Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat das „Honorarurteil“ des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. März 2017 (unser Bericht, Kommentare spezialisierter Arbeitsrechtler zu diesem Urteil) jetzt in ihrem vierteljährlichen E-Paper „summa summarum“ (Ausgabe 4/2017) aufgegriffen und ausführlich kommentiert.
Zitat: „Das Urteil hatte vor allem wegen seiner Ausführungen zur Bedeutung der Honorarhöhe für die Statusentscheidung für Aufmerksamkeit gesorgt. Nach dem Leitsatz der Entscheidung ist die Höhe der vereinbarten Vergütung ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit, wenn das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten liegt und dadurch eine Eigenvorsorge ermöglicht.“
40 Euro pro Stunde für ambulante Jugendhilfe angemessen
Ein Heilpädagoge hatte Jugendliche zu einem Stundensatz von rund 40 Euro im Auftrag eines Landkreises betreut. Es ist bundesweit üblich, dies in selbstständiger Tätigkeit zu tun. Diese Tätigkeit war von der DRV als scheinselbstständig eingeordnet worden. Dem widersprach das BSG ebenso wie die Vorinstanzen, durch die sich die DRV geklagt hatte.
Nach der Schilderung des Sachverhalts geht die DRV auf die wichtigsten Entscheidungsgründe ein. Zur Frage des Honorars fasst sie dies wie folgt zusammen:
„Die Vereinbarung eines festen Stundenhonorars spricht nicht zwingend für eine abhängige Beschäftigung. Bei reinen Dienstleistungen ist ein erfolgsabhängiges Entgelt aufgrund der Eigenheiten der zu erbringenden Leistung nicht zu erwarten. Liegt das Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch eine Eigenvorsorge zu, so ist dies ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit.“
BSG hatte DRV bei wichtigen Kriterien zu Anwendung des gesunden Menschenverstands gemahnt
Weitere Urteilsgründe von allgemeinem Interesse waren – in den Worten der DRV:
„Die Berichtspflichten, die wenig Zeit in Anspruch nehmen, sind kein Indiz für eine betriebliche Eingliederung, weil sie auch im Rahmen selbständiger Dienstleistungen üblich sind.Bei reinen Dienstleistungen, die im Wesentlichen nur Know-how, Arbeitszeit und Arbeitsaufwand voraussetzen, ist das Fehlen von größeren Investitionen in Werkzeuge, Geräte oder sonstige Arbeitsmaterialien kein gewichtiges Indiz für eine Beschäftigung.
Die höchstpersönliche Leistungserbringung ist nur dann ein ins Gewicht fallendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung, wenn diese nicht den Eigenheiten und Erfordernissen der Tätigkeit geschuldet ist. Gerade bei Tätigkeiten, deren Erfolg ein besonderes Vertrauen oder aber eine Expertise voraussetzen, ist die höchstpersönliche Leistungserbringung häufig Vertragsinhalt.“
DRV ist bemüht, die Bedeutung des Honorars als Entscheidungskriterium zu relativieren
Im zweiten Teil des Beitrags relativiert die DRV die Bedeutung des Honorars als Entscheidungskritierum, indem sie es als eines von „u.U. vielen“ bezeichnet:
„Entgegen den von der Pressemitteilung des BSG geweckten Erwartungen an die „besondere Bedeutung“ der Honorarhöhe für die Gesamtwürdigung stellt das Urteil klar, dass es sich auch bei der Honorarhöhe nur um eines von u.U. vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien handelt. Damit hat ein Honorar, selbst wenn es deutlich über dem Entgelt eines vergleichbar Beschäftigten liegt, nicht zur Folge, dass bei einer bestehenden Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation eine selbständige Tätigkeit vorliegt.“Einiger Spielraum beim Vergleich von Honoraren und Angestelltengehältern
Die DRV bemängelt, dass das BSG nicht ausreichend konkret beschrieben habe, wie in der Praxis die Vergütung eines vergleichbaren Angestellten ermittelt werden soll, in welchem Umfang Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicheung zu berücksichtigen sind und ob ein Honorar in dieser Höhe dann ausreicht oder deutlich darüber liegen muss. Daraus ergeben sich für die DRV Handlungsspielräume in Bezug auf die Statusfeststellungsverfahren:
„Das BSG hat allerdings darauf hingewiesen, dass es nicht erforderlich ist, exakt zu ermitteln, was ein ähnlich oder vergleichbar eingesetzter Beschäftigter verdient, um dieses Entgelt mit dem Einkommen des B zu vergleichen und zu prüfen, ob daraus eine hinreichende Altersvorsorge (Alter, Krankheit etc.) finanzierbar ist. Demzufolge dürfte ein generalisierender Vergleich ausreichen. Hierfür kann die tarifliche Eingruppierung der für die fragliche Tätigkeit in Betracht kommenden Berufsgruppen eine Orientierung zur Höhe des Stundensatzes eines vergleichbar eingesetzten Arbeitnehmers bieten.Auch welche Positionen für die Eigenvorsorge in Abzug zu bringen sind, hat das BSG nicht näher umschrieben. In Betracht kommen Vorsorgeaufwendungen für Alter, Krankheit, Pflege, ggf. Arbeitslosigkeit, Unfall und Berufshaftpflicht.“
Zum E-Paper „summa summarum – Sozialversicherungsprüfung im Unternehmen“ (Download, kann auch kostenlos abonniert werden)
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