Ein Interview mit Franz Kampmann vor zwei Monaten war der Startschuss für die Gründung einer Arbeitsgruppe "gegen GKV-Mindestbeiträge". Rund um Franz hat sich eine Gruppe Interessierter und Betroffener organisiert, die aktiv weitere Veröffentlichungen und Aktionen zum Thema vorbereitet.
Jetzt hat die Gruppe einen ersten PR-Erfolg vorzuweisen: Franz kam am Mittwoch, 19.11.2014 zusammen mit Sylvia Ewerling im ARD-Magazin "PlusMinus" zu Wort. Die Redaktion war aufgrund unserer letztjährigen Berichterstattung über das "Überforderungsbeseitigungs-Gesetz" auf den VGSD zugekommen und wurde von uns mit Hintergrundinfos und Gesprächspartnern versorgt.
Herausgekommen ist ein wirklich informativer Beitrag, der hoffentlich den einen oder anderen Politiker wachrüttelt. Aufhänger für die Sendung war das im August letzten Jahres beschlossene Überforderungsbeseitigungs-Gesetz mit dem die Zahl der Menschen mit Beitragsschulden oder ganz ohne Krankenversicherung reduziert werden sollte.
Das Gesetz war nach Einschätzung der Redaktion ein Fehlschlag
- Nur 38.000 von ca. 140.000 Menschen ohne Versicherung und weiteren rund 600.000 mit Beitragsschulden kamen zurück in die Versicherung. Die Betroffenen haben nur zum Teil von dem Gesetz erfahren, viele Fragen blieben offen und die Frist für die Rückkehr war sehr knapp.
- Die Beitragsschulden bei den gesetzlichen Kasssen nahmen in den letzten drei Jahren von 458 Millionen auf 1,13 Milliarden Euro zu.
Hohe Mindestbeiträge als eigentliche Ursache des Problems
Die eigentliche Ursache für die Beitragsschulden wurde nicht gelöst, nämlich die hohen Mindestbeiträge, die für Selbstständige und andere freiwillig Versicherte gelten. Für sie gilt eine Mindestbeitragsbemessungsgrenze von 2.073,75 Euro - auch wenn sie tatsächlich viel weniger verdienen. Daraus resuliert bei Selbstständigen ein Mindestbeitrag zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von rund 370 Euro/Monat. Zum Vergleich: Ein Arbeitnehmer mit 1.000 Euro Bruttoeinkommen zahlt für den gleichen Versicherungsschutz 94,75 Euro, sein Arbeitgeber 83,25 Euro, zusammen also 178 Euro. Gerechtigkeit sieht anders aus.
In der Sendung fasst es der Gesundheitsökonom Professor Stefan Greß von der FH Fulda so zusammen:
"Das Gesetz war halbherzig, weil ein großes Problem nicht gelöst wurde, nämlich das Problem der freiwiliig versicherten Selbstständigen, die häufig ihre Beiträge nicht bezahlen können. Diese Regelung, dass ein bestimmtes Mindesteinkommen für Selbstständige zugrunde gelegt wird, stammt noch aus einer anderen Zeit. Die Gesellschaft hat sich aber geändert, der Arbeitsmarkt hat sich verändert."
Jetzt mitzeichnen: Mit unserer Petition setzen wir uns für faire Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ein. Es ist nicht einzusehen, dass Selbstständige deutlich mehr zahlen als Arbeitgeber und -nehmer zusammen. Eine Gesetzesverschärfung zum 1.1.18 macht eine Reform noch dringlicher.
Krankenkassen und Gesundheitsministerium wollen Problem nicht angehen
Statt der nahe liegenden Lösung, die Ungleichbehandlung zu beenden und die Beiträge wie bei Angestellten einkommensbasiert zu berechnen, schlägt die Barmer Krankenkasse vor die Versicherungspflicht abzuschaffen: “Um Schulden in erheblicher Größenordnung zu vermeiden, wäre es überlegenswert, die ‘Altregelung’ wieder einzuführen." Die Selbstständigen mit weniger als 2.000 Euro Monatseinkommen hätten dann keine Beitragsschulden mehr, allerdings auch keinerlei Zugang mehr zu Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Redaktion hat auch das Bundesgesundheitsministerium gefragt, wie es mit der Situation umgehen möchte. Die Antwort war kurz und bündig: "Es sind keine weiteren Maßnahmen geplant."
Es bleibt also trotz dieses Erfolgs viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit für den VGSD und die Arbeitsgruppe "gegen hohe GKV-Mindestbeiträge".
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