, man vertraue den Berufsverbänden und Steuerberater/innen.
Das BMF verweist zudem darauf, dass es die finale Version seines bisher nur als Entwurf vorliegenden Rundschreibens sowie einen begleitenden FAQ noch dieses Jahr veröffentlichen wolle.
Auf die Frage nach dem Umsetzungsstand („bitte nach Branche und Größenklasse aufschlüsseln“) antwortet die Regierung, dieser sei der Bundesregierung nicht bekannt. Da haben die Beamten nicht auf unsere Website geschaut. Unser Vereinsmitglied Annalina Landsberg hat eine Umfrage zu genau diesem Thema mit mehr als 4.000 Teilnehmer/innen durchgeführt, deren Ergebnisse sie bei einem VGSD-Experten-Talk vorgestellt hat.
Was sind die größten Knackpunkte bei der Einführung?
Spannend waren die Antworten auf Frage vier, welche Probleme bei der Einführung der E-Rechnung in anderen Ländern aufgetreten sind und wie die Regierung diesen begegnen wird.
Die Regierung nannte an erster Stelle den „Schutz der Wirtschaftsbeteiligten davor, mit einer Vielzahl unterschiedlicher E-Rechnungsformate konfrontiert zu werden, und daher (die) Notwendigkeit für Regelungen zu zugelassenen Formaten – evtl. verbunden mit Regelungen zur Notwendigkeit einvernehmlicher Lösungen zwischen den Wirtschaftsbeteiligten bei Verwendung davon abweichender Formate“.
In Deutschland haben sich zwei Standards herausgebildet: ZUGFeRD-Rechnungen sind PDF-Dateien mit eingebetteter XML-Datei. Sie können wie ein PDF gelesen werden, enthalten aber alle wichtigen Angaben als XML in strukturierter, digital weiterverarbeitbarer Form. XRechnungen sind dagegen reine XML-Dateien und vor allem bei der Rechnungsstellung an Behörden gängig. Theoretisch können E-Rechnungen künftig aber (von inländischen Unternehmen) auch in anderen, z.B. in Italien oder Frankreich üblichen Formaten erstellt werden und müssen von deutschen Unternehmen angenommen werden, so lange sie der europäischen Norm EN 16931 entsprechen. Was dem Rechnungssteller natürlich nicht hilft, wenn die Rechnung dann nicht gelesen und bezahlt werden kann...
Auch in anderen Ländern gibt es das Problem, dass manche (meist größere) Unternehmen ihre Prozesse umfassend digitalisieren wollen und andere (meist kleinere) Unternehmen an Papierrechnungen festhalten wollen. Zwischen diesen Interessen gelte es abzuwägen.
Grob irreführend: "E-Mail-Postfach reicht aus"
Grob irreführend ist die Kurzmeldung zur Regierungsantwort durch den Pressedienst hib („heute im Bundestag“). Er überschreibt seine kurze Meldung „E-Rechnung: E-Mail-Postfach reicht aus“ und behauptet dann: „Für den Empfang einer E-Rechnung reicht künftig die Bereitstellung eines E-Mail-Postfachs aus. Das erklärt die Bundesregierung ...“ ohne auf die Archivierungspflicht nach GoBD einzugehen. Auch heise online hat dies übernommen und titelt: „E-Mail-Postfach reicht aus: Bundesregierung teilt Details zur E-Rechnung mit“.
Tatsächlich antwortete die Regierung: „Für den Empfang einer E-Rechnung reicht die Bereitstellung eines E-Mail-Postfachs aus, sofern zwischen den am Umsatz beteiligten Unternehmen kein anderer elektronischer Übertragungsweg vereinbart wurde“. Und fährt dann fort: „Nach den ... GoBD müssen eingehende elektronische Handels- und Geschäftsbriefe (z.B. E-Rechnungen) auch in elektronischer Form aufbewahrt werden“ und „Die elektronische Aufbewahrung muss den Anforderungen der GoBD entsprechen“. Das bedeutet, dass E-Rechnungen nicht nur angenommen, sondern auch revisionssicher archiviert werden müssen. Hier würden wir uns wünschen, dass das BMF dies in verständlicherer Form zum Ausdruck bringt, so dass es nicht schon die eigenen Kollegen von hib falsch verstehen.
Was passiert, wenn die Kasse keine E-Rechnung kann?
Viele Selbstständige fragen sich, was bei geschäftlichen Point-of-sale-Anschaffungen (etwa im Elektronikmarkt) oder Bewirtungen oberhalb von 250 Euro geschieht, für die nach einer Übergangsfrist ebenfalls E-Rechnungen vorgeschrieben sind. Erfordert dies neben der Angabe der E-Mail-Adresse durch den Kunden die erneute Umrüstung von Kassen?
Das BMF antwortet, es wisse nicht, ob bestimmte Kassen umgerüstet werden könnten und fährt fort: „Sofern eine strukturierte E-Rechnung nicht von einem Kassensystem ausgelöst und übermittelt werden kann, ist es möglich, dass die E-Rechnung später an den unternehmerischen Leistungsempfänger elektronisch übermittelt oder zum Download bereitgestellt wird. Ebenso zulässig wäre es, zunächst eine sonstige Rechnung auszustellen und diese durch elektronische Übermittlung einer E-Rechnung zu berichtigen.“ (Papier- und herkömmliche PDF-Rechnungen werden ab Januar 2025 als "sonstige Rechnungen" bezeichnet.)
Noch keine Einigung in Brüssel: Meldepflicht kommt wohl frühestens 2030
Neue Erkenntnisse gibt es auch zur Einführung eines transaktionsbezogenen Meldesystems, sprich dem Plan, parallel zum Rechnungsversand einen Teil der Angaben auch an das Finanzamt zu melden. Dieses möchte das BMF verständlicherweise für innerdeutsche Umsätze zeitgleich einführen mit der von der EU-geplanten Meldepflicht für Geschäfte zwischen Unternehmen in verschiedenen EU-Staaten. War die Einführung dieser Meldepflicht vor einem Jahr noch für den 1. Januar 2029 geplant sieht ein aktueller Brüsseler Kompromissvorschlag den 1. Juli 2030 als Einführungsdatum vor.
Obwohl in der ersten Jahreshälfte 2024 ein „nahezu einheitlicher Konsens unter den Mitgliedsstaaten hergestellt werden konnte“, hätte sich der zuständige ECOFIN-Rat der EU-Wirtschafts- und Finanzminister bei seinen letzten beiden Sitzungen nicht final auf eine Regelung einigen können. Die Einführung der Meldepflicht soll der Bekämpfung des Umsatzsteuer-Betrugs dienen, auf diese Weise zu erheblichen Steuermehreinnahmen führen und ist ein entscheidender Grund für die Einführung der E-Rechnung.
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