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Eine AG ohne Angestellte, nur mit Selbstständigen? - Interview mit Hans-Wolff Graf

Hans-Wolff Graf (Jahrgang 1950) ist Gründer der Erste Finanz- und Vermögensberater AG (efv-AG). 2006 erhielt er den Werner-Bonhoff-Preis wider den §§-Dschungel, weil er gegen viele Widerstände seine Vorstellung eines Unternehmens als Netzwerk von Selbständigen realisierte. Wir haben ihn nach den Hintergründen gefragt.

VGSD: Vor inzwischen 30 Jahren haben Sie die efv-AG gegründet, die einzige Aktiengesellschaft in Europa ganz ohne Mitarbeiter. Sie arbeiten ausschließlich mit selbständigen Partnern. Warum?

Hans-Wolff Graf: 
Zum einen ging es darum, eine wirkliche Beratungs-Gesellschaft zu gründen, denn die Heerscharen der Strukturvertriebe sowie der Banken und Versicherungen bieten nach meiner Überzeugung (damals wie heute) keine wirkliche Beratung, sondern schieren Verkauf. Ihnen ging und geht es um möglichst hohe Provisionen. Danach hoffen sie nur, daß ihre Kunden zumindest für die Dauer der Stornohaftungszeit nicht kündigen.

Zum anderen, dies weist die genaue Namensbezeichnung aus, geht es der "Erste Finanz- und Vermögensberater AG in Deutschland" darum, ausschließlich mit selbständigen Partnern zusammenzuarbeiten – sowohl Beratern als auch Partnern im Innendienst –, da Selbständige grundsätzlich mit einer anderen inneren Haltung zu ihrer Arbeit stehen, nicht in Acht-Stunden-Tagen, Wochenenden und Feiertagen rechnen, sondern partnerschaftlich an einer gemeinsamen Firmenphilosophie und deren Aufbau und Weiterentwicklung zu arbeiten bereit sind.

VGSD: Wir leben in einer Zeit, in der Selbständigen immer häufiger unterstellt wird, sie seien doch eigentlich schützenswerte Scheinselbständige, die vom Auftraggeber angestellt werden sollten – auch wenn sie das selbst gar nicht wollen. Auch Ihre AG wurde mehrfach überprüft – die Selbständigkeit der Mitarbeiter wurde aber immer bestätigt. Was machen Sie anders?

Graf: Es sind Politiker und Bürokratien, die sich in die gesamte Arbeits- und Berufswelt einmischen und dabei vorgeben, in ihrer unendlichen Güte, Kompetenz und Weitsicht den unmündigen Menschen schützen zu müssen. Die auch im Grundgesetz und dem BGB garantierte "Vertragsfreiheit" verkommt damit zur bloßen Makulatur, denn nur Politiker verfügen, wie wir alle wissen, über die nötige Lebenserfahrung und Sachkenntnis, um beurteilen zu können, wie die Arbeits- und Lebenswelt erwachsener Menschen auszugestalten ist.

Dem entziehen wir uns dadurch, daß alle Partner in unterschiedlichen Firmen mit verschiedenen Arbeitsinhalten zusammenarbeiten – je nach Interesse, Ausbildung und Neigung, eine solitäre Anbindung an nur ein Unternehmen also tatsächlich nicht gegeben ist. So arbeiten also alle Partner (mit unterschiedlichen Schwerpunkten) z.B. in der efv-AG, dem Perspektive ohne Grenzen e.V., dem Anthropos e.V. – Für die Kinder dieser Welt, der pAS - Private Akademie für die Selbständigkeit GmbH, etc. zusammen – mit unterschiedlichen Schwerpunkten und zu unterschiedlichen Zeiten. Alle diese Firmen und Vereine eint jedoch eine gemeinsame Philosophie – unabhängig von den Arbeitsinhalten und Themenschwerpunkten.

VGSD: Angenommen Sie wären Justiz- bzw. Arbeitsminister: Was würden Sie konkret ändern, um in diesem Bereich mehr Rechtssicherheit für Selbständige und ihre Auftraggeber zu erreichen?

Graf: Ich überließe es mündigen Bürgern und Bürgerinnen grundsätzlich selbst, neben ihrem Privatleben auch ihr Arbeitsleben selbständig und verantwortlich zu gestalten.

Hilfreich wäre hierfür natürlich, wenn sowohl eine ökonomische Grundausbildung als auch die Grundzüge des Arbeits- und Vertragsrecht integraler Bestandteil der Ausbildung an den Schulen würden. Das würde den Menschen ermöglichen, ihre Lebensgestaltung – privat wie auch beruflich – eigenverantwortlich und kompetent vorzunehmen, statt sich zuerst von den Eltern und dann, als Erwachsene, vom Staat, den Parteien, selbstherrlichen Politikern und Gewerkschaften lebenslang bevormundet und gegängelt zu sehen.

VGSD: Was sind für Sie die größten Mißstände im Hinblick auf Selbständige, die geändert werden sollten?

Graf: Wie bereits erwähnt: die unbotmäßige Einmischung von Parteipolitikern und Bürokraten (denken Sie an die IHKs und Handwerkskammern), die sich anmaßen, für Selbständigkeit Ratschläge geben zu können, obwohl sie nie in ihrem Leben auch nur für einen Tag eigenverantwortlich-selbständig ihren Lebensunterhalt verdient haben. Das entspräche der Hybris, daß der Papst sich als Eheberater betätigt.

VGSD: Welche Tipps haben Sie für VGSD-Mitglieder, die sich gegen Mißstände zur Wehr setzen wollen?

Graf: Eigene Interessen zu vertreten ist eine Sache der persönlichen innerlichen Haltung und des Lebensmutes. Wer sich nicht gegen Behördenwillkür und politische Arroganz zur Wehr setzt, muss sich nicht wundern, wenn diese selbsternannten "Eliten" die persönlichen (privaten und beruflichen) Freiheiten der Menschen immer weiter einengen und beschneiden. 
Es gilt, kluge Argumente für den eigenen Standpunkt zu sammeln und dann angstfrei für die eigenen Belange einzutreten.

Die Chancen, damit erfolgreich zu sein, sind zumeist viel höher, als der Einzelne, oftmals verängstigte Bürger glaubt. Nicht vergessen: Nicht der Förster schützt den Wald, sondern die Angst vor dem Förster. In vorauseilendem Gehorsam mut- und kraftlos vorzugehen, heißt, sich der Chancen für die eigene Verwirklichung von Lebensinhalten zu berauben. Das kratzt dann merklich am Selbstwertgefühl und nagt an der Lebensfreude.

Besser ist es, sich kluge Verbündete an die Seite zu holen und dann mutig in den „Kampf“ gegen Ämter- und Behördenwillkür zu ziehen. Ihre Argumente müssen einfach besser sein als die der Bürokraten.

VGSD: Vielen Dank für das Interview!

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