(Update vom 05.08.20) Ende Juni hatten wir berichtet, dass Bundesfinanzminister Scholz Einschränkungen in Bezug auf steuerfreie Sachleistungen (auch bekannt als "44-Euro-Regelung") plant. Insbesondere sollten die von sechs Millionen Arbeitnehmern genutzten Debit-Karten von der Steuervergünstigung ausgeschlossen werden.
Das hätte bedeutet, dass man sich für einen Händler oder Dienstleister entscheiden muss, bei dem die Sachleistungen einzulösen sind. Amazon und große Mobilölkonzerne hätten auf Kosten kleinerer Händler profitiert. Zugleich wäre ein wichtiges Instrument der Mitarbeiterbindung für kleine Unternehmen ausgehöhlt worden.
Beispiel für erfolgreiche Zusammenarbeit mit anderen Berufsverbänden
Wir hatten uns gemeinsam mit dem Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) sowie weiteren in der MittelstandsAllianz organisierten Verbänden gegen die Einschränkungen ausgesprochen. Letzte Woche erreichte uns dann der Kabinettsentwurf zum Jahressteuergesetzes 2019, in dem die Einschränkung geregelt werden sollte.
Ergebnis: Die Einschränkung der 44-Euro-Freigrenze ist vom Tisch. Es ist Arbeitnehmern weiterhin möglich, vom Arbeitgeber bis zu dieser Höhe gewährte Sachleistungen steuerfrei in Anspruch zu nehmen und zwar weiterhin auch in Form von Guthabenkarten, die vom Arbeitgeber aufgeladen werden.
Die innerhalb von nur sechs Wochen erreichte Änderung ist ein schönes Erfolgsbeispiel für die Zusammenarbeit mit anderen Berufsverbänden im Rahmen der Mittelstandsallianz, der wir erst vor drei Monaten, im Mai 2019 beigetreten sind.
Finanzminister Scholz will steuerfreie Sachleistungen („44-Euro-Regelung“) einschränken – Profiteur wäre Amazon
(Beitrag vom 24.06.19) Das Bundeministerium der Finanzen (BMF) plant im Rahmen des Jahressteuergesetzes mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ eine für kleine Unternehmen und ihre Arbeitnehmer schädliche Regelung.
Es geht um steuerfreie Sachleistungen, die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern bis zu einer Grenze von 44 Euro/Monat steuerfrei zukommen lassen können.
Damit kann die Bezahlung attraktiver gestaltet werden – gerade für kleine Unternehmen in Zeiten des Arbeitskräftemangels wichtig. Der Vorteil kann selbst bei einem Minijob gewährt werden, um diesen aufzuwerten. (Vgl. dazu unsere Experten-Telko „Mehr Netto vom Brutto für Mitarbeiter und mitarbeitenden Familienangehörige“).
Sechs Millionen Arbeitnehmer nutzen Regelung via Debit-Karte
Die Sachleistung kann als Tankgutschein erfolgen, in Form eines Abos für ein Fitnessstudio oder ein Einzelhandelsgeschäft. Aber: Die Geschmäcker sind unterschiedlich, nicht jeder hat ein Auto, geht ins Fitnessstudio oder findet bei einem speziellen Einzelhändler Dinge nach seinem Geschmack – zumal der Mitarbeiter vielleicht an einem ganz anderen Ort lebt.
Deshalb haben sich als effektive Form der Vergabe von Sachleistungen spezielle Debitkarten durchgesetzt, auf die der Arbeitgeber monatlich 44 Euro überweist. Das Guthaben kann dann bei einer Vielzahl von Geschäften eingelöst werden können. Anbieter wie "givve" und "spendit" haben daraus ein Geschäftsmodell gemacht. 6 Millionen Arbeitnehmer nutzen solche Debitkarten, erhalten also an die 3,2 Milliarden Euro pro Jahr steuerfrei von ihren Arbeitgebern.
Geplante Gesetzesänderung unter der Lupe
Dies ist Finanzminister Olaf Scholz ein Dorn im Auge. Er will § 8 des Einkommensteuergesetzes ändern. Dort heißt es momentan:
"Einnahmen sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bis 7 zufließen."
Hier will er folgende Zeilen anfügen (Seite 12, Punk 6. des Jahressteuergesetzes):
"Zu den Einnahmen in Geld gehören auch zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten sowie die Beiträge oder Zuwendungen, die dazu dienen, einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters, des Todes oder gegen andere Risiken bei einem Dritten mit einem eigenen unmittelbaren Rechtsanspruch ab zusichern. Satz 2 gilt nicht bei Gutscheinen, die zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen vom Aussteller des Gutscheins berechtigen."
In der Begründung auf Seite 108 f. präzisiert er:
"Gutscheine sind auch weiterhin als Sachbezug zu qualifizieren, wenn der Aussteller identisch ist mit dem Unternehmen, dessen Waren oder Dienstleistungen damit bezogen werden können."
Das heißt in der Praxis: Das monatliche Herausgeben eines Amazon-Gutscheins wäre weiterhin zulässig, eine Debitkarte, die das Einkaufen bei einer Vielzahl kleinerer, lokal ansässiger Unternehmen ermöglicht, aber nicht mehr. Ebenfalls nicht mehr zulässig wäre im Übrigen auch der Beitrag zu einer Krankenzusatzversicherung.
Änderung wäre Konjunkturprogramm für Amazon
Kleinen und mittlere Unternehmen, die mit dem umfassenden Angebot großer Marktplätze nicht konkurrieren können, würden verlieren. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) kritisiert:
„Dies käme einem Konjunkturprogramm für Großkonzerne wie Amazon gleich. Zudem wird durch eine Verringerung der Zahl von Akzeptanzstellen auch die Wahlfreiheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erheblich eingeschränkt. Eine Abschaffung der Sachbezugsgewährung von Prepaidkarten mit Wahlmöglichkeit würde den Mittelstand dieses Instrument der Mitarbeiterbindung berauben. Die 44-Euro Freigrenze darf nicht durch die Hintertür abgeschafft werden.“
Auch Steuerberater-Verband und Steuerberaterkammer lehnen Änderung ab
Auch der Deutsche Steuerberater-Verband (DSt-V) lehnt die Änderung in einer Stellungnahme ab:
„Selbst wenn man die Auffassung vertritt, dass die 44-Euro-Grenze entgegen ihres ursprünglichen Zwecks zur Entgeltoptimierung genutzt wird: Mit Blick auf die hohe Abgabenbelastung von Arbeitnehmern hierzulande sowie die seit Jahren stetig steigenden Steuereinnahmen (vgl. Statistisches Bundesamt, Kassenmäßige Steuereinnahmen nach Steuerarten, Zeitreihen) erscheint dies nach Auffassung des DStV hinnehmbar.Eine Einschränkung dieser Möglichkeit käme zudem einer Steuererhöhung gleich. Denn aufgrund der angedachten erweiterten Definition von Geldleistungen dürfte für viele Arbeitnehmer, deren Sachbezüge bisher unter die 44-Euro-Grenze fallen, die Steuer- und Sozialabgabenfreiheit entfallen. Die Ausnahme für bestimmte Gutscheinarten dürfte diesen Nachteil nur unzureichend kompensieren.
Es steht überdies zu befürchten, dass diese Ausnahme vor allem Anbietern mit breitem Sortiment zugutekommt, da diese dem Arbeitnehmer die größte Auswahl bieten. Lokale Anbieter mit geringerer Sortimentsbreite hätten hingegen das Nachsehen.“
Auch die Bundessteuerberaterkammer kritisiert den Gesetzesentwurf in einer Stellungnahme:
„Die monatliche 44,00 €-Freigrenze für Sachbezüge wurde durch das JStG 1996 in das Einkommensteuerrecht eingeführt. Durch diese Regelung sollte die Erfassung und Besteuerung der von Dritten lediglich in geringerem Umfang bezogenen Waren und Dienstleistungen sowie der privaten Nutzung betrieblicher Einrichtungen für den Arbeitgeber vereinfachen. Dieser Gesetzeszweck gilt jedoch auch weiterhin. Berücksichtigt man die jährliche Inflationsentwicklung, also den Kaufkraftverlust, so müsste die Freigrenze 2019 auf 61,00 € angehoben werden, um dieselbe Kaufkraft wie 1996 zu verkörpern. Der Vorteil der Regelung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist bereits aus diesem Grund beträchtlich gesunken. Die Bundessteuerberaterkammer hat bereits wiederholt angeregt, die Freigrenzen und Freibeträge regelmäßig der Inflation anzupassen.Wenn eine Anhebung der Freigrenze unterlassen wird, so sollten wenigstens keine weiteren Einschränkungen bei ihrer Anwendung eingeführt werden. Gerade kleinere und Kleinst-Unternehmen und Arbeitgeber gewähren ihren Arbeitnehmern häufig Sachleistungen, die der Freigrenze über 44,00 € monatlich unterliegen. So nutzen kleinere Dienstleister und Handwerksbetriebe diese Möglichkeit, um als Arbeitgeber attraktiv zu werden und sich Im Wettbewerb um das zunehmend geringere Arbeitskräftepotenzial gegenüber größeren und bekannteren Arbeitgebern besser behaupten zu können.
Die Empfänger dieser Sachleistungen sind, im Gegensatz zu den nach § 37b EStG pauschal versteuerten Leistungen, im Regelfall Arbeitnehmer mit einem geringeren Einkommen, für welche die Sachbezüge einen spürbaren Bonus bedeuten.“
Zu dem letzten von uns zitierten Satz unten gleich noch mehr!
Wirtschaftsflügel der Union, Bayern und Saarland gegen Änderung
Das Vorhaben ist in der Großen Koalition umstritten. Der Wirtschaftsflüge der Union lehnt ihn ab. So heißt es in einer Pressemitteilung des MIT:
"Die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT) will Arbeitnehmer bei der Nutzung von Sachbezügen besserstellen. Statt 44 Euro pro Monat sollen Arbeitnehmer künftig 600 Euro im Jahr steuer- und sozialabgabenfreie Sachzuwendungen erhalten dürfen. Die bisherige Freigrenze soll darüber hinaus in einen Freibetrag umgewandelt werden, was das Risiko einer Steuerpflicht reduziert. (...)Kritik übt die MIT an aktuellen Planungen des Bundesfinanzministeriums, aufladbare Prepaid-Karten ohne Bargeldauszahlung nicht mehr als Sachbezug zu werten, sondern nur noch Gutscheinkarten für einzelne Anbieter wie Handelshäuser oder Online-Händler zuzulassen. Betroffen wären davon derzeit mehr als 1,2 Millionen Beschäftigte. Vor allem der Mittelstand profitiere von den steuerfreien Prepaid-Karten und nutze diese zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität, so die MIT.“
(Hintergrund der geforderten Änderung der Freigrenze in einen Freibetrag ist, dass bei einem geringfügigen Überschreiten der Freigrenze die Steuerbegünstigung in Gänze entfällt, während sie beim Freibetrag erhalten bleiben würde. Die bestehende Regelung führt dazu, dass Steuerprüfer sich einen Sport daraus machen, nach Sachleistungen im Wert von einigen Cent zu suchen, z.B. für die private Telefonnutzung, um die Freigrenze so in vollem Umfang auszuhebeln. Es wird aus diesem Grund empfohlen, die Freigrenze nicht voll auszuschöpfen, sondern z.B. nur Sachleistungen im Wert von 40 Euro zu gewähren.)
Für den Fall, dass es im Bundestag bei der Gesetzesänderung bleibt, haben die unionsregierten Bundesländer Bayern und Saarland ihren Widerstand im Bundesrat angekündigt, berichtet der Spiegel.
Tatsächlich reformbedürftig: 10.000 Euro-Steuersparmodell
Eine andere Regelung des Einkommensteuergesetzes ist tatsächlich reformbedürftig: § 37b erlaubt es Arbeitgebern, zusätzlich zu den 44 Euro pro Jahr einmalig bis zu 10.000 Euro Sachleistungen zu gewähren, wenn diese zuvor vom Arbeitgeber pauschal mit 30 Prozent versteuert wurden. Das lohnt sich insbesondere bei hochbezahlten Mitarbeitern mit hoher Grenzsteuerbelastung. Kartenanbieter haben offenbar dieses Steuersparmodell aggressiv an Arbeitgeber vermarktet, die auf diesem Weg Führungskräften angeblich steuerfreie Boni zukommen lassen können.
Wir werden uns gemeinsam mit anderen Verbänden dafür einsetzen, dass die Gesetzesänderung sich auf die Bekämpfung solcher Auswüchse beschränkt und nicht zum Konjunkturprogramm für Amazon & Co wird.
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