Der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (DBSH) ist mit 6.000 Mitgliedern der größte deutsche Berufs- und Fachverband für Soziale Arbeit und damit die berufsständische Vertretung der Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/innen in Deutschland.
Auch in der sozialen Arbeit gibt es eine nicht unerhebliche Zahl von selbstständig Tätigen, weshalb wir mit dem DBSH bereits seit mehreren Jahren im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) zusammenarbeiten. Der DBSH hat in der Vergangenheit bereits mehrere politische Forderungen der BAGSV mitgetragen.
Am 30.08.2019 fand ein Treffen mit Michael Leinenbach, dem 1. Vorsitzenden, Thomas Greune sowie Andreas Lutz (VGSD) statt. Thomas ist Mitglied des geschäftsführenden DBSH-Vorstands und als Selbstständigen-Beauftragter des Verbands auch der Kopf hinter dem "DBSH-Netzwerk Selbstständige".
"Relative Honorarhöhe" als Positivkriterium für echte Selbstständigkeit bot viel Gesprächsstoff
Es war unser erstes persönliches Treffen in dieser Dreierkonstellation und führte zu einem spannenden Austausch insbesondere zum Thema Scheinselbstständigkeit und zur geplanten Altersvorsorgepflicht für Selbstständige. Da der DBSH für seine angestellten bzw. verbeamteten Mitglieder auch die Funktion einer Gewerkschaft ausübt, konnten wir von VGSD-Seite viel darüber lernen, wie man die Interessen von Selbstständigen und Gewerkschaften möglicherweise besser vereinbar machen könnte.
Die von uns als Positivkriterium für eine echte Selbstständigkeit favorisierte relative Honorarhöhe (Honorar pro Zeiteinheit relativ zu Angestellten mit gleicher Qualifikation) bot dafür viel Gesprächsstoff. Welche Rolle spielen dabei Tarifabschlüsse, Mindestlohn, die persönliche Qualifikation, die Beauftragung über Subunternehmen...?
Relative Honorarhöhe aus VGSD-Sicht
Unsere Idee hinter dem Begriff "relative Honorarhöhe": Wenn ein Selbstständiger pro Zeiteinheit (z.B. Stunde) ein geringeres Honorar erhält als ein vergleichbarer Angestellter oder im Extremfall sogar weniger als den (ggf. branchenspezifischen) Mindestlohn, dann sollte dies aus unserer Sicht ein Negativkriterium sein, also eines, das für Scheinselbstständigkeit spricht.
Selbstständige sollten deutlich mehr als den Brutto-Stundensatz eines vergleichbaren Angestellten erhalten:
- Schließlich müssen sie aus dem Honorar auch den Arbeitgeberanteil an der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung (bzw. privaten Altersvorsorge) leisten.
- Sie müssen Urlaub, Feiertage und Krankheitszeiten einkalkulieren, Zeiten für Akquise und Administration sowie das Risiko einer Nichtauslastung.
- Schließlich haben sie im Gegensatz zu Angestellten auch Betriebsausgaben, z.B. für Computer, Smartphone, ggf. Auto, freie Mitarbeiter, Steuerberater usw.
Angesichts unterschiedlicher Bezugsgrößen (Stunde, Tag, Stück, Zeile, Seite usw.), erfolgsabhängiger Honorare (z.B. im Vertrieb), unterschiedlich hohem Akquiseaufwand, Leerzeiten, nötigen Betriebsausgaben, müsste die relative Honorarhöhe bzw. der Aufschlag gegenüber Angestellten branchen- und tätigkeitsspezifisch konkretisiert werden – dabei wären sinnvollerweise Branchen- und Berufsverbänden wichtige Ratgeber.
Dass eine solche Konkretisierung durchaus praktisch möglich ist, zeigt das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zu Einzelfallbetreuern / Familienhelfern. In diesem Urteil hat das BSG letztes Jahr für einen konkreten Stundensatz geurteilt, dass dieser ein Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit darstellt.
Für die Beurteilung der Angemessenheit von Honoraren wären von Gewerkschaften ausgehandelte Tariflöhne sicherlich eine wichtige Orientierung. Aus Sicht des DBSH wäre in Hinblick auf Ausschreibungen von staatlichen Stellen und tarifgebundenen Unternehmen auch wichtig, dass von den Lieferanten beim Einsatz von Angestellten die Zahlung mindestens nach Tarif gefordert wird – und beim Einsatz von Selbstständigen ein um den oben skizzierten Aufschlag höheres Honorar.
Aus unserer Sicht würde ein Honorar in Höhe von mindestens dem Tarif zuzüglich des oben skizzierten Aufschlags ein Positivkriterium für echte Selbstständigkeit darstellen.
In jedem Fall würde gelten: Wer als Auftraggeber fair und angemessen bezahlt, sollte ein hohes Maß an Rechtssicherheit erhalten. Wer unfair bezahlt oder versucht durch Selbstständigkeit den Mindestlohn zu umgehen, würde als Auftraggeber dagegen ein erhebliches Risiko eingehen.
Eine solche Regelung wäre geeignet, gerade auch im staatlichen Bereich zu höheren Honoraren für Selbstständige zu führen und im privaten Bereich die Zahl der schwarzen Schafe unter den Auftraggebern zu reduzieren.
Relative Honorarhöhe aus gewerkschaftlicher Perspektive
Der DBSH formuliert diese Überlegungen in Richtung seiner Mitglieder wie folgt:
"Aktuell wurde die Fragestellung der Soloselbstständigkeit und prekäre Arbeitsbedingungen in der Selbstständigkeit diskutiert.Aktuell bestehen gesellschaftliche Forderungen, dass für Sparten / Branchen eine einheitliche Bezahlung für zu erbringende und fest definierte Leistungen erfolgen sollen. Für die Soziale Arbeit wurde der Sozial- und Erziehungsdienst als 'Leittarifvertrag' für die Definition der Leistungen zwischen den Tarifpartnern vereinbart.
Sollen entsprechende Leistungen von Selbständigen erbracht werden, so müssen notwendigerweise Pauschalen für die Absicherung der Selbstständigkeit (Krankengeld, Versicherungen, Urlaub, Rente usw.) diese ergänzen. Im Bereich der Tarifierung werden ähnliche Leistungen über die Arbeitgeberpauschalen usw. aufgebracht.
Würde es politisch zu einer solchen Überlegung kommen, so wären weite gesellschaftliche Kreise eingebunden. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben werden die Höhe der Zahlungen in den Sparten und Branchen durch Tarifparteien bereits ausgehandelt. Zusätzlich müssten über die Vertretungen der Selbstständigen die notwendigen Pauschalen für deren Absicherung kalkuliert und eingebracht werden."
Wir sind gespannt, was ihr von diesen Überlegungen haltet und freuen uns auf eure Kommentare. Den DBSH-Vertretern Michael und Thomas herzlichen Dank für das Gespräch!
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