Die Absicherung selbstständiger Frauen rund um die Geburt kostet weniger Geld als gedacht. Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Kosten aufzubringen. Der VGSD hat dabei eine klare Position.
Nur etwa 60 Euro jährlich – oder 5,30 Euro monatlich – kostet es umgelegt auf alle 3,6 Millionen Selbstständigen, selbstständige Mütter innerhalb der 14-wöchigen Mutterschutzfrist mit 100 Prozent ihres Bruttoeinkommens abzusichern. Alternativ können die Kosten von 229 Millionen Euro über eine einkommensabhängige Umlage mit einem Beitragssatz von 0,13 Prozent aufgebracht werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK).
Diese überraschend geringen Kosten sind zunächst einmal eine gute Nachricht. Sie sind auch darauf zurückzuführen, dass das Durchschnittsalter von Selbstständigen bei 52 Jahren liegt und die Zahl der selbstständigen Frauen, die schwanger werden, nicht hoch ist. Wie sich zuletzt im Juni bei einem interministeriellen Workshop mit Verbänden unter Teilnahme des VGSD zeigte, besteht zwar allgemein Einigkeit darüber, dass selbstständige Frauen während Schwangerschaft und Entbindung besser abgesichert sein müssen, um gleichberechtigt mit Angestellten und auch selbstständigen Männern ihren Beruf ausüben zu können. Als zentrales Problem im Hinblick auf die Umsetzung erwies sich jedoch die Unklarheit über die zu erwartenden Kosten und ihre Finanzierung. Vielen Selbstständigen und Verbänden hat dies Sorgen bereitet. Aus diesem Grund gab die Bundesregierung das oben genannte Forschungsvorhaben zu den Mutterschutz-Kosten und Finanzierungsmöglichkeiten in Auftrag, sowie eine Befragung Selbstständiger zur Akzeptanz zusätzlicher Beiträge durch das Allensbach Institut.
Absicherung rund um Geburt bisher ungenügend
Aktuell ist die finanzielle Absicherung selbstständiger Frauen während der Mutterschutzfrist (sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Entbindung) aus verschiedenen Gründen unzureichend und lückenhaft. Während angestellte Frauen 100 Prozent ihres Gehalts als Mutterschutzgeld erhalten, können selbstständige Frauen von einer solchen Versorgung nur träumen. Ihre Absicherung des Lebensunterhalts in dieser vulnerablen Zeit ist von vielen einschränkenden Faktoren abhängig und oft nicht prognostizierbar. Selbst im optimalen Fall erreichen Selbstständige bisher nie einen Ersatz von 100 Prozent.
Grundsätzlich können zwar sowohl GKV- als auch PKV-versicherte Selbstständige für die Zeit rund um die Entbindung Kranken(tage)geld zur Absicherung des Lebensunterhalts erhalten – sofern sie rechtzeitig einen entsprechenden Tarif abgeschlossen haben. Hierbei gelten aber teilweise sehr einschränkende Karenzzeiten, die für PKV-Versicherte faktisch zu einem Leistungsausschluss führen können, da aufgrund einer achtmonatigen Karenzzeit nach Bekanntwerden der Schwangerschaft der Abschluss des Wahltarifs oft gar nicht mehr möglich ist.
Karenzzeiten im Kleingedruckten
Aber auch wenn rechtzeitig ein Kranken(tage)geldtarif abgeschlossen wurde, ist die Absicherung aufgrund zahlreicher Fallstricke oft unzureichend. GKV-Versicherte erhalten Krankengeld in Höhe 70 Prozent des Gewinns als Mutterschutzgeld ausgezahlt. Selbstständige, die als Gründerin oder aufgrund einer konjunkturellen Flaute im Wirtschaftsjahr vor der Schwangerschaft keine oder nur geringe Gewinne erzielt haben, stehen damit ohne Absicherung da und typischerweise konnten in dieser Lebensphase auch noch keine Rücklagen gebildet werden.
PKV-Versicherte erhalten Krankentagegeld nach Maßgabe der individuellen Versicherungsbedingungen. Hier haben sich die Versicherungen im Kleingedruckten auch für die Zahlung des Mutterschaftsgeldes Karenzzeiten ausbedungen – teilweise satte vier Wochen. Anstatt der 14 Wochen Mutterschaftsgeld, die laut EU-Richtlinie 2010/41 auch selbstständigen Frauen zustehen müssen, gibt es dann nur 10 Wochen. Zudem müssen PKV-Versicherte während der Mutterschutzfrist weiterhin die Krankenversicherungsbeiträge zahlen. Auch andere Versicherungsbeiträge und Vorsorgeaufwendungen laufen in diesem Zeitraum für die Mütter weiter. Nur ein Mutterschaftsgeld in Höhe von 100 Prozent ihres Gewinns würde daher eine verlässliche Absicherung des Lebensunterhalts selbstständiger Frauen rund um die Geburt ermöglichen.
Auch beim Mutterschutz: Beitragsgerechtigkeit umsetzen!
Zur Frage, wie künftig die Finanzierung von Mutterschutzgeld umgesetzt werden soll, existieren unterschiedliche Modelle. Neben dem derzeitigen System – einer Finanzierung des Mutterschutzgeldes aus dem Budget der Krankenkassen – wird eine Kopfpauschale oder eine einkommensabhängige Umlage in einem separaten Topf diskutiert.
Der VGSD vertritt aus verschiedenen ökonomischen Gründen die Ansicht, dass das Mutterschutzgeld weiterhin aus dem Budget der Krankenkassen finanziert werden sollte, solange keine Beitragsgerechtigkeit für Selbstständige umgesetzt ist. So würde sich angesichts der sehr geringen Kosten mit durchschnittlich nur 5,30 Euro pro Selbstständigen monatlich der administrative Aufwand und die Verwaltungskosten eines neuen Systems nicht lohnen.
Selbstständige zahlen schon Vielfaches der Mutterschutzkosten
Wichtiger noch ist jedoch das Argument der Beitragsgerechtigkeit. Selbstständige zahlen bereits jetzt ein Vielfaches der Mutterschutzkosten im Rahmen ihrer Krankenversicherungsbeiträge: Wie wir in den letzten Monaten bei parlamentarischen Anhörungen und zahlreichen Einzelgesprächen mit Ministerien und Fachpolitiker/innen zum Thema Mutterschutz immer wieder überzeugend für unsere Gesprächspartner vorgerechnet haben, müssen freiwillig GKV-versicherte Selbstständige (das sind 72 Prozent aller Solo-Selbstständigen) aufgrund systemimmanenter Ungerechtigkeiten schon jetzt mindestens 20 Prozent höhere Krankenversicherungsbeiträge entrichten, als es der Summe aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil in einem entsprechenden Angestelltenverhältnis entspricht. Dabei handelt es sich um eine Untergrenze, teilweise sind die Beitragsbelastungen noch deutlich höher.
Damit zahlen Selbstständige also schon jetzt ein Vielfaches der vom IfM errechneten Mutterschutzkosten, jedoch ohne dass die Frauen entsprechende Leistungen erhalten. Ein Zahlenbeispiel mag dies verdeutlichen:
Bei einem Monatseinkommen (Gewinn) von 3.000 Euro entrichten Selbstständige derzeit pro Tag etwa 3,80 Euro mehr für Kranken- und Pflegeversicherung, als vergleichbare Arbeitnehmer und deren Arbeitgeber zusammen. Nach zwei Tagen haben sie schon mehr als die vom IfM berechneten 5,30 Euro Kopfpauschalen zu viel bezahlt.
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Integration in bestehende U2-Umlage nicht akzeptabel
Schon jetzt also bringen Selbstständige jeden Monat bereits ein Vielfaches der Kosten für Mutterschutz auf – ohne dass selbstständige Frauen ausreichend abgesichert sind. Aus den genannten Gründen tritt der VGSD für eine Beibehaltung des jetzigen Finanzierungsmechanismus durch die Kassen ein.
Sollte sich aber im politischen Prozess ein anderer Finanzierungsmechanismus durchsetzen, der zu einer zusätzlichen Belastung für Selbstständige führt, so müsste dies zwingend mit entsprechenden Entlastungen an anderer Stelle einhergehen, für die wir bereits konkrete Vorschläge unterbreitet haben. Denn während Selbstständige durch eine Umlage oder Kopfpauschale trotz bereits jetzt zu hoher Beiträge zusätzlich belastet würden, würden ja im Gegenzug die Kassen finanziell um die Ausgaben für Mutterschutzgeld entlastet. Dies sind nach Berechnungen des IfM jährlich zwischen 149 bis 229 Mio. Euro, je nachdem, ob das Netto- oder das Bruttoeinkommen der Frauen abgesichert wird.
Hohe Kosten bei Beschäftigungsverbot für Angestellte
Dass bei einer Umlage-Lösung eine Integration der Selbstständigen in die existierende U2-Mutterschutz-Umlage für Angestellte keine akzeptable Lösung ist, scheint auch auf Seiten der Ministerien gesehen zu werden. Denn angestellte Frauen unterliegen im Gegensatz zu Selbstständigen dem Mutterschutzgesetz und damit auch umfassenden Beschäftigungsverboten während der Schwangerschaft. So sind 37 Prozent aller schwangeren Angestellten, zum Beispiel viele Lehrerinnen, von einem vollständigen Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft betroffen und erhalten in dieser Zeit vollen Lohnausgleich. (Nachzulesen auf Seite 87 des Evaluationsberichts des Familienministeriums.) Naturgemäß sind diese Leistungen mit entsprechend hohen Kosten und Beitragssätzen verbunden. Die Integration Selbstständiger in die existierende U2-Umlage würde daher zu einer nicht unerheblichen Quersubventionierung Angestellter durch Selbstständige führen.
Das IfM hat daher als Alternative zur Kopfpauschale ebenfalls berechnet, wie viel eine einkommensabhängige Mutterschutz-Umlage kosten würde, die nur zwischen Selbstständigen umgelegt würde und beziffert den zu erwartenden Beitragssatz auf maximal 0,13 (0,08) Prozent für eine Absicherung in Höhe von 100 Prozent des Bruttoeinkommens (Nettoeinkommens) der Frauen während der Mutterschutzfrist. Allerdings hat das Institut bei seinen Berechnungen offenbar die Existenz der Beitragsbemessungsgrenze nicht berücksichtigt, so dass tatsächlich von etwas höheren Beitragssätzen auszugehen ist. Da die Berechnungen des Instituts die Grundlage für wirtschaftspolitische Entscheidungen bilden sollen, sollten diese unbedingt nachgebessert werden.
In jedem Fall aber ist der Beitragssatz einer Umlage nur unter Selbstständigen deutlich niedriger, als die Beitragssätze der existierenden U2-Umlage der Arbeitgeber, die derzeit durchschnittlich bei 0,43 Prozent liegen, krankenkassenabhängig im letzten Jahr aber teilweise einen Wert von 1,29 Prozent erreichten.
Fixkosten laufen weiter
Abgesehen vom hier im Mittelpunkt stehenden Mutterschutzgeld rund um die Entbindung ist die weitere finanzielle Absicherung während der Schwangerschaft noch ungeklärt. Dies betrifft zum einen die Absicherung des Lebensunterhalts bei einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund gesundheitlicher Risiken für Mutter und Kind, beispielsweise aufgrund schwerer körperlicher Arbeit. Arbeitsbedingte Risiken für Mutter und Kind während der Schwangerschaft sind stark branchen- und tätigkeitspezifisch. Hier ist das Handwerk sicher deutlich stärker betroffen als digitale Dienstleistungsberufe.
Ein weiteres Risiko betrifft die Absicherung der betrieblichen Fixkosten, wenn Frauen schwangerschaftsbedingt ausfallen. Insbesondere bei Solo-Selbstständigen ohne Angestellte laufen die Umsätze dann nicht weiter und eine Schwangerschaft kann schnell in die Insolvenz führen. Auch hierfür muss eine Lösung gefunden werden, denn keine Frau sollte aus finanziellen Gründen gesundheitliche Risiken für Mutter oder Kind eingehen müssen.
Betriebsausfallversicherung könnte sinnvoll sein
Für das Handwerk wird hier eine Betriebshelfer-Lösung diskutiert, wie sie in der Landwirtschaft in Deutschland und Österreich erfolgreich praktiziert wird. Doch angesichts des bereits bestehenden Fachkräftemangels im Handwerk besteht berechtigte Skepsis, ob dies flächendeckend umsetzbar ist.
Eine gute Lösung für die genannten Risiken könnte eine Betriebsunterbrechungsversicherung darstellen, für die sich in der aktuellen Allensbach Studie 60 Prozent der befragten selbstständigen Frauen offen gezeigt haben. Allerdings schließen diese Versicherungen bislang Leistungen im Zusammenhang mit Schwangerschaften aus und die zu erwartenden Beiträge für Frauen im gebärfähigen Alter wären erwartungsgemäß prohibitiv hoch.
Aus gesellschaftspolitischen Gründen – um die Berufswahlfreiheit selbstständiger Frauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu gewährleisten – sollten daher Lösungen gefunden werden, diese nur wenige Jahre anfallenden Beiträge über steuerliche (Abzugsfähigkeit von der Steuerschuld) oder institutionelle Wirtschaftsförderung (KfW) zu finanzieren. Die Empirie zeigt, dass selbstständige Frauen während der Schwangerschaft nur im Notfall aufhören zu arbeiten. Nur wenn diese großen existenziellen Risiken einer Schwangerschaft abgefedert werden, wird unsere Volkswirtschaft den demografischen Wandel meistern können.
Mutterschutzgeld wird von Selbstständigen schon jetzt finanziert
Die aktuellen Forschungsergebnisse belegen, dass Mutterschutz für Selbstständige überschaubare Kosten verursacht. Die anfallenden Kosten werden schon jetzt von Selbstständigen über ihre Krankenkassenbeiträge aufgebracht. Sollte die Finanzierung – über eine Umlage oder Kopfpauschale – aus dem System ausgelagert werden, müssen entsprechende Entlastungen umgesetzt werden, um die Akzeptanz zu gewährleisten und den Eindruck zu vermeiden, dass die chronisch klammen Kassen die Gelegenheit nutzen, um sich auf dem Rücken der Selbstständigen finanziell zu sanieren. Der VGSD hat einige konkrete Vorschläge dazu gemacht. Längst überfällig ist die Abzugsfähigkeit der hälftigen Sozialabgaben als Betriebsausgaben und damit steuerliche Gleichbehandlung mit Arbeitgebern. Dies wird auch unter steuersystematischen Gründen von Steuerexperten als sinnvoll erachtet.
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