Die wichtigsten uns betreffenden Vorhaben der neuen Koalition sind einmal mehr im Bundesarbeits- und -sozialministerium (BMAS) angesiedelt. Wer es führt, entscheidet maßgeblich darüber, ob und wie sie umgesetzt werden. Doch wer wird das sein?
Die für Selbstständige zentralen Vorhaben des Koalitionsvertrags sind die Reform des Statusfeststellungsverfahrens (SFV) und die Altersvorsorgepflicht (AVP). Schon mehrfach hatte die Bundesregierung sich diese beiden Themen vorgenommen, sie standen auch in den Koalitionsverträgen der beiden letzten Legislaturperioden, in denen Hubertus Heil Bundesarbeitsminister war. Tatsächlich wurde eine Reform des SFV im April 2022 beschlossen, die aber – wie der VGSD bereits in den Fachgesprächen zum SFV 2019 voraussagte – nicht mehr Rechtssicherheit brachte.
Hubertus Heil hat die Altersvorsorgepflicht schon oft angekündigt
Über die Altersvorsorgepflicht haben Hubertus Heil und sein Staatssekretär Rolf Schmachtenberg seit Jahren immer wieder gesagt, dass sie den entsprechenden Gesetzesentwurf "fertig in der Schublade liegen haben" und ihn gleich nach ... (bitte einsetzen, zum Beispiel Ostern) veröffentlichen würden.
Dann knüpften sie aber immer wieder neue Bedingungen an ihre Einführung: zuletzt die Zustimmung zum Rentenpaket II, das das Rentenniveau bei 48 Prozent festschreiben soll, allerdings mit der Folge, dass die Rentenbeiträge in den nächsten zehn Jahren um 20 Prozent steigen werden (Schwarz-rot hat dies in ihrem Koalitionsvertrag nun erneut beschlossen). Das Rentenpaket II wurde von der Ampel nicht beschlossen. Das war einer der Gründe, warum die Ampel-Koalition zerbrach.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann wollte angeblich das Arbeitsministerium
Ob und wie Vorhaben des Koalitionsvertrags umgesetzt werden, darauf hat der zuständige Minister großen Einfluss. Deshalb kommt dieser Personalie für uns Selbstständige überragende Bedeutung zu. Und nicht nur für uns: Das BMAS ist für einen Großteil der Bürokratie in Deutschland verantwortlich, spielt also auch für einen erfolgreichen Bürokratieabbau eine zentrale Rolle.
Lange war im Gespräch, ob die CDU das Ministerium für sich beanspruchen würde. Deren Generalsekretär Carsten Linnemann war im Gespräch als Arbeitsminister, es wurde auch konkret über ein kombiniertes Wirtschafts- und Arbeits-, mindestens aber über ein kombiniertes Wirtschafts- und Sozialministerium (mit separat verbleibendem Arbeitsministerium) spekuliert.
Ex-Bundestagspräsidentin Bärbel Bas gilt als Favoritin
Doch spätestens mit der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags (Zeile 4.568) ist nun klar: Das Arbeits- und Sozialministerium bleibt eine Einheit und wird eines der sieben von der SPD geführten Ministerien sein.
Überraschend wurde die frühere Gesundheitspolitikerin und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas von SPD-Seite durchgängig als Favoritin für die BMAS-Führung genannt. Bas ist bekannt für ihre Bodenständigkeit und ihre enge Verbundenheit mit ihrer Heimatstadt Duisburg. Sie gehört somit dem NRW-Landesverband der SPD an.
Hubertus Heil dagegen ist aus Niedersachsen, ebenso wie Lars Klingbeil und Boris Pistorius, denen das Finanz- und Verteidigungsministerium sicher scheinen. Bei der SPD achtet man auf Proporz zwischen den Bundesländern und den Geschlechtern – ein Nachteil für Heil. Zudem hat Klingbeil eine – auch personelle – Erneuerung versprochen und sein persönliches Verhältnis zu Heil gilt – so Parteikreise – als nicht besonders gut. Heil war bereits zwei Mal Arbeitsminister. Er hat das Bürgergeld entwickelt, das als einer der Gründe für das schlechte Abschneiden der SPD bei den Bundestagswahlen gilt und dessen Abschaffung der Koalitionsvertrag nun vorsieht. Hätte er die Glaubwürdigkeit, es abzuschaffen?
Aber Hubertus Heil hat einen Joker im Ärmel
Heil wird großer Machtwille attestiert, er gebe nicht auf, er kämpfe massiv und bringe auch die Gewerkschaften für sich in Stellung. Zu diesen hat er ein gutes Verhältnis. Noch-FDP-Chef Christian Lindner hatte vor der Wahl vom BMAS als "Außenstelle des DGB" gesprochen und tatsächlich fällt einen bei Terminen im Ministerium die teils sehr enge personelle Verzahnung mit den Gewerkschaften auf. Selbst ein Arbeitsminister der Union hätte es in diesem Haus nicht so einfach, Änderungen herbeizuführen, sagen Expertinnen.
Bärbel Bas und Hubertus Heil nehmen ihren Streit um das Ministeramt – zumindest nach außen – mit Humor. Auf X schreiben sie über einem gemeinsamen Selfie: "Wir wundern uns, dass in keiner Personalliste der MdB Jakob Maria Mierscheid auftaucht."
Bas und Heil nehmen es mit Humor
Der Spiegel spricht von einem "Gag, den nur eingefleischte Politik-Nerds wirklich lustig finden". Denn Jakob Maria Mierscheid gibt es gar nicht. Er ist ein fiktiver SPD-Hinterbänkler aus dem Hunsrück, der seit 46 Jahren mehr oder minder unbemerkt im Bundestag sitzt.
Bas und Heil machen sich damit über die Personallisten lustig, von denen zurzeit eine die andere jagt und mit denen sich nicht selten die auf ihnen stehenden Politiker/innen selbst ins Gespräch bringen wollen. Tatsächlich wird es wohl noch drei Wochen dauern, bis wir die genaue Zusammensetzung des Kabinetts erfahren. Friedrich Merz und Lars Klingbeil werden dessen Zusammensetzung möglicherweise erst nach erfolgreicher Kanzlerwahl am 6. Mai 2025 veröffentlichen.
Wer es wird, erfahren wir möglicherweise erst nach erfolgreicher Kanzlerwahl
Denn die "große" schwarz-rote Koalition hat eine Mehrheit von nur sieben Stimmen im Bundestag. Jede einzelne zählt also, so dass man sich bei der Postenvergabe übergangene und entsprechend enttäuschte Spitzenpolitiker/innen an diesem Tag nicht leisten kann. Andererseits ist aus diesen Koalitionsverhandlungen mit den Ergebnissen sämtlicher AG-Ergebnispapiere schon mehr nach außen gedrungen als je zuvor. Vielleicht hat das Warten also auch schon früher ein Ende.
Wer, denkst du, wird das BMAS künftig führen? Und wen hättest du dir als Minister/in gewünscht?
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